TE OGH 1991/9/26 15Os99/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hagi Humin Ali A***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1.Juli 1991, GZ 13 Vr 1109/91-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Reich-Rohrwig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtnenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält - wurde Hagi Humin (auch Mumin) Ali A***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 4.Mai 1991 in Graz dem (nunmehr 84jährigen Pensionisten) Alexander H***** dadurch, daß er ihn am Revers seines Rockes erfaßte, gegen eine Wand drückte und die in der Gesäßtasche des Genannten befindliche Geldtasche mit einem Geldbetrag von 2.400 S (bestehend aus einer 500-S-Banknote und 19 100-S-Banknoten) an sich nahm, mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt er die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf "Einholung einer Anfrage beim Postamt Bahnhof (Graz) zum Beweis dafür, daß der Angeklagte im Zeitraum zwischen Mitte April und 3. Mai 1991 einen Brief aus Italien zugestellt erhalten hat und der Angeklagte den Erhalt dieses Briefes bestätigt hat" (S 148). Das Schöffengericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß die begehrte Anfrage im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben des Angeklagten über den Erhalt eines Geldbetrages aus Italien (Behebung des Geldbetrages beim Postamt Hauptbahnhof bzw. mittels ihm zu Hause zugestellten Expreßbriefes) nicht zielführend sein könne (S 149, 157 f).

Der Angeklagte hat - stets im Beisein eines Dolmetschers - zunächst (am 5.Mai 1991) vor der Polizei angegeben, er habe "ca. 3 Tage vorher" von seinem in Italien lebenden Bruder bzw. Neffen mittels Postanweisung den Betrag von 5.000 S erhalten und sich diesen Betrag bei der Behebung am Postamt Hauptbahnhof Graz in zwei 1.000-S-Banknoten, einer 500-S-Banknote und den Restbetrag (von 2.500 S) in 100-S-Banknoten auszahlen lassen (S 45); vor dem Untersuchungsrichter erklärte er davon abweichend, sein in Italien lebender Bruder habe ihm 500 Dollar geschickt, die er in Graz umgewechselt habe (S 61); über Vorhalt der Polizeierhebungen, wonach beim Hauptpostamt Graz-Bahnhof eine Geldanweisung an ihn weder aus dem Ausland (Italien) noch aus dem Inland vermerkt sei (S 103), brachte er in der Hauptverhandlung schließlich vor, der Geldbetrag, bestehend aus einer 500-Dollarnote, sei ihm aus Italien in einem Expreßbrief "nach Hause" geschickt worden, wo er die Übernahme des Briefes durch seine Unterschrift bestätigt habe (S 138). Angesichts dieser Verfahrensergebnisse, auf welche sich das Schöffengericht bei der Abweisung des Beweisantrages bezogen hat, wäre der Beschwerdeführer verhalten gewesen, in seinem Beweisantrag auch anzugeben, aus welchen bestimmten Gründen erwartet werden kann, daß die Vornahme der begehrten Beweiserhebung auch tatsächlich geeignet sein könnte, die dem Schöffengericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 19, 63 zu § 281 Z 4). Da dies nicht geschehen ist, und die mögliche Relevanz der begehrten Beweisaufnahme nach den zuvor dargelegten Verfahrensergebnissen keineswegs auf der Hand liegt, so daß es eines entsprechenden Vorbringens bedurft hätte, kann in der Ablehnung des Beweisantrages eine unzulässige Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Beschwerdeführers nicht erblickt werden.

Nicht berechtigt ist aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Angeklagte die Tatbeurteilung als minderschweren Raub nach § 142 Abs. 2 StGB anstrebt.

