TE OGH 1991/9/25 9ObA192/91

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Veröffentlicht am 25.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Sylvia Krieger und Margarethe Heidinger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** F*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei W. R***** GmbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen restl. S 113.612 brutto sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 1991, 12 Ra 34/91-18, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 1991, 20 Cga 130/90-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.131,60 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die Begründung der angefochtenen Entscheidung zutreffend ist, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend wird den Revisionsausführungen folgendes entgegengehalten:

Der Kläger war seit 4.5.1987 bei der Beklagten als Fernfahrer beschäftigt. Am Freitag, dem 27.4.1990, meldete er sich auf der Rückfahrt von Italien nach dem Grenzübertritt nach Österreich telefonisch beim Geschäftsführer der Beklagten, der ihm mitteilte, daß er die Ladung in Grafenstein (Kärnten) zu entladen und dann nach Gummern (Kärnten) weiterfahren müsse, wo er eine neue Ladung aufzunehmen habe. Am Montag, den 30.4.1990 müsse er eine Terminfuhre nach Deutschland übernehmen.

Der Kläger erwiderte, daß er vor dem 1.5.1990, dem Staatsfeiertag in Österreich nicht nach Deutschland fahre. Der Geschäftsführer der Beklagten sagte daraufhin zum Kläger, daß dieses Verhalten eine Arbeitsverweigerung sei; der Kläger müsse diese Terminfuhre am 30.4.1990 durchführen. Der Kläger weigerte sich daraufhin neuerlich, am 30.4.1990 nach Deutschland zu fahren, worauf ihm der Geschäftsführer der Beklagten mitteilte, wenn er nicht fahre, wäre das ein Entlassungsgrund. Der Kläger weigerte sich daraufhin noch einmal, am Montag, dem 30.4.1990, die Terminfuhre zu übernehmen. Daraufhin sprach der Geschäftsführer der Beklagten (telefonisch) die Entlassung aus.

Der Kläger wies bei diesem Gespräch nicht darauf hin, daß er Bandscheibenbeschwerden habe oder daß er sich bei Schweißarbeiten in Italien die Augen verletzt habe.

Nach dem Aussprechen der fristlosen Entlassung erteilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger noch den Auftrag, nach Grafenstein zu fahren, um zu entladen; dann solle er das Fahrzeug nach Gummern fahren, es dort abstellen, räumen und die Schlüssel bei der Firmenleitung in Gummern abgeben. Der Kläger erklärte sich bereit, die Fuhre zu Ende zu fahren, da er sich "nichts nachsagen lassen wollte".

Diesen Aufträgen kam der Kläger in der Folge noch nach.

Am 28.4.1990 begab er sich zu seinem Hausarzt, der ihn von diesem Tag an krankschrieb.

Rechtliche Beurteilung

Der Ansicht des Revisionswerbers, die bloße Ankündigung (am 27.4.1990), er werde die ihm (für 30.4.1990) aufgetragene Arbeit nicht durchführen, erfülle als bloßer "Versuch" die Tatbestandsvoraussetzungen des § 82 lit f GewO 1859 nicht, ist nicht zu folgen. Die (beharrliche!) Arbeitsverweigerung ist ein Fall der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung nach § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 (Kuderna, Entlassungsrecht 72), gleichgültig, ob es sich um eine unmittelbar nach der Weigerung in Angriff zu nehmende oder erst später zu verrichtende Arbeit handelt. Die bloße Ankündigung, die Arbeit unbefugt zu verlassen oder eine aufgetragene Tätigkeit nicht auszuführen, erfüllt zwar für sich allein nicht ohne weiteres die Tatbestände des § 82 lit f GewO 1859; anders ist es dann, wenn der Arbeitnehmer (wie hier) nach den Umständen des Falls keinen Zweifel daran läßt, daß er die Arbeitszeit nicht einhalten bzw. die ihm aufgetragene Tätigkeit nicht ausführen werde. Der Arbeitgeber muß in solchen Fällen mit der Entlassung nicht so lange zuwarten, bis der Arbeitnehmer seine Ankündigung wahrmacht, muß doch der Arbeitgeber in solchen Fällen regelmäßig sofort entsprechende Dispositionen vornehmen (ähnlich 4 Ob 41/85).

Auf einen die beharrliche Arbeitsverweigerung rechtfertigenden Grund vermag sich der Kläger nicht zu stützen, da er erst nach dem Aussprechen der Entlassung von seinem Hausarzt krank geschrieben wurde und eine Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung nicht erwiesen ist. Auf die Frage, welche Rechtsfolgen es hätte, wenn eine Erkrankung bereits im Zeitpunkt der Entlassung bestanden, der Kläger diese aber dem Dienstgeber nicht als Grund seiner Arbeitsverweigerung bekannt gegeben hätte, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Beklagte hat die bereits ausgesprochene Entlassung auch nicht dadurch mit Zustimmung des Klägers schlüssig (§ 863 ABGB) zurückgenommen, daß dem Kläger aufgetragen wurde, den LKW-Zug noch zur Entladung zu bringen, dann an einem anderen Ort abzuliefern und die Schlüssel abzugeben.

Auch im Falle der vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses treffen beide Parteien Pflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf die beiderseitigen Interessen; sie haben die mit einer Auflösung des Rechtsverhältnisses verbundene Rückabwicklung so vorzunehmen, daß daraus keinem Teil ein Schaden entsteht, der mit kurzfristigen zumutbaren Maßnahmen leicht vermeidbar wäre (Esser-Schmidt6, Schuldrecht I 428; vgl auch Rummel in Rummel2 Rz 8 zu § 859; 8 Ob 38/90). Im Rahmen dieser Pflichten hat etwa der Arbeitnehmer für die Sicherung und das Zurückbringen der ihm anvertrauten Güter und Arbeitsgeräte zu sorgen, Belege auszufolgen und notwendige Endabrechnungen durchzuführen, der Arbeitgeber aber beispielsweise für die Rückbeförderung des Arbeitnehmers von einer auswärtigen Arbeitsstelle zu sorgen, wenn der Arbeitnehmer dorthin mit dem Firmenfahrzeug gebracht worden ist.

Da der Kläger im vorliegenden Fall im Zeitpunkte des Aussprechens der Entlassung mit dem LKW-Zug auf dem Rückweg von Italien war und die Sicherung und Rückgabe dieses Kraftfahrzeuges an den Arbeitgeber nur noch eine kurze Tätigkeit des Arbeitnehmers erforderte (zu der er auch bereit war), kann aus dieser zumutbaren Tätigkeit des Arbeitnehmers weder der schlüssige beiderseitige Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, noch die Zumutbarkeit einer weiteren Beschäftigung abgeleitet werden.

In der Bemessung des Überstundenentgelts mit S 15.000,-- gemäß § 273 ZPO ist ein Rechtsirrtum der Vorinstanzen nicht zu erkennen. Die erst im Revisionsverfahren aufgestellte, zudem nicht näher begründete Behauptung, daß die Bestimmung des Kollektivvertrages im Gütertransprtgewerbe, wonach bei einer gerechtfertigten fristlosen Entlassung Sonderzahlungsansprüche nicht gebühren, gleichheitswidrig sei, trifft nicht zu.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27576

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00192.91.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19910925_OGH0002_009OBA00192_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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