TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/22 2003/15/0127

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Veröffentlicht am 22.12.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §35 Abs2;
BAO §35;
KStG 1988 §5 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, über die Beschwerde der L GmbH in G, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Hofgasse 6/III und IV, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 8. Oktober 2003, RV/0257-G/02, betreffend Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 1999 bis 2001 sowie Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Zeiträume August bis Dezember 1999, Februar bis Juli 2000, August bis Dezember 2000 sowie Jänner bis März 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 2. August 1999 gegründet und am 25. August 1999 ins Firmenbuch eingetragen. Gesellschafter sind Wolfgang und Margit S, Wolfgang S ist Geschäftsführer. Der Gesellschaftsvertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Erstens

Firma und Sitz:

Die Gesellschaft führt die Firma ...

Der Sitz der Gesellschaft ist in der politischen Gemeinde L. Die Gesellschaft ist jedoch berechtigt, auch an anderen Orten des In- und Auslandes Zweigniederlassungen zu errichten. Die Tätigkeit der Gesellschaft ist gemeinnützig und nicht auf Gewinn gerichtet.

Zweitens

Gegenstand des Unternehmens:

Gegenstand des Unternehmens ist:

Der Zweck dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die nicht auf Gewinn gerichtete und ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienende Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation und der Fürsorge, wie im Folgenden näher beschrieben ist:

a) Telekommunikationsdienstleistungen, wie insbesondere Errichtung eines sozialen Call-Centers im Sinne eines Telefonruf-Zentrums in den Bereichen des Hausnotrufes, des Personennotrufes, des Alarm-Monitorings und des Medizinischen Alarm-Monitoring,

b) die Erbringung von Fürsorgedienstleistungen mit Hilfe der Telekommunikation bzw. als Telekommunikationsdienstleistungen auf dem Gebiet der Gesundheitspflege sowie der Wohlfahrtspflege als menschliche, soziale und gesundheitliche Hilfestellung und zur Förderung von Maßnahmen der Wiederherstellung der Gesundheit, der Vorbeugung von Gesundheitsschäden, der Unfallverhütung, der rechtzeitigen Branderkennung, der Brandbekämpfung sowie der Hilfeleistungen in allen menschlichen Notsituationen, Unglücksfällen und bei Elementarereignissen, aber auch zur rechtzeitigen Warnung vor Elementarereignissen zum Schutz bzw. zur Sicherheit von Personen und Sachen, einschließlich der Beschaffung von nötigen Pflege- und Bedarfsmaterialien sowie der erforderlichen Telekommunikationsendgeräte, der notwendigen technischen und medizinischen Geräte und Hilfen, dies alles insbesondere für den Personenkreis der Familien, der allein lebenden, alten, kranken, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen, aber auch der Kinder und aller sich in einem Gefahrenbereich befindenden Personen.

Drittens

Weitere Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit der Gesellschaft:

Für den Fall, dass zufällige Gewinne durch die Tätigkeit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung entstehen sollten, dürfen diese an die Gesellschafter nicht ausgeschüttet werden. Derartige Gewinne sind in der vertragsgegenständlichen Gesellschaft zu belassen und im Sinne der Gemeinnützigkeit zu verwenden. Die Gesellschafter erhalten weder Gewinnanteile noch sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft, ausgenommen Ersatz von Sach- und Zeitaufwand sowie Spesen.

Für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der vertragsgegenständlichen Gesellschaft fällt das restliche Vermögen an eine gemeinnützige Organisation im Sinne des § 34 der Bundesabgabenordnung.

Die Gesellschaft ist berechtigt zu allen Handlungen und Maßnahmen, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes förderlich sind, insbesondere der Erwerb und die Pachtung sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und Gesellschaften sowie die Übernahme deren Geschäftsführung und Vertretung.

Als finanzielle Mittel zur Erreichung des Zweckes dienen die unter Punkt Zweitens angeführten Tätigkeiten, die Beiträge betreuter Personen, die Kostenzuschüsse von Gebietskörperschaften und sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen, Erträgnisse aus Aktionen, Schriften und Veröffentlichungen, Subventionen, Nachlässe und Spenden."

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 20. Dezember 1999 die Körperschaftsteuervorauszahlungen für 1999 mit S 3.700,-- (Mindestkörperschaftsteuer für ein Quartal) fest.

In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei eine nicht auf Gewinn gerichtete, ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienende Gesellschaft. Dies gehe eindeutig aus dem Gesellschaftsvertrag hervor. Auch die tatsächliche von der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit sei nicht auf Gewinn gerichtet und gemeinnützig.

In der Folge führte das Finanzamt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Zuge dieser Prüfung gelangte das Finanzamt zur Auffassung, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen einer gemeinnützigen Einrichtung im Sinne der §§ 34ff BAO nicht erfülle. Das Finanzamt setzte daraufhin mit Bescheiden vom 7. Juni 2001 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Zeitraum August bis Dezember 1999, für den Zeitraum Februar bis Juli 2000, für den Zeitraum August bis Dezember 2000 sowie für den Zeitraum Jänner bis März 2001 fest.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 1. Juni 2001 wies das Finanzamt die Berufung gegen den Bescheid betreffend Körperschaftsteuervorauszahlung für 1999 als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Tätigkeit, welche die Beschwerdeführerin ausübe, habe früher der Gesellschafter-Geschäftsführer Wolfgang S als Einzelunternehmer erbracht. Die Beschwerdeführerin habe ihm für "Sach- und Zeitaufwand" monatlich S 120.000,-- zu vergüten. Dieser Betrag komme allerdings nicht zur Gänze zur Auszahlung. Für das Wirtschaftsjahr August 2000 bis Juli 2001 seien bislang (also bis März 2001) S 690.000,-- ausbezahlt worden. Somit ergebe sich für die GmbH im Wirtschaftsjahr 2001 vorläufig ein Gewinn von S 27.542,13. Wären die Vergütungen monatlich zur Auszahlung gelangt, hätte sich ein Verlust von ca. S 240.000,-- ergeben. Die dem Gesellschafter zustehenden Entschädigungen lägen weit über dem bei gemeinnützigen Organisationen üblichen Spesenersatz. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass mit der Gründung der beschwerdeführenden GmbH nicht ausschließlich begünstigte, sondern auch nicht begünstigte eigennützige Zwecke und Interessen verfolgt worden seien, weshalb die abgabenrechtlichen Begünstigungen für gemeinnützige Vereinigungen nicht zum Tragen kämen und die Beschwerdeführerin der Körperschaftsteuerpflicht unterliege.

Den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zufolge ergingen mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2001 Bescheide betreffend die Festsetzung von Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 2000 sowie für das Jahr 2001.

Mit Eingabe vom 9. Juli 2001 beantragte die Beschwerdeführerin hinsichtlich Körperschaftsteuer 1999 die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte gegen die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen für 2000 und 2001 sowie betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen Berufung ein. Die Beschwerdeführerin betreibe eine Notrufzentrale für Erste Hilfeleistungen. Diese gemeinnützige Tätigkeit werde im österreichischen Bundesgebiet angeboten. Die Dienstleistungen würden zu 99 % an ältere allein lebende Kranke, Behinderte und besonders gefährdete Personen erbracht. Die jeweils betroffene Person trage am Armgelenk einen Notrufsender; in ihrer Wohnung befinde sich ein Notruftelefon, welches als Funksignalempfangsanlage und automatische Telefonwähleinrichtung (Zusatzeinrichtung zum Telefon) betrieben werde und über eine Freisprechanlage verfüge. Im Notfall könne durch einen Tastendruck auf die Sendeeinrichtung am Handgelenk ein Signal in der zentral betriebenen Notrufstelle der Beschwerdeführerin ausgelöst werden. Diese Notrufzentrale der Beschwerdeführerin sei rund um die Uhr besetzt. Sie nehme in einem solchen Fall Kontakt mit dem Kunden auf, und zwar entweder über die Freisprecheinrichtung des Telefons oder auf sonstige Art, wie etwa einen herkömmlichen Telefonrückruf. Im Notfall veranlasse die Notrufzentrale die erforderlichen und notwendigen Maßnahmen. Die auf diese Weise erbrachten Dienstleistungen umfassten etwa die Hilfestellung in allen Notsituationen (beispielsweise plötzlich auftretende gesundheitliche Probleme, Unfall, Feuer etc.) sowie in der Folge die telefonische Verständigung von Notarzt, Rettung, Hausarzt, Hauskrankenpflege, Vertrauenspersonen oder Nachbarn (im Fall der Nachbarschaftshilfe) bzw. Verwandten, aber auch von Polizei, Feuerwehr bzw Nachtdienstpersonal mit Wohnungsschlüsseln.

Die Beschwerdeführerin biete ihre Dienstleistungen zu einem monatlichen Preis von S 328,-- (ohne 20 % Mehrwertsteuer) an. Sogenannte "Trägervereine", aber auch Körperschaften öffentlichen Rechtes (wie z.B. die Stadt G), welche die gleichen Notruftelefon-Dienstleistungen mit einem enormen Vertriebsnetz, also mit beinahe 100 bundesweiten Sozialstellen anböten, seien steuerlich gegenüber den privaten Anbietern bevorzugt, weil sie keine Mehrwertsteuer entrichten müssten und zum Teil zusätzlich (wie etwa das Rote Kreuz bis zum 31. Dezember 2004) Vorsteuern erstattet bekämen.

Die Dienstleistung (Betrieb einer Notrufzentrale für Erste-Hilfe-Leistungen) sei als eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit im Sinne des Art. 13 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen. Diese soziale Dienstleistung sei eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden. Die steuerliche Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin einerseits und der die gleichen Dienstleistung erbringenden "territorialen monopolisierten gemeinnützigen Vereine (Rotes Kreuz, ...)" stelle eine enorme Wettbewerbsverzerrung dar.

Unter Gesundheitspflege im Sinne des § 35 Abs. 2 BAO seien nicht nur Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit, sondern auch solche zur Vorbeugung von Krankheit zu verstehen. Unfallverhütung und Hilfeleistung in Unglücksfällen fielen ebenso darunter. Dass der Betrieb einer Notrufzentrale eine soziale gemeinnützige Dienstleistung im Sinne der BAO sei, sei vom Finanzamt in seiner Bescheidbegründung nicht bestritten worden.

Eine Studie der österreichischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahre 1994 führe an, dass durch das Hausnotrufsystem gravierende Einsparungen bei den Staatsausgaben einträten. Untersuchungen in den USA hätten ergeben, dass für einen US-Dollar, welcher vom Staat für den Hausnotruf ausgegeben werde, 7,19 US-Dollar in einer stationären Langzeitpflege eingespart werden könnten. Eine dänische Studie berechne, dass die jährlichen Ausgaben pro Notrufteilnehmer im Rahmen eines mobilen Versorgungszentrums um ca. DM 13.000,-- niedriger lägen als die Ausgaben für einen in einem Pflegeheim untergebrachten leichten Pflegefall.

Der Hausnotruf diene primär dazu, Unfälle oder Erkrankungen frühzeitig zur Kenntnis zu bringen und die durch eine verspätet anlaufende Behandlung entstehenden zusätzlichen Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Die Beschwerdeführerin verweise darauf, dass sie ihren Kunden den monatlichen Preis von S 328,-- ohne Mehrwertsteuer in Rechnung stelle. Privilegierte gemeinnützige Organisationen, wie das Rote Kreuz, würden S 350,-- pro Monat in Rechnung stellen. Sollte die Beschwerdeführerin Mehrwertsteuer und Kapitalertragsteuer zahlen müssen, könne sie eine derartige Preiskalkulation nicht verkraften und müsse die Preise erhöhen.

Das Notruftelefonsystem des Hilfswerkes einer (in der Berufung konkret genannten) politischen Partei mit einem jährlichen Umsatz von ca.  S 30 Mio. werden unter dem Deckmantel eines gemeinnützigen Vereines geführt, um die Steuerpflicht zu umgehen.

Die Beschwerdeführerin wende sich auch gegen die Argumentation des Finanzamtes betreffend die Geschäftsführervergütung von S 120.000,-- pro Monat. Die Beschwerdeführerin habe bereits bekannt gegeben (Niederschrift vom 28. Mai 2001), dass ihr Geschäftsführer mindestens 20 Stunden täglich für sie aufwende. Es sei daher unrichtig, dass die dem Geschäftsführer zustehenden Entschädigungen weit über dem bei gemeinnützigen Organisationen üblichen Spesensatz liege. Das Finanzamt wisse offensichtlich nicht, welche Bezüge Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen, wie Hilfswerk, Volkshilfe, Rotes Kreuz (oder auch gemeinnützige Wohnbaugesellschaften) erhielten. Die Bezüge eines Vereinsmitgliedes seien durch einen Fremdvergleich auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Eine solche Prüfung sei bislang unterblieben.

In einem ergänzenden Schriftsatz vom 17. August 2001 brachte die Beschwerdeführerin vor, das Sozialamt der Stadt G biete ein Notruftelefonsystem an, wie es die Beschwerdeführerin betreibe. Der Unterschied zu ihrem System bestehe darin, dass die Stadt die Notrufzentrale nicht 24 Stunden betreibe, sondern auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Roten Kreuz diesem den 24 Stunden Notrufzentralendienst übergeben habe. Die Stadt G habe annähernd die gleiche Anzahl von Kunden des Notruftelefonsystems wie die Beschwerdeführerin. Bei der Stadt G fielen hiefür Personalkosten von ca. S 1,3 Mio. (im Jahr 1999) an. Dabei seien aber Kosten für den 24-Stunden-Dienst nicht berücksichtigt, weil, wie erwähnt, Tätigkeiten auf die rund um die Uhr besetzte Notrufzentrale des Roten Kreuzes ausgelagert worden seien. Das vom Roten Kreuz hiefür in Rechnung gestellte Betreuungshonorar sei mit S 410.000,-- angegeben worden. Hiezu bemerke die Beschwerdeführerin allerdings, dass das Rote Kreuz kein zusätzliches Personal für die Notrufzentrale aufwenden müsse.

In einem weiteren Schriftsatz vom 31. August 2003 brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Tätigkeiten seien als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen zu qualifizieren und fielen daher unter Art. 13 A Abs. 1 Buchstabe c bzw g der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie. Als Beweis dafür werde darauf verwiesen, dass das Niederösterreichische Sozialhilfegesetz das Notruftelefon unter den sozialen Dienstleistungen (neben anderen sozialen Dienstleistungen, wie der ambulanten Hauskrankenpflege, etc.) anführe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 5 Z 6 KStG 1988 seien Körperschaften, welche der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§ 34 bis 47 BAO dienten, von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit. Für den Beschwerdefall sei insbesondere § 39 Z 1 BAO über die Ausschließlichkeit der Förderung eines gemeinnützigen Zweckes maßgeblich. Für die Zuerkennung der Steuerbegünstigung sei es nach § 41 Abs. 1 BAO erforderlich, dass dieses Merkmal der Ausschließlichkeit in der Satzung (hier im Gesellschaftsvertrag) ausdrücklich vorgesehen sei. Überdies müsse die Betätigung genau umschrieben sein. Diesen Anforderungen entspreche der Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin nicht. Neben der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation und der Fürsorge sei die Gesellschaft nämlich auch dazu berechtigt, andere Unternehmen zu erwerben und zu pachten sowie sich an anderen Unternehmen und Gesellschaften zu beteiligen und deren Geschäftsführung sowie Vertretung zu übernehmen (Punkt 3 dritter Absatz des Gesellschaftsvertrages). Damit werde aber durch den Gesellschaftsvertrag eine nach Art und Umfang unbeschränkte weitere Betätigung zugelassen, die über einen allenfalls gemeinnützigen Zweck hinausgehe.

Die Beschwerdeführerin leite die Gemeinnützigkeit ihrer Tätigkeit aus der Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge sowie der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen ab. Nach § 40 Abs. 1 BAO habe aber die Körperschaft den gemeinnützigen Zweck unmittelbar, das heiße selbst zu besorgen. Nach dem Gesellschaftsvertrag und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin erbringe sie aber ihre Leistungen durch die Errichtung eines Call-Centers sowie durch Fürsorgedienstleistungen mit Hilfe der Telekommunikation. Durch ein am Armgelenk des Kunden getragenes Armband solle auf Knopfdruck bei einem Notfall über eine Freisprecheinrichtung der Kontakt mit der Beschwerdeführerin hergestellt werden können. Nach einer Erstinformation veranlasse die Beschwerdeführerin sodann die erforderlichen Schritte (Verständigung von Rettung, Polizei, Feuerwehr, Notarzt, Installateur, Handwerker, Friseur, Verwandten und Nachbarn). Die Beschwerdeführerin selbst erbringe ihren Kunden gegenüber damit keinerlei Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und des Fürsorgewesens. Sie führe auch keine ärztlichen, medizinischen oder andere Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung oder der Pflege durch. Sie trete lediglich als Vermittler solcher Leistungen auf. Die tatsächliche Erbringung dieser Pflege- und Fürsorgeleistungen bzw. der ärztlichen Hilfeleistungen oder anderer Hilfestellungen bei Arbeiten im Haushalt erfolge nicht durch die Beschwerdeführerin.

