TE OGH 1991/9/25 9ObS9/91

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Veröffentlicht am 25.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Sylvia Krieger und Margarethe Heidinger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** T*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Arbeitsamt S*****, vertreten durch die Finanzprokuratur *****, wegen S 40.552 sA, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 20.November 1990, GZ 13 Rs 117/90-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.Februar 1990, GZ 19 Cgs 167/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß sie lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 16.780,13 netto samt 4 % Zinsen ab 3.7.1989 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere S 23.780,13 netto samt 4 % Zinsen ab 3.7.1989 zu zahlen, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.264 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 544 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 9.8.1982 bis 31.3.1987 und vom 1.4.1987 bis 3.7.1989 bei der S*****gesellschaft m.b.H. als Angestellte beschäftigt. Im Zuge des über die Dienstgeberin eröffneten Ausgleichsverfahrens wurde die Klägerin zum 31.3.1987 gekündigt.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 15.6.1987 wurde der Klägerin Insolvenzausfsllgeld für den im Ausgleichsverfahren anerkannten Abfertigungsanspruch in Höhe von zwei Monatsentgelten, nämlich S 40.552, zugesprochen.

Mit 1.4.1987 schloß die Klägerin mit ihrer alten Dienstgeberin wieder einen Dienstvertrag. Am 17.4.1987 wurde ihr von der Geschäftsleitung mittels Dienstzettels folgende Zusage gemacht:

"Für den Urlaubsanspruch und Abfertigung wird eine Vordienstzeit ab 9.8.1985 angerechnet." Diese Maßnahme war mit dem damaligen Ausgleichsverwalter und späteren Masseverwalter nicht abgesprochen; er hat dieser Vereinbarung nicht zugestimmt. Am 13.6.1989 wurde der Konkurs über das Vermögen der Dienstgeberin eröffnet. Die Klägerin erklärte am 3.7.1989 den vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis gemäß § 25 KO. Im Konkurs meldete sie aus dem Rechtsgrund der Abfertigung einen Betrag von S 71.314,69 netto (drei Monatsentgelte) als Masseforderung an, wovon der Masseverwalter einen Teilbetrag von S 40.552 bestritt. In ihrem Antrag an das Arbeitsamt begehrte die Klägerin die Auszahlung von Insolvenzausfallgeld für einen Abfertigungsanspruch im Umfang von drei Monatsentgelten in der Höhe von S 71.314,69 netto.

