TE OGH 1991/9/26 6Ob9/91

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Veröffentlicht am 26.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit des Aufsichtsratsmitgliedes Irmgard R*****, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wegen Vorlage eines Berichtes des Abschlußprüfers der G***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in G***** durch den Abschlußprüfer Dkfm. Dr. Leonhard C*****, Wirtschaftstreuhänder, ***** vertreten durch Dr. Franz Kreibich, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Revisionsrekurses des Abschlußprüfers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 10. Juli 1991, AZ 6 R 81/91 (ON 32), womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 15. Oktober 1990, HRB 2631-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrte als ein gemäß § 110 ArbVG entsandtes Aufsichtsratsmitglied von dem von der Gesellschaft bestellten Abschlußprüfer die Übergabe einer Abschrift seines Prüfungsberichtes für das Wirtschaftsjahr 1989/90. Sie gründete ihr Verlangen auf die gemäß § 23 Abs 1 Z 3 GmbHG sinngemäß anzuwendende Regelung des § 139 Abs 3 AktG.

Bereits vor der Anrufung des Gerichtes richtete sie ihre Forderung durch die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte an den Abschlußprüfer. Diese brachte im Schriftwechsel darüber die Rechtsansicht zum Ausdruck, daß unbeschadet der alle Aufsichtsratsmitglieder treffenden (gesetzlichen) Verschwiegenheitspflichten den gemäß § 110 ArbVG entsandten Arbeitnehmervertretern im Sinn des § 39 ArbVG "ihr Recht auf Beiziehung von Beratern der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer bleibt".

Der von der Gesellschaft bestellte Abschlußprüfer machte gegen das Ausfolgungsbegehren des vom Betriebsrat entsendeten Aufsichtsratsmitgliedes vor allem geltend, eine Aushändigung des Prüfungsberichtes an ein Aufsichtsratsmitglied, daß sich (betriebsverfassungsrechtlich) berufen erachte, sich bei der inhaltlichen Auswertung und Beurteilung des Prüfungsberichtes als "Organ der Arbeitnehmerschaft" gemäß § 39 Abs 4 ArbVG beraten zu lassen und dies auch offensichtlich beabsichtigte, gefährde das (gesellschaftsrechtliche) Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft grundsätzlich so schwerwiegend, daß dies selbst dann die Verweigerung der Prüfungsberichtausfolgung rechtfertigte, wenn ein Recht jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes auf Berichtsausfolgung bestünde; ein solcher Individualanspruch sei aber aus § 139 AktG nicht abzuleiten, keinesfalls ein gegen den Abschlußprüfer verfolgbarer; dieser erfülle seine gesetzlichen Verpflichtungen, wenn er - wie es der Antragsgegner auch getan habe - seinen Bericht in einer der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder entsprechenden Zahl von Ausfertigungen dem Vorstand des Aufsichtsrates vorlege.

Das Gericht erster Instanz trug dem Abschlußprüfer antragsgemäß auf, dem antragstellenden Aufsichtsratsmitglied binnen 14 Tagen eine Abschrift des Prüfungsberichtes auszuhändigen.

Das Rekursgericht bestätigte - nach Aufhebung seiner verfahrensrechtlichen Formalentscheidung (6 Ob 2/91 = EvBl 1991/92; RdW 1991, 206; WBl 1991, 175; ecolex 1991, 323) den erstinstanzlichen Beschluß. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

In rechtlicher Beurteilung hatte das Gericht erster Instanz ausgeführt, nach § 139 Abs 3 AktG in der seit 1. Januar 1983 geltenden Fassung habe der Abschlußprüfer jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied eine Ausfertigung des Prüfungsberichtes zu übergeben oder zuzusenden. Auf die Meinungsverschiedenheit darüber, ob das Beratungsrecht gemäß § 39 ArbVG auch für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (uneingeschränkt) gelte, könnte nur in einem Rechtsstreit eingegangen werden.

Auch das Rekursgericht teilte die erstrichterliche Ansicht, daß § 139 Abs 3 AktG in seiner durch das GesRÄG geltenden Fassung jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied gegen den Abschlußprüfer einen Individualanspruch auf Behändigung einer Ausfertigung des Prüfungsberichtes gewähre und Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die (beabsichtigte) Inanspruchnahme der Beratungstätigkeit einer freiwilligen Berufsvereinigung oder gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer durch ein gemäß § 110 ArbVG entsandtes Aufsichtsratsmitglied wesentliche Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft verletze und deshalb die Ausübung des Informationsanspruches nach § 139 Abs 3 AktG beschränke, nicht im Außerstreitverfahren, sondern im Rechtsstreit auszutragen wäre.

Der Abschlußprüfer ficht die bestätigende Rekursentscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Antragsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist mangels Vorliegens einer die entscheidungswesentlichen, allgemein bedeutsamen Rechtsfragen betreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

§ 139 Abs 3 AktG verpflichtet den Abschlußprüfer, eine Ausfertigung seines Prüfungsberichtes jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied persönlich zukommen zu lassen.

Zur Begründung genügt ein Hinweis auf den Meinungsstand zur Änderung des § 139 AktG durch das GesRÄG in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 28. Februar 1991, 6 Ob 2/91 = ON 31.

Der Ausfolgungsverpflichtung des Abschlußprüfers entspricht ein gerichtlich verfolgbarer Individualanspruch des Aufsichtsratsmitgliedes gegen den Abschlußprüfer.

