Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bayram C***** und andere wegen des versuchten Verbrechens nach §§ 15 StGB, 12 Abs. 1, zweiter und dritter Fall, und Abs. 3 Z 3 SGG sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Hüseyin K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 11.Juni 1991, GZ 20 Vr 40/91-70, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, der Generalanwältin Dr. Bierlein, und der Verteidigerin Dr. Prokopp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der türkische Staatsangehörige Hüseyin K***** wurde mit dem angefochtenen (auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche in bezug auf drei weitere Angeklagte sowie zwei Freisprüche des Beschwerdeführers nach dem Suchtgiftgesetz und nach dem Finanzstrafgesetz enthaltenden) Urteil des versuchten Verbrechens nach §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 zweiter und dritter Fall, und Abs. 3 Z 3 SGG schuldig erkannt (Punkt A/2. des Urteilsspruchs).
Ihm liegt zur Last, am 7.Jänner 1991 in Feldkirch gemeinsam mit (seinem Landsmann) Bayram C***** als Mittäter versucht zu haben, den bestehenden Vorschriften zuwider 1 kg Heroin, somit Suchtgift in einer solchen Menge, die zumindest das 25fache jener Menge ausmacht, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, aus Österreich aus- und nach Deutschland einzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft Hüseyin K***** mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Das Schöffengericht stellte im wesentlichen fest, daß der Angeklagte, nachdem er von Bayram C***** telefonisch vom gelungenen Schmuggel einer großen Menge hochwertigen Heroins aus der Türkei nach Österreich informiert worden war, am 7. Jänner 1991 im PKW seines Bruders entsprechend der mit C***** getroffenen Verabredung von Deutschland nach Feldkirch reiste, um von C***** 1 kg Heroin zu übernehmen und dieses dem gemeinsamen Tatplan folgend unmittelbar im Anschluß an die Übergabe in dem von ihm benützten Fahrzeug nach Deutschland zu transportieren. C***** hatte insgesamt 8 kg Heroin im Reservereifen eines PKW illegal nach Österreich eingeführt. Beim Eintreffen des Angeklagten in Feldkirch war das Suchtgift noch im Reservereifen verwahrt. Die beiden Komplizen brachten diesen Reifen in dem vom Angeklagten gelenkten und als Schmuggelfahrzeug für die beabsichtigte Ausfuhr vorgesehenen PKW auf ein nahe gelegenes freies Gelände, wo C***** im Beisein des Angeklagten vereinbarungsgemäß daranging, mit einem zuvor von einer Tankstelle entlehnten Montiereisen 1 kg Heroin aus dem Reserverad herauszunehmen. Das Suchtgift sollte unmittelbar anschließend vom Beschwerdeführer nach Deutschland gebracht werden. C***** gelang es jedoch aus Nervosität nicht, den Reifen zu öffnen. Die beiden Komplizen waren deshalb gezwungen, ihr Unternehmen zunächst abzubrechen und beschlossen, dies am folgenden Samstag fortzusetzen. Dies unterblieb jedoch, weil die Täter noch am selben Tag festgenommen wurden.
Die Mängelrüge (Z 5) wirft dem Urteil unlogische und denkunmögliche Begründung der Feststellungen zur Annahme des Mißlingens der dem Tatplan entsprechenden Entnahme des Heroins vor, wonach der Angeklagte und C***** gegen ihren Willen gezwungen waren, die Durchführung dieses Unternehmens abzubrechen (US 12).
Demgegenüber hat das Schöffengericht jedoch die Ablehnung der eine freiwillige Aufgabe weiterer (möglicher) Ausführungshandlungen behauptenden Verantwortung des Beschwerdeführers ausreichend begründet. Der bemängelte Ausspruch gründet sich auf die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse, vor allem jedoch auf die Beobachtungen der observierenden Sicherheitswachebeamten (AS 331/I), die Auswertung des Tonbandprotokolls über die mit Bayram C***** geführten Ferngespräche des Angeklagten (AS 71, 75, 77, 81 ff, 89, 91 f/II) und auf denkmöglich abgeleitete Schlußfolgerungen aus dem unbestrittenen Verhalten der beiden Täter nach dem Scheitern des Öffnens des Reservereifens sowie schließlich auf die insoferne als zutreffend erachtete Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (AS 138/I), wonach C***** aus Nervosität und damit aus Unvermögen nicht in der Lage war, dem Reservereifen Heroin zu entnehmen, weshalb die geplante Ausfuhr von 1 kg Heroin unterbleiben mußte (US 17 f, 20 f). Der späteren, eine innere Umkehr behauptenden Darstellung des Beschwerdeführers (AS 139/I, 213/II) wurde mit nachvollziehbarer Begründung die Glaubwürdigkeit versagt (US 18).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit. b) macht geltend, die Tatrichter hätten zu Unrecht die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch verneint. Bei rechtsrichtiger Beurteilung des Sachverhalts hätte das Gericht zur Annahme gelangen müssen, daß der Angeklagte von der Ausfuhr des Suchtgifts nach Deutschland ohne Zwang und daher freiwillig Abstand genommen habe, weil es ihm nach dem Scheitern seines Komplizen unschwer möglich gewesen wäre, das Heroin gemeinsam mit diesem oder auch alleine aus dem Reservereifen zu entnehmen.
