Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Oktober 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin H***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Vorgänge, daß das Landesgericht St. Pölten im Verfahren AZ 16 Vr 444/85 den Antrag des Erwin H***** auf Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs. 2 StPO zur Ausführung der angemeldeten Beschwerde gegen den Beschluß vom 21.März 1991, GZ 16 Vr 444/85-89, unerledigt ließ und das Oberlandesgericht Wien mit dem Beschluß vom 3.Mai 1991, AZ 22 Bs 188/91, dessen ungeachtet über die angemeldete, jedoch nicht ausgeführte Beschwerde des Genannten entschied, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den erwähnten Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:
Spruch
I. die Vorgänge, daß das Landesgericht St. Pölten im Verfahren AZ 16 Vr 444/85 den Antrag des Erwin H***** vom 15.April 1991 (ON 90) auf Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs. 2 StPO zur Ausführung einer Beschwerde gegen den Beschluß dieses Gerichtes vom 21.März 1991, GZ 16 Vr 444/85-89, unerledigt ließ und das Oberlandesgericht Wien mit dem Beschluß vom 3.Mai 1991, AZ 22 Bs 188/91, dessen ungeachtet über die (nicht ausgeführte) Beschwerde des Genannten entschied, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO.
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.Mai 1991, AZ 22 Bs 188/91, wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht St. Pölten aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren. II. Der Verurteilte Erwin H***** wird mit seiner auf "Annullierung" des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien gerichteten Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der Verurteilte Erwin H***** hatte zugleich mit einer von ihm angestrebten Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 16 Vr 444/85 des Landesgerichtes St. Pölten die Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs. 2 StPO begehrt (S 53/II); dieser Antrag wurde vom Landesgericht St. Pölten am 8.Jänner 1991 abgewiesen (S 89/II). Mit dem Beschluß vom 21.März 1991 wies das Landesgericht St. Pölten den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 Z 2 StPO ab (S 95/II).
Nach Zustellung dieses Beschlusses am 15.April 1991 (S 95/II) erhob Erwin H***** fristgerecht Beschwerde und stellte gleichzeitig nachstehenden Antrag: "Ich ersuche das Gericht für die Ausführung der einzubringenden Beschwerde, da ich keine rechtskundige Person bin, gemäß § 41 Abs. 2 StPO Verfahrenshilfe zu gewähren" (S 97/II).
Ohne diesen Antrag einer Erledigung zuzuführen, legte das Landesgericht St. Pölten die Akten dem Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht vor, welches der ("angemeldeten, schriftlich jedoch nicht ausgeführten"; S 109/II) Beschwerde mit dem Beschluß vom 3.Mai 1991, AZ 22 Bs 188/91, nicht