Die - zwar erst ab 1. Januar 1994 in Kraft tretende - Regelung nach dem § 273 Abs 3 HGB ist in dieser Hinsicht völlig eindeutig formuliert und sollte an der bestehenden materiellen Rechtslage nichts ändern. Die Regelung kann daher berechtigterweise als Auslegungsbehelf für das geltende Recht herangezogen werden.

Die gesetzliche Verpflichtung des Abschlußprüfers zur "Vorlage" seines Berichtes wird durch nicht schon durch eine bloße Gestattung der Einsichtnahme, sondern nur durch Ausfolgung einer Ausfertigung des Prüfungsberichtes zu Handen jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes erfüllt, solange dieses nicht ausdrücklich oder schlüssig sein Einverständnis dazu erklärt, die Übergabe der für ihn bestimmten Berichtsausfertigung an eine andere Person (etwa den Aufsichtsratsvorsitzenden) als Ausfolgung an ihn persönlich gelten zu lassen.

Die vom Abschlußprüfer in seinem Revisionsrekurs aufrechterhaltenen Einwendungen zur fehlenden aktiven und passiven Antragslegitimation sowie zur Anspruchserfüllung sind nach den dargelegten Rechtsansichten nicht stichhältig.

Es verbleibt damit die Frage nach dem Recht zur Informationsverweigerung wegen dringender Besorgnis eines gesellschaftsschädigenden Bruches von Geheimhaltungspflichten sowie nach der gesellschaftsinternen Zuständigkeit zur Geltendmachung eines etwaigen derartigen Informationsverweigerungsrechtes.

Auch wenn man dem Abschlußprüfer nach seiner gesetzlichen Einbindung in den Vorgang der durch den Jahresabschluß zwingend vorgeschriebenen Offenlegungen des Vermögensstandes und der Geschäftsentwicklung der Gesellschaft zumindest eine organschaftsähnliche Stellung nicht abzusprechen vermag, ist doch - wie bei den Befugnissen jedes Gesellschaftsorganes - seine durch den Aufgabenkreis funktionell bestimmte Legitimation zur Interessenwahrnehmung zu beachten. Danach hat der Abschlußprüfer zwar alles zu unterlassen, was einen Verstoß gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen bedeutete und einen diesbezüglichen Standpunkt auch verfahrensrechtlich zu vertreten. Einen konkret aufgetretenen Interessenwiderspruch zwischen der Gesellschaft oder einzelnen Gesellschaftsorganen und dem Mitglied eines Gesellschaftsorgans in Ansehung des Prüfungsberichtes zu entscheiden, kommt dem Abschlußprüfer aber nicht zu. Er hat seinen gesetzlichen Verpflichtungen unabhängig von Wünschen und Weisungen der Geschäftsführer oder des Aufsichtsrates zu entsprechen, soweit dem nicht eine konkrete behördliche Anordnung entgegensteht. Wahrnehmungen über eine zu besorgende gesellschaftsschädigende Verletzung von Verschwiegenheitsverpflichtungen durch ein zur Übernahme des zu erstattenden Prüfungsberichtes berechtigtes Aufsichtsratsmitglied mag er dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zur Kenntnis bringen. Es steht ihm aber nicht zu, sich nach seiner eigenen Einschätzung der Tatsachen und Rechtslage von seinen gesetzlichen Verpflichtungen zu entbinden oder sich durch Gerichtsbeschluß von ihnen entheben zu lassen. Die Herbeiführung einer solchen ausschließlich mit einer konkreten Gefährdung von wesentlichen Gesellschaftsinteressen zu begründenden gerichtlichen Entscheidung kommt nur dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder den Geschäftsführern zu, nicht aber dem Abschlußprüfer, als dessen funktionelle Aufgabe es nicht zu erkennen wäre, besondere Gesellschaftsinteressen an der Wahrung von Geheimhaltungspflichten durch einzelne Mitglieder von Gesellschaftsorganen zu verfolgen.

Die Einwendung des Abschlußprüfers, der Gesellschaft drohe aus einer Behändigung seines Prüfungsberichtes an das gemäß § 110 ArbVG entsandte Aufsichtsratsmitglied wegen dessen erklärter Absicht, sich den Prüfungsbericht durch die zuständige Kammer im Wege der einem Belegschaftsorgan zustehenden Beratung erläutern zu lassen, ist im anhängigen Verfahren unbeachtlich, weil der Abschlußprüfer zur Geltendmachung von Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft nicht befugt ist. Ob eine beachtliche Interessensgefährdung der Gesellschaft vorliegt und ob eine solche der Ausübung des Informationsanspruches nach § 139 Abs 3 AktG entgegenstünde, ist daher nicht zu prüfen. Das Vorbringen des Abschlußprüfers bot keinen Anlaß, eine Interessensgefährdung der Gesellschaft von Amts wegen zu untersuchen und zu diesem Zweck den Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder einen Geschäftsführer am Verfahren zu beteiligen, weil es den nach der innergesellschaftsrechtlichen Aufgabenteilung zuständigen Organen vorbehalten bleiben muß, die Besorgnis einer Schädigung von Gesellschaftsinteressen durch Erfüllung gesetzlich festgelegter Informationsansprüche geltend zu machen und in diese Dispositionsbefugnis auch in einem amtswegigen Verfahren nur eingegriffen werden dürfte.

Dem Revisionsrekurs mußte aus diesen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E27504

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00009.91.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19910926_OGH0002_0060OB00009_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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