Mit dieser im Kern eine unbeachtliche Neuerung darstellenden Behauptung bringt der Beschwerdeführer den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er dabei nicht von den Urteilsfeststellungen, sondern von seiner vom Erstgericht als widerlegt angesehenen Verantwortung ausgeht, er habe sein Vorhaben, Heroin nach Deutschland zu transportieren, freiwillig aufgegeben. Damit wird die Feststellung übergangen, daß die geplante Suchtgiftausfuhr nicht aus eigenem Antrieb und auf Grund innerer Erwägungen freiwillig aufgegeben wurde, sondern nur infolge der unvorhergesehen auftretenden Schwierigkeiten beim versuchten Öffnen des Reservereifens und der Nervosität des Mittäters unterblieb (US 11 f, 18).
Freiwilligkeit ist zudem beim Versuchsrücktritt nicht erst dann ausgeschlossen, wenn die Fortführung der Tat schlechthin unmöglich geworden ist, sondern bereits dann, wenn der Täter sich zur Erreichung des Zieles bloß außerstande glaubt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 13 und 21 zu § 16).
Die Beschwerde geht auch fehl, soweit sie das Unterlassen von Feststellungen über den Umstand der allfälligen Möglichkeit der Tatausführung durch eigenhändigen Ausbau des Suchtgifts unter Zuhilfenahme geeigneten Werkzeuges bzw. unter Anwendung entsprechender Körperkraft rügt. Mangels Vorliegens aktenkundiger Verfahrensergebnisse bestand für das Erstgericht kein sachlicher Anlaß, Feststellungen über diesen erstmals in der Beschwerde vorgebrachten und auf bloße Spekulation gegründeten Umstand zu treffen. Wie bereits dargelegt, kommt es jedoch nicht auf die absolute Unmöglichkeit der weiteren Tatausführung, sondern vielmehr darauf an, ob der Täter die Ausführung der Tat freiwillig und nicht nur wegen entgegenstehender oder auch nur vermeintlicher Hindernisse aufgegeben hat. Die Bewertung des übrigen Verhaltens des Angeklagten (Ferngespräche sowie Fahrten nach und in Österreich) als straflose Vorbereitungshandlung vernachlässigt die wesentlichen Urteilsfeststellungen über die versuchte Entnahme von Heroin aus dem Reserverad und nimmt lediglich auf für sich allein unwesentliche Tatmodalitäten Bezug, die in den Entscheidungsgründen nur zur Illustration des Täterverhaltens angeführt wurden.
Auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Unterstellung der dem Angeklagten zur Last fallenden Tat nach § 14 a SGG anstrebt und wonach er dem tatsächlichen Urteilssachverhalt zufolge keine Verfügungsgewalt über das Suchtgift erlangt habe, so daß bloß eine nach § 14 a SGG strafbare Vorbereitungshandlung vorliege, versagt.
Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch (§ 15 Abs. 2 StGB) ist eine dem Plan des Täters entsprechende ausführungsnahe Handlung (Leukauf-Steininger, Kommentar2 RN 6 ff; Mayerhofer-Rieder, StGB3, Anm. 5, ENr. 1, 2 und 2 a; Foregger-Serini, Kodek, StGB4, Erl. V jeweils zu § 15). Versuch setzt eine Handlung voraus, die in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung zum tatmäßigen Unrecht steht und der geplanten Ausführung zeitlich nahe ist. Es kommt nicht auf ein in die Ausführungshandlung unmittelbar übergehendes, sondern auf ein dieser unmittelbar vorangehendes Verhalten an (Burgstaller in JBl. 1976, 119; 11 Os 131/85; JBl. 1986, 601). Der Begriff der Ausführungsnähe wird durch den Tatplan des Täters bestimmt. Die Handlung muß nach dessen Vorstellungen ausführungsnahe, aber nicht erfolgsnahe sein. Ob das Verhalten im unmittelbaren Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung liegt, muß jeweils in concreto an Hand der dem jeweiligen Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung geprüft werden. Danach ist zu beurteilen, ob objektiv gesehen die Handlung bereits den Begriff der Ausführung der geplanten Straftat bildet oder doch zumindest sowohl nach ihrer aktionsmäßigen als auch nach ihrer zeitlichen Beziehung zur Ausführung im unmittelbaren Vorfeld des Tatbildes liegt, und ob in subjektiver Hinsicht das deliktische Verhalten schon in jenes Stadium getreten ist, in welchem anzunehmen ist, daß der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung bereits überwunden hat (Leukauf-Steininger, aaO, RN 9 bis 11 sowie die dort zitierte Judikatur; weiters SSt. 54/11).