Diese Privilegierung setzt voraus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wird, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt; sämtliche Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein (ÖJZ-LSK 1975/188 = EvBl. 1976/116; EvBl. 1978/215; JBl. 1986, 468 ua).

die Rüge geht indes schon deswegen fehl, weil allein der Wert des

Geldbetrages, den der Angeklagte vom Tatopfer an sich brachte,

mit 2.400 S jedenfalls weit über der für die Anwendbarkeit der

reklamierten Privilegierung maßgebenden Bagatellgrenze liegt, die

nach der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes

mit etwa 1.000 S anzunehmen ist (EvBl. 1989/112 = NRsp 1989/121 =

RZ 1989/60 = JBl. 1989, 55; EvBl. 1991/33 uva).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren und gemäß § 369 StPO zur Bezahlung des Betrages von 2.400 S an den Privatbeteiligten Alexander H*****.

Bei der Strafbemessung wertete es das hohe Alter und die daraus resultierende erhöhte Hilf- und Wehrlosigkeit des Tatopfers als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten in Österreich als mildernd.

Mit seiner Strafberufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die bedingte Nachsicht eines Teiles derselben gemäß § 43 a StGB an.

Mit der überdies auch gegen das Adhäsionserkenntnis ergriffenen Berufung begehrt der Angeklagte, das Urteil im bezüglichen Ausspruch derart abzuändern, "daß gemäß § 367 Abs. 1 StPO die polizeiliche Verwahrungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz angewiesen wird, nach eingetretener Rechtskraft des Urteils den Betrag von 2.400 S an den Zeugen Alexander H***** auszufolgen".

Der Berufung kommt nach keiner Richtung hin Berechtigung zu.

Das Alter des Raubopfers und dessen vom Erstgericht daraus abgeleitete erhöhte Hilf- und Wehrlosigkeit stellt zwar formal keinen eigenen Erschwerungsgrund dar, die naturgemäß schon durch die altersbedingte Konstitution herabgesetzte Abwehrfähigkeit des (am 25.Mai 1907 geborenen) Opfers ist jedoch gemäß § 32 Abs. 3 StGB im Rahmen der allgemeinen Strafbestimmungsregeln zu berücksichtigen.

Die von der Berufung reklamierte "Schadensgutmachung durch Sicherstellung" des geraubten Geldbetrages hinwieder kommt dem Angeklagten nicht als mildernd zugute. Aus dem Akt ergibt sich nämlich, daß der von der Polizei bei der Festnahme des Angeklagten sichergestellte Geldbetrag (in der eingangs bezeichneten Stückelung) entgegen der Vorschrift der §§ 98, 143 StPO nicht in gerichtliche Verwahrung genommen, sondern bei der Einlieferung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Graz zusammen mit seiner übrigen Barschaft (zur Gänze) als Eigengeld verbucht wurde (S 15, 25, 37, 57). Laut Auskunft des genannten Gefangenenhauses hat der Angeklagte diesen Betrag (von insgesamt 4.762 S) mittlerweile bis auf einen Restbetrag von 1,60 S (für Nahrungs-, Genußmittel und Briefporti) verbraucht. Solcherart hat er sich aber durch die Unterlassung der ihm jedenfalls offengestandenen Schadensgutmachung der Möglichkeit begeben, die für die Berücksichtigung des Milderungsgrundes nach § 34 Z 14, 15 StGB erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Ausgehend von den sohin gegebenen Strafzumessungsgründen und unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafausmaß nicht als überhöht; dessen Reduzierung kam sohin nicht in Betracht.

Nicht berechtigt ist aber auch das Begehren um teilbedingte Strafnachsicht. Nach Lage des Falles ist vielmehr sowohl aus spezialpräventiven Gründen - besondere Gründe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen - als auch aus generalpräventiven Gründen der Vollzug der gesamten Strafe geboten.

Der Berufung des Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis schließlich mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben, weil angesichts der Tatsache, daß der Angeklagte (auch) den geraubten Geldbetrag zufolge der unterbliebenen gerichtlichen Verwahrung mittlerweile verbraucht hat, die Voraussetzungen des § 367 StPO nicht (mehr) vorliegen. Davon ausgehend hat das Schöffengericht den Zuspruch des Betrages von 2.400 S an den Privatbeteiligten Alexander H***** im Ergebnis zu Recht auf § 369 (Abs. 1) StPO gestützt.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war somit insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E26742

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00099.91.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19910926_OGH0002_0150OS00099_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten