TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/22 2005/20/0490

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Veröffentlicht am 22.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des P alias M in G, geboren 1977, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. August 2005, Zl. 238.314/6-XIV/39/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 3. April 2003 einen Asylantrag. Nachdem die Berufung des Beschwerdeführers gegen einen ersten Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem über den Asylantrag nach § 4 Abs. 1 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) entschieden worden war, aufgrund der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 5 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 als unzulässig zurückgewiesen worden war, führte das Bundesasylamt das Verfahren fort und vernahm den Beschwerdeführer am 23. August 2004 niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen. Er gab zusammengefasst an, er werde zu Unrecht des Mordes an seiner Freundin (deren Eltern gegen die Beziehung mit ihm gewesen seien) verdächtigt; diese sei tatsächlich aber von deren Bruder und einem anderen Mann, die ihn hätten töten wollen, getötet worden, weil sie "das Messer, welches für mich (den Beschwerdeführer) bestimmt war, abgefangen" habe. Er sei geflüchtet, weil er Angst gehabt habe, dass er vom Bruder und dem "anderen Mann" getötet werde und weil ihn die Polizei gesucht habe. Er werde des Mordes verdächtigt und nehme an, dass "dem Bruder und dem anderen Mann mehr Glauben geschenkt werden würde" als ihm. Er sei nicht Mitglied einer Partei gewesen. Sein Vater sei Mitglied der Akali Dal gewesen; dieser befinde sich im Heimatland und sei nicht geflüchtet.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Dezember 2004 wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien aufgrund des § 8 Abs. 1 AsylG (in der Fassung der AsylG-Novelle 2003) für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen".

Mit Berufungsbescheid vom 2. Februar 2005 hob der unabhängige Bundesasylsenat diesen Bescheid - über Berufung des Beschwerdeführers - gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Es erfolgte eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt am 6. Juli 2005, bei der er zunächst aussagte, seine Freundin sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, weil deren Bruder sein Auto absichtlich gegen das Moped, mit dem er und seine Freundin gefahren seien, gelenkt habe. In der Folge änderte er jedoch - nach Vorhalt seiner Aussage vom 23. August 2004 - seine Angaben dahin, der Bruder seiner Freundin sei "mit seinem Auto stehen geblieben" und er wäre von einem Freund des Bruders mit einem Stock sowie vom Bruder mit den Fäusten geschlagen worden. Ein weiterer Bruder des Mädchens habe ihn mit einem Messer bedroht, seine Freundin sei "dazwischen gegangen" und dabei von ihrem Bruder getötet worden. Er habe sich nicht an die Polizei gewandt, weil er Angst gehabt habe, die Angehörigen seiner Freundin könnten die Polizei bestechen. Er fürchte, von diesen im Falle seiner Rückkehr nach Indien getötet zu werden, wobei er von ihnen "in ganz Indien gefunden werden könnte". Er nehme nicht an, dass die Polizei ihn im gesamten Land verfolgen würde.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag neuerlich gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (in der Fassung der AsylG-Novelle 2003) für zulässig (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen" werde (Spruchpunkt III.). Diese Entscheidung begründete die Behörde im Wesentlichen damit, dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei (aufgrund von näher dargestellten Widersprüchen in den Schilderungen seines Fluchtgrundes) die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen; selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass er verfolgt worden wäre, so bestünde die Verfolgungsgefahr aus näher dargelegten Gründen nicht im gesamten Heimatland.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die von der belangten Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid "gemäß §§ 7 und 8 AsylG abgewiesen" wurde. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, es werde (zumal in der Berufung kein dem Ergebnis der erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt behauptet worden sei) auf den Bescheid des Bundesasylamtes verwiesen und dessen Begründung zum Inhalt des Berufungsbescheides erhoben. Die Berufung wurde sowohl wegen der mangelnden Glaubwürdigkeit der - widersprüchlichen - Angaben des Beschwerdeführers abgewiesen, als auch wegen des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative (der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass er nicht annehme, dass ihn die Polizei im gesamten Land suche, und er habe darüber hinaus in seiner Berufung nicht angeführt, warum er annehme, dass er von Privatpersonen in ganz Indien aufgespürt werden könnte).

Über die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Die Beschwerdeausführungen vermögen weder Bedenken gegen die Schlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung - die die belangte Behörde aufgrund des Inhaltes der Berufung zulässiger Weise auch ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat - zu erwecken, noch zeigt die Beschwerde relevante Verfahrensmängel auf. Die Behauptung einer Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen lässt sich aus dessen Aussagen - er erwähnte lediglich eine Mitgliedschaft seines Vaters in der Akali Dal, ohne daraus irgendwelche Folgerungen für seine Person zu ziehen - nicht ableiten. Auch zeigt die Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen die als Eventualbegründung herangezogene Annahme einer internen Fluchtalternative, der der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht konkret entgegen getreten ist, nicht zutreffen sollte.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Der angefochtene Bescheid ist jedoch hinsichtlich der vorgenommenen Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003) rechtswidrig. Das Bundesasylamt hat nämlich in seinem Bescheid die Ausweisung des Beschwerdeführers ohne die gebotene Einschränkung dieser Anordnung auf den Herkunftsstaat, auf den sich die vorangegangene Prüfung der Zulässigkeit des Refoulement gemäß § 8 Abs. 1 AsylG bezog, ausgesprochen. Diese unveränderte Bestätigung des Spruchpunktes

III. war aus den in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/20/0108, und vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, dargelegten Gründen - auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Dezember 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005200490.X00

Im RIS seit

13.02.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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