Nach den entscheidungswesentlichen Urteilsfeststellungen beabsichtigte der in Deutschland wohnhafte Angeklagte im Sinne der mit seinem Komplizen getroffenen Vereinbarung 1 kg aus der in einem Reservereifen verwahrten Gesamtmenge von 8 kg Heroin in Kenntnis der Gefährdungseignung dieser Suchtgiftmenge aus Österreich zu verbringen. Zu diesem Zweck beförderte er den Autoreifen mit dem Suchtgift in dem als Schmuggelfahrzeug vorgesehenen PKW seines Bruders in Begleitung des Komplizen auf ein freies Gelände bei Feldkirch, um daraus von diesem 1 kg dieses Suchtgifts entnehmen zu lassen und dieses Quantum mit dessen Wissen und Willen tatplanmäßig unmittelbar im Anschluß an die Übergabe (US 11) über die Landesgrenze nach Deutschland zu verschaffen.
Das Mitführen von Suchtgift unweit der Staatsgrenze, um es zu einem bestimmten und unmittelbar bevorstehenden Zeitpunkt in bestimmter Art aus Österreich auszuführen, stellt, wie das Erstgericht richtig erkannte, eine im unmittelbaren Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung (hier der Aus- und Einfuhr von Suchtgift) liegendes Verhalten dar. Dieses hat daher wegen seiner örtlichen und zeitlichen Nähe zum tatbestandsmäßigen Unrecht, nämlich dem Überschreiten der Staatsgrenze, bereits jene Strafbarkeit begründende ausführungsnahe Entwicklungsstufe des Deliktes erreicht, die nach der zielgewollten Vorstellung des Beschwerdeführers in unmittelbarer Folge oder doch alsbald in die Ausführung übergehen sollte, wobei der Angeklagte auch subjektiv die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung bereits überwunden hatte (Leukauf-Steininger, aaO; vgl. auch EvBl. 1981/104 hier zur Tathandlung des Inverkehrsetzens).
Diese Handlungsweise wurde vom Schöffensenat zu Recht als versuchtes Verbrechen nach §§ 15 StGB, 12, Abs. 1, zweiter und dritter Fall, und Abs. 3 Z 3 SGG beurteilt.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten gemäß § 12 Abs. 3 SGG (unter Anrechnung der Vorhaft) zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafzumessung wurde als erschwerend die Begehung der Tat in bezug auf ein Vielfaches der sogenannten Übermenge und eine Vorstrafe wegen Körperverletzung gewertet, als mildernd der Umstand, daß die Tat des Angeklagten beim Versuch geblieben ist. Dabei ging das Schöffengericht auch von der Erwägung aus, daß aus reiner Gewinnsucht handelnden Dealern, welche sehenden Auges der Volksgesundheit nicht abzuschätzenden Schaden zufügen und durch ihr rücksichtsloses, allein auf ihren Vorteil ausgerichtetes Handeln vielen Menschen schweres Leid zufügen, gezeigt werden müsse, daß die Rechtsgemeinschaft ihr Handeln unter keinen Umständen hinzunehmen gewillt ist (US 25).
Der Angeklagte bekämpft diesen Strafausspruch mit Berufung und strebt die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und richtig gewertet. Der behauptete Beitrag zur Wahrheitsfindung wurde zu Recht nicht als mildernd gewertet. Soweit sich die Berufungsausführung auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung bezieht, übergeht sie, daß das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten als Versuch der Verschleierung des wahren Sachverhalts beurteilt hat (US 17). Die Tathandlungen wurden von der Gendarmerie im Rahmen einer Observation dokumentiert. Der Verantwortung des Angeklagten kommt somit als Beitrag zur Wahrheitsfindung, angesichts des Leugnens der subjektiven Tatseite, kein Gewicht zu. Entgegen der Berufungsausführung lag auch keine besonders verlockende Gelegenheit vor, die in besonderem Maß die Möglichkeit nahelegen würde, auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch könne ihr unterliegen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 29 a zu § 34). Unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB ist bei dem im vorliegenden Fall von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen angesichts der besonders großen Menge des überaus gefährlichen Suchtgiftes Heroin im Hinblick auf die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe die verhängte Freiheitsstrafe nicht überhöht, weswegen auch die Berufung erfolglos bleiben mußte.
Anmerkung
E27041European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00083.91.1001.000Dokumentnummer
JJT_19911001_OGH0002_0140OS00083_9100000_000