Mit Bescheid vom 20.10.1989 erkannte die beklagte Partei der Klägerin Insolvenzausfallgeld für einen Restabfertigungsanspruch in Höhe von S 30.763 zu, während es das Mehrbegehren von S 40.552 (mit abgesondertem Bescheid) abwies.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Zahlung eines weiteren Insolvenzausfallgeldes von S 40.552 netto sA. Sie meint, daß sie auf Grund der Vordienstzeitanrechnung aus dem ab 1.4.1987 eingegangenen Dienstverhältnis nach dem begründeten vorzeitigen Austritt aus diesem Dienstverhältnis einen Abfertigungsanspruch von S 71.314,69 habe, auf den die aus der Beendigung des ersten Dienstverhältnisses bereits geleistete Abfertigung nicht anzurechnen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß nach § 23 Abs 1 AngG die Dienstzeiten aus den unmittelbar aufeinanderfolgenden Dienstverhältnissen beim selben Dienstgeber für die Bemessung des Abfertigungsanspruches zusammenzurechnen seien, woraus sich ein Abfertigungsanspruch der Klägerin in Höhe von drei Monatsentgelten ergebe. Darauf sei allerdings die bereits bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses beim selben Dienstgeber ausgezahlte Abfertigung anzurechnen. Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung über die Anrechnung von Vordienstzeiten sei während des Ausgleichsverfahrens ohne Zustimmung des Ausgleichsverwalters getroffen worden; sie sei einer unentgeltlichen Verfügung gemäß § 8 Abs 1 AO gleichzuhalten und daher gemäß § 3 AnfO anfechtbar. Es handle sich daher gemäß § 1 Abs 3 Z 1 und 2 lit a IESG um einen ausgeschlossenen Anspruch. Als Vereinbarung, die lediglich der Chance wegen geschlossen worden sei, den IESG-Fonds zu belasten, sei sie wegen Verstoßes gegen die guten Sitten ungültig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin mit dem Geschäftsführer ihrer Dienstgeberin getroffene Vordienstzeitenanrechnung auch ohne Zustimmung des Ausgleichsverwalters wirksam sei, weil diese Vereinbarung ungüstiger als die nach § 23 Abs 1 und § 40 AngG zum Nachteil der Klägerin unabdingbare gesetzliche Regelung sei. Nach der Vereinbarung sei nämlich nur ein Teil der tatsächlich beim selben Dienstgeber zurückgelegenen Dienstzeit angerechnet worden, aber keine Regelung über eine Nichtanrechnung der bereits erhaltenen Abfertigung aus dem ersten Dienstverhältnis auf einen künftigen Abfertigungsanspruch getroffen worden. Es sei daher nach der im Vergleich zur vereinbarten Vordienstzeitenanrechnung günstigeren gesetzlichen Bestimmung des § 23 Abs 1 dritter Satz AngG für die Berechnung der Abfertigung die gesamte von der Klägerin bei der nunmehr in Konkurs verfallenen Dienstgeberin zurückgelegte Dienstzeit zu berücksichtigen, sodaß die Klägerin einen Abfertigungsanspruch im Umfang von drei Monatsentgelten habe. Wenn aber die Dienstzeiten aus unmittelbar aufeinanderfolgenden Dienstverhältnissen beim selben Dienstgeber für den Abfertigungsanspruch zusammenzurechnen seien, sei eine bereits früher aus welchen Gründen immer geleistete Teilzahlung auf den Abfertigungsanspruch anzurechnen. Die Revision sei zuzulassen, weil zur Anrechnung der bereits bei Beendigung des ersten Dienstverhältnisses erhaltenen Abfertigungszahlungen auf den Anspruch der Dienstnehmerin anläßlich der Beendigung des zweiten Dienstverhältnisses oberstgerichtliche Judikatur fehle. In dem der OGH-E 9 Ob A 98/87 zugrundeliegenden Fall habe sich nämlich der Dienstnehmer die erhaltenen Abfertigungszahlungen selbst angerechnet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin bringt ua vor, die Vereinbarung über die Anrechnung von Vordienstzeiten sei keine unentgeltliche Verfügung; diese Vereinbarung sei deshalb getroffen worden, weil die Klägerin bei Beendigung des ersten Dienstverhältnisses nur sehr knapp die erhöhte Abfertigung verfehlt habe. Der Geschäftsführer habe die Vereinbarung deshalb mit ihr getroffen, um einen Verlust des Differenzzeitraumes bezüglich der Abfertigung zu vermeiden. Die Anrechnungsvereinbarung sei daher rechtswirksam.

Zu Recht hielt bereits das Berufungsgericht der Klägerin entgegen, daß ihr Anspruch auch dann nicht zur Gänze berechtigt wäre, wenn man ihre Rechtsauffassung teilte, daß sie nämlich mit ihrer Dienstgeberin eine gültige Vereinbarung über die Anrechnung der Vordienstzeit ab 9.8.1985 getroffen habe und die auf Grund des ersten Dienstverhältnisses bereits erhaltene Abfertigung auf den Abfertigungsanspruch aus dem zweiten Dienstverhältnis nicht anzurechnen wäre. Dies ergäbe im zweiten Dienstverhältnis eine Dienstzeit von mehr als drei, aber weniger als fünf Jahren, sodaß nur ein Abfertigungsanspruch von zwei Monatsentgelten (und nicht - wie sie fordert - ein solcher von drei Monatsentgelten) begründet sein könnte.