Da somit die Beschwerdeführerin nach ihrem Gesellschaftsvertrag und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar der Förderung gemeinnütziger Zwecke diene, seien die Voraussetzungen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer nicht gegeben.

Die Beschwerdeführerin erbringe auch keine Leistungen, wie sie für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 18 UStG gefordert seien. Es komme auch nicht der ermäßigte Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 7 UStG zur Anwendung. Da die Beschwerdeführerin keine gemeinnützigen Zwecke erfülle und auch keinerlei ärztliche Leistungen im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG erbringe, sondern lediglich Notruftelefone vermiete und einlangende Notrufe entgegennehme und weitere Maßnahmen veranlasse (bzw. laut Gesellschaftsvertrag sich an anderen Gesellschaften beteilige, diese pachte oder vertrete), lasse sich auch aus den Entscheidungen des EuGH zur Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie für die Beschwerdeführerin nichts gewinnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Körperschaftsteuer:

§ 1 KStG 1988 lautet auszugsweise:

(1) Körperschaftsteuerpflichtig sind nur Körperschaften.

(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 27 der Bundesabgabenordnung) haben. Als Körperschaften gelten:

1.

Juristische Personen des privaten Rechts.

2.

...

3.

...

(3) Beschränkt steuerpflichtig sind:

1.

...

2.

....

3.

Körperschaften im Sinne des Abs. 2, soweit sie nach § 5 oder nach anderen Bundesgesetzen von der Körperschaftsteuerpflicht befreit sind, mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3.

Gemäß § 5 Z 6 KStG sind von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit:

"Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung dienen."

§ 24 Abs 4 KStG normiert eine Mindeststeuer für unbeschränkt

steuerpflichtige Kapitalgesellschaften.

§ 35 BAO lautet:

"(1) Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

(2) Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nur vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die Förderung der Kunst und Wissenschaft, der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen, des Körpersports, des Volkswohnungswesens, der Schulbildung, der Erziehung, der Volksbildung, der Berufsausbildung, der Denkmalpflege, des Natur-, Tier- und Höhlenschutzes, der Heimatkunde, der Heimatpflege und der Bekämpfung von Elementarschäden."

Die in § 35 Abs 2 BAO enthaltene konkrete Aufzählung gemeinnütziger Zwecke ist demonstrativ (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Februar 2003, 98/13/0068). Die in der Aufzählung enthaltene Gesundheitspflege ist umfassend zu verstehen und erfasst beispielsweise auch die Hilfeleistung in Unglücksfällen (vgl Ritz, BAO-Kommentar3, § 35 Tz 8). Die ebenfalls in der Aufzählung enthaltene Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen erfasst etwa auch Betreuungsdienste (vgl nochmals Ritz, aaO, Tz 9).

Die tatsächliche Betätigung der beschwerdeführenden Körperschaft beinhaltet ausschließlich Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hausnotruf-Dienstes. Dabei werden - idR ältere bzw gesundheitlich beeinträchtigte - Personen mit einer Vorrichtung ausgestattet, die diese Personen als Armband tragen und durch welche sie - über einen Telefonanschluss - mit der Notrufzentrale der Beschwerdeführerin in Verbindung treten können, die sodann die der jeweiligen Situation angepassten Schritte (zB Herbeiholung von Arzt, Rettung, etc) setzt. Würden Leistungen, wie sie die Beschwerdeführerin erbringt, nicht angeboten, könnten insbesondere alleinstehende ältere bzw gesundheitlich beeinträchtigte Personen in Krisensituationen vielfach nicht rechtzeitig (ärztliche) Hilfe erlangen. Dass eine derartige Betätigung als gemeinnützig iSd § 35 BAO zu beurteilen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Mit einer solchen Betätigung fördert eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke unmittelbar.

Gemäß § 34 Abs 1 BAO sind die Begünstigungen, die bei Betätigungen für gemeinnützige Zwecke in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, an die Voraussetzungen geknüpft, dass die Körperschaft nach ihrer Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung solcher Zwecke dient. Gemäß § 39 Z 1 BAO liegt eine ausschließliche Förderung u.a. nur dann vor, wenn die Körperschaft, abgesehen von völlig untergeordneten Nebenzwecken, keine anderen als gemeinnützige (mildtätige oder kirchliche) Zwecke verfolgt.

§ 41 Abs 1 BAO lautet:

"Die Satzung der Körperschaft muss eine ausschließliche und unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben; als Satzung im Sinn der §§ 41 bis 43 gilt auch jede andere sonst in Betracht kommende Rechtsgrundlage einer Körperschaft. "

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Anwendbarkeit der Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Z 6 KStG deshalb verneint, weil der Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin unter Punkt Drittens vorsieht, dass die Beschwerdeführerin berechtigt sei, andere Unternehmen zu erwerben und zu pachten sowie sich an anderen Unternehmen und Gesellschaften zu beteiligen und deren Geschäftsführung und Vertretung zu übernehmen. Damit werde nach Ansicht der belangten Behörde durch den Gesellschaftsvertrag eine unbeschränkte weitere Betätigung zugelassen, die über einen allenfalls gemeinnützigen Zweck (Hausnotruf) hinausgehe. Der Gesellschaftsvertrag verankere damit nicht die Ausschließlichkeit der Betätigung für gemeinnützige Zwecke.

Mit diesen Ausführungen verkennt die belangte Behörde, dass der Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin deren "Zweck" ausschließlich in Punkt Zweitens festlegt und dabei auf die Erbringung von Leistungen iZm einer Notrufzentrale beschränkt. In Punkt Drittens legt der Gesellschaftsvertrag fest, auf welche Weise dieser Zweck erreicht werden soll. Jener Satz des Gesellschaftsvertrages, welcher nach Ansicht der belangten Behörde begünstigungsschädlich sei, bringt zum Ausdruck, dass die Beschwerdeführerin zu Handlungen berechtigt sei, "die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes förderlich sind", wobei in diesem Zusammenhang die Möglichkeit des Erwerbes und der Pachtung von bzw die Beteiligung an Unternehmen und Gesellschaften genannt ist.

Bei der Interpretation dieser Satzungsbestimmung ist auch auf Punkt Erstens des Gesellschaftsvertrages Bedacht zu nehmen, der die Gewinnlosigkeit der Beschwerdeführerin festlegt. Vor diesem Hintergrund ist die in Rede stehende Bestimmung des Punktes Drittens dahingehen zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin nur zur Erfüllung ihres in Punkt Zweitens des Gesellschaftsvertrages festgeschriebenen Zwecks Unternehmen bzw Gesellschaften erwerben (pachten) bzw die Geschäftsführung unternehmen darf, wie dies etwa der Fall wäre, wenn sie in eine - nicht gewinnorientierte - Verbindung mit einem Unternehmen träte, welches bereits eine Notrufzentrale betreibt oder die für das Aussenden der Notrufsignale erforderlichen technischen Geräte herstellt ("Mittel" zur Erreichung des begünstigten Zweckes).

Indem die belangte Behörde die Voraussetzungen der ?efreiungsbestimmung nach § 5 Z 6 KStG mit der Begründung als nicht gegeben erachtet hat, die Beschwerdeführerin diene nicht unmittelbar gemeinnützigen Zwecken und aus deren Satzung ergebe sich nicht die ausschließliche Ausrichtung auf gemeinnützige Zwecke, hat sie die Rechtslage verkannt.

Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid, soweit er Körperschaftsteuer betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

2. Umsatzsteuer:

Mit Erkenntnis vom 23. September 2005, 2005/15/0070, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. über die umsatzsteuerliche Behandlung der Notrufzentrale, die der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin seinerzeit als Einzelunternehmer betrieben hat (Streitzeitraum Februar 1998 bis Juli 1999), abgesprochen.

In Bezug auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Notrufzentrale gleicht der vorliegende Beschwerdefall sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch in Ansehung der anzuwendenden Rechtslage jenem Fall, der dem genannten hg. Erkenntnis 2005/15/0070 zu Grunde liegt. Aus den in jenem Erkenntnis ausgeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ist auch der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid, soweit er Umsatzsteuer betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, erweist sich der angefochtene Bescheid sohin zur Gänze als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003. Der Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.

Wien, am 22. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003150127.X00

Im RIS seit

13.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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