TE OGH 1991/9/26 15Os104/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ägydius P***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.April 1991, GZ 6 d Vr 1858/90-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Ägydius P***** (im zweiten Rechtsgang erneut) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 9.Februar 1990 in Wien fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert Nachgenannten durch Einbruch in das Cafe "Semberia" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. Renate P***** ca 5.000 S Bargeld und eine Kellnerbrieftasche im Wert von ca 700 S,

2. Unbekannten durch Aufbrechen von Sparvereinskästen, somit von Behältnissen ca 5.000 S Bargeld und

3. Verfügungsberechtigten der Firma N*****, teils durch Aufbrechen der Geldlade eines Glücksspielautomaten Marke "Admiral", ca 20.000 S Bargeld.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützt wird.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 25.April 1991 gestellten Antrags auf Vornahme eines Lokalaugenscheines zur Nachtzeit in der Wohnung der Zeugin J***** zum Beweise dafür, daß eine Täterschaft des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden könne, weil die Zeugin seinen VW-Bus - was Farbe und Form betrifft - eindeutig erkennen hätte müssen und weil ihr seine Beeinträchtigung durch den Gipsverband sowie dieser selbst beim Einladen des 150 kg schweren Geldwechselautomaten hätte auffallen müssen (S 465/I).

Durch die Ablehnung dieses Beweisantrages erachtet sich der Nichtigkeitswerber in seinen Verteidigungsrechten verletzt, denn die Vornahme des Lokalaugenscheines hätte ergeben, daß die Zeugin - wenn er tatsächlich mit seinem VW-Bus am Tatort gewesen wäre - sowohl sein Fahrzeug als auch ihn selbst hätte identifizieren müssen. Indes ist der Rechtsmittelwerber durch die Nichtdurchführung dieses Beweises nicht beschwert.

Nach der Aussage der Zeugin J***** hat sie sich "komplett auf den Automaten konzentriert"; die Frage des Vorsitzenden, ob sie bemerkt habe, wie das Fahrzeug ausgesehen habe, beantwortete sie mit: "Das ist schwer zu sagen" (S 459/I), sie habe sich auch nicht darauf konzentriert, ob das Fahrzeug mit Vorhängen ausgestattet war (S 463/I). Angesichts dieser Beweisergebnisse hätte es schon im Beweisantrag eines zusätzlichen Vorbringens bedurft, warum die Zeugin - obwohl sie nach ihrer eigenen Darstellung das in Tatortnähe haltende Fahrzeug nicht näher beschreiben konnte - aus ihrer Wohnung zur Nachtzeit bei Vornahme eines Ortsaugenscheines eindeutig erkennen hätte müssen, ob dieses mit dem auf Lichtbildern der Beilagen zu ON 39 und 47 abgebildeten Fahrzeug des Angeklagten identisch war oder nicht.

Für den Beschwerdeführer ist aber auch daraus nichts zu gewinnen, daß der Zeugin J***** die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch seinen Gipsverband im allgemeinen und beim Einladen des Geldwechselautomaten im besondern hätte auffallen müssen; denn nach den Angaben der Zeugin trugen die Täter Handschuhe, so daß dem Schöffengericht beizupflichten ist, wenn es insoweit die begehrte Beweisaufnahme im Hinblick auf eine mögliche Verdeckung der Gipshand durch Kleidungsstücke und Handschuhe (US 8 f) als nicht zielführend erachtete. Darüber hinaus aber ist das Erstgericht von der Möglichkeit der Tatbegehung durch den Rechtsmittelwerber mit mehr als einem Mittäter (US 5) ausgegangen und hat demnach offengelassen, ob gerade er einer der beiden von der Zeugin beim Transport der Beute aus dem aufgebrochenen Lokal zum Fahrzeug beobachteten Täter war. Fest steht, wie sich aus US 5 und US 8 ergibt, nur seine auch noch am Tatort entfaltete Lenkertätigkeit; die vorangehenden Urteilsfeststellungen über das Aufbrechen des Lokals und diverser Behältnisse sowie über die Wegnahme der darin vorgefundenen Gegenstände (US 5), sind pauschal gehalten, ohne auf die Rolle jedes einzelnen Täters näher einzugehen.

Die soeben erwähnte und mit der Z 5 bemängelte Undeutlichkeit der Feststellungen über die von den einzelnen Komplizen bei der Tat gespielten Rollen betrifft keine entscheidende Tatsache, weil jedenfalls die Lenkertätigkeit, durch welche der Abtransport der Diebsbeute erst vollzogen, der Diebstahl mithin vollendet wurde, eindeutig dem Angeklagten zugeschrieben wurde. Dies reicht für seine Verurteilung als unmittelbarer (Mit-)Täter aus; zudem wäre das Urteil angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen (Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 3 zu § 12) auch bei Feststellung einer bloß als Beitragstäterschaft zu beurteilenden Art der Mitwirkung nicht mit Nichtigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet.

Einer Erörterung der Behauptung der Zeugin M***** (ON 18), sie könne sich nicht vorstellen, wie sich der Beschwerdeführer in der Tatnacht angezogen haben könnte, ohne sie zwecks Hilfeleistung hiefür zu wecken, bedurfte es nicht: Einerseits hat die Zeugin dabei selbst den Nichtigkeitswerber nicht mit Sicherheit als damals zum Anziehen ohne fremde Hilfe (verletzungsbedingt) unfähig bezeichnet, andererseits hat das im Urteil verwertete gerichtsärztliche Gutachten (ON 22) keinen Anhaltspunkt für eine derart weitgehende Behinderung des Rechtsmittelwerbers durch den Gipsverband ergeben.