Dieser Anspruch steht der Klägerin aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch zu. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in einem vergleichbaren Fall (E vom 10.7.1991, 9 Ob S 8/91) erkannt hat, sind bereits abgefertigte Zeiten und die hiefür gezahlte Abfertigung auch dann, wenn das neue Dienstverhältnis mit demselben Dienstgeber unmittelbar anschließt, für das Entstehen und die Höhe eines allfälligen weiteren Abfertigungsanspruches nicht zu berücksichtigen. Nach Art VII Abs 3 ArbAbfG sind Dienstzeiten im Sinn des § 23 Abs 1 dritter Satz AngG für die Abfertigung nicht zu berücksichtigen, wenn der Angestellte für diese Zeiten bereits eine Abfertigung erhalten hat. In dieser E sprach der Oberste Gerichtshof - abweichend von seiner E vom 21.10.1987, 9 Ob A 98/87 (ZAS 1989, 55 = RdW 1988, 52 = infas 1988/31) - unter Berufung auf Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rz 174, aus, daß kein sachlicher Grund dafür besteht, diese gesetzliche Regelung nicht auch auf andere ähnliche Fälle analog anzuwenden. Er pflichtete auch Migsch (aaO Rz 425) darin bei, daß die Konsumationsklausel nur auf jene Zeiten zu beziehen ist, die für die seinerzeitige Abfertigung rechtlich notwendig waren, sodaß durch die anläßlich der Beendigung des ersten Dienstverhältnisses gezahlte Abfertigung von zwei Monatsentgelten insgesamt drei Dienstjahre (aus diesem Dienstverhältnis) konsumiert sind und ein Rest von einem Jahr, sieben Monaten und 23 Tagen verbleibt, der bei der Berechnung der Abfertigung für das zweite Dienstverhältnis mitzuberücksichtigen ist.

Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz (AngG7 459 f) wollen hingegen Art VII Abs 3 ArbAbfG weiterhin nicht auch auf nach Inkrafttreten des ArbAbfG ausgezahlte Abfertigungen anwenden (argumentum e contrario), bei einer lückenlosen Aufeinanderfolge zweier Dienstverhältnisse zum selben Dienstgeber das vorangegangene Dienstverhältnis für die Abfertigungshöhe berücksichtigen und die anläßlich der ersten Beendigung des Dienstverhältnisses ausgezahlte Abfertigung unter Berufung auf die bereits zitierte OGH-E 9 Ob A 98/87, die diese Berechnungsmethode billigte, auf die zum Zeitpunkt der Beendigung des nachfolgenden Dienstverhältnisses gebührende Abfertigung anrechnen.

Der Oberste Gerichtshof hält jedoch an seiner jüngeren Entscheidung 9 Ob S 8/91 gefundenen Berechnungsmethode aus den dort angeführten Gründen fest, zumal im Fall des ziffernmäßigen Abzugs durch die inflationsbedingte Geldentwertung besser Rechnung getragen werden kann (vgl auch die Argumente in ZAS 1988, 126).

Ausgehend von dieser Ansicht ergibt sich daher, daß eine Anrechnung von Vordienstzeiten im "nicht konsumierten" Ausmaß von einem Jahr, sieben Monaten und 23 Tagen anläßlich der Begründung des neuen Dienstverhältnisses sachlich gerechtfertigt war; mehr wurde der Klägerin auch nicht angerechnet. Diese "übriggebliebenen" Zeiten wären selbst ohne Vereinbarung der Zeit des zweiten Dienstverhältnisses "zuzuschlagen" (Migsch, aaO Rz 419 aE und 425), sodaß in der vertraglichen Berücksichtigung dieser Zeiten weder eine unentgeltliche Verfügung des Ausgleichsschuldners noch ein anfechtbares Rechtsgeschäft gelegen ist und es sich daher auch um keinen gemäß § 1 Abs 3 Z 1 und 2 lit a IESG ausgeschlossenen Anspruch handelt.

Dem Abfertigungsanspruch der Klägerin aus ihrem zweiten Dienstverhältnis ist daher die effektiv dort verbrachte Dienstzeit von zwei Jahren, drei Monaten und drei Tagen und die von der ersten Abfertigung nicht erfaßte Restzeit von einem Jahr, sieben Monaten und 23 Tage zugrundezulegen; dies ergibt eine zu berücksichtigende Dienstzeit von drei Jahren, zehn Monaten und 23 Tagen, für die ein Abfertigungsanspruch von zwei Monatsgehältern gebührt. Der Klägerin steht daher nicht eine Abfertigung von S 71.314,69, sondern nur eine solche von S 47.543,13 zu. Unter Berücksichtigung des bereits von der beklagten Partei zuerkannten Betrages von S 30.763 Insolvenzausfallsgeld ergibt sich, daß der Klägerin noch ein Restbetrag von S 16.718,13 gebührt, so daß ihr Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 23.771,87 abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 2 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E26654

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBS00009.91.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19910925_OGH0002_009OBS00009_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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