Die Annahme, daß zur Tat der VW-Bus des Angeklagten verwendet wurde, hat das Erstgericht primär auf die Übereinstimmung des Kennzeichens mit den Aufzeichnungen der Zeugin J***** gestützt (US 6, 7), ferner darauf, daß in diesem Fahrzeug eine blaue Transportrodel und eine blau-rot gemusterte Wolldecke vorgefunden wurden und daß am (auf einem Feldweg bei Kleinengersdorf sichergestellten) aufgebrochenen Automaten Wollfasern in blauer und roter Farbe sowie ein blauer Lackabrieb gefunden wurden. Die über die Angabe des Kennzeichens hinausgehende Beschreibung des Täterfahrzeuges durch die Zeugin J***** war demnach nicht entscheidend, zumal - wie schon zur Verfahrensrüge

ausgeführt - die Zeugin dem Fahrzeug keine besondere Beachtung geschenkt hat. Daß sie das auf dem VW-Bus des Beschwerdeführers aufgemalt gewesene Zebra nicht als solches erkannt hat, ist deshalb nicht als (gesondert zu erörterndes) entlastendes Indiz zu werten. Gleiches gilt, ob die ihr aufgefallenen Flecken an der Unterseite des Fahrzeuges hell (S 28/I) oder dunkel (S 460/I) waren. Daß sie den Fahrzeugtyp wiederholt als "Kombi" und auch als Lieferwagen bezeichnete, beruht ersichtlich nur auf einem Vergreifen im Ausdruck. Dem weiteren Vorbringen in der Mängelrüge zuwider hat die Zeugin in der Hauptverhandlung nicht behauptet, das Fahrzeug überhaupt nicht von der Seite gesehen zu haben (S 462/I).

Eine Auseinandersetzung mit den Angaben des gerichtsärztlichen Sachverständigen, wonach es dem Nichtigkeitswerber bei seiner verletzten Hand nicht mehr gut möglich gewesen wäre, ein über 20 oder 30 kg hinausgehendes Gewicht zu heben (S 191/I), war im Urteil nicht geboten, weil - wie bereits angeführt - das Erstgericht nicht davon ausgegangen ist, daß zu den Tathandlungen des Beschwerdeführers auch das Hineinheben des Automaten in den VW-Bus zählte.

Daß sich die Nachforschungen der Polizei nicht sogleich auf die von der Zeugin J***** als Kennzeichen des Tatfahrzeuges festgehaltene Ziffernkombination (sondern auf ähnliche Kombinationen) erstreckte, war, wie bereits aus der Anzeige (vgl S 28/I) hervorgeht, auf Übermittlungsfehler zurückzuführen und bedurfte daher keiner weiteren Erörterung; dies umso weniger, als die Vermutung des Nichtigkeitswerbers, an der von der Zeugin festgehaltenen Kombination (S 35/I) sei nachträglich eine Änderung vorgenommen worden, rein hypothetischer Natur ist.

Zutreffend ist zwar der Einwand, daß sich die in US 7 oben als übereinstimmend bezeichneten Angaben über die Spurbreite (S 28/I und S 39/I) auf die am Auffindungsort des Automaten in Niederösterreich vorgefundenen Spuren und nicht auf einen Vergleich der Spuren mit dem VW-Bus des Rechtsmittelwerbers beziehen; daß bei einem solchen Vergleich die Verursachung der Spuren durch das Fahrzeug des Angeklagten wenigstens nicht ausgeschlossen wurde, geht allerdings aus S 64/I hervor. Hiebei konnten unbedeutende Abweichungen der Meßergebnisse am Fahrzeug des Beschwerdeführers von den im Bericht über die Fahrzeugspuren am Auffindungsort des Automaten festgehaltenen Abständen durchaus damit erklärt werden, daß eine genaue Vermessung von im aufgeweichten Erdreich hinterlassenen Spuren nicht möglich ist (vgl die Lichtbilder zu ON 47, aus denen auch die von der Polizei in S 297/I und vom Erstgericht auf US 7 erwähnte Ähnlichkeit der Profilmerkmale hervorgeht).

Daß der Lack der sichergestellten Transportrodel als blau (S 45/I), der Lackabrieb am Gestell des Geldwechselautomaten hingegen als hellblau beschrieben wurde (AS 40/I), spricht nicht für einen Farbunterschied, auf welchen in den Urteilsgründen einzugehen gewesen wäre, weil bei der Abfassung der Meldung S 45/I von der Beschreibung von Farbnuancen abgesehen wurde. Auf die Unerheblichkeit der Abweichungen der bloßen Vermutungen der Zeugin J***** über die Lackierung des Täterfahrzeuges von der Farbe des VW-Busses des Nichtigkeitswerbers wurde bereits oben eingegangen, ebenso auf die mangelnde Relevanz der Frage, ob der Gipsverband des Rechtsmittelwerbers für die Zeugin erkennbar gewesen wäre.

Zutreffend ist, daß laut Hauptverhandlungsprotokoll ON 66 die Vorstrafakten des Angeklagten nicht zur Verlesung gebracht wurden. Daß sie dennoch im Urteil verwertet wurden, begründet deshalb keine Nichtigkeit, weil der Hinweis auf den Inhalt dieser Akten in US 9 nur als zusätzliches und sonach nicht mehr entscheidendes Argument für seine Täterschaft verwendet wurde, wie aus der Einleitung des betreffenden Satzes mit den Worten "im übrigen" hervorgeht.

Dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen. Sofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes und sonach die Möglichkeit für ihn günstigerer Feststellungen verweist, gelangt die Rüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nach Art einer gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die - nach wie vor unanfechtbare - Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung gründet sich auf § 285 i StPO.

Anmerkung

E26771

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00104.91.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19910926_OGH0002_0150OS00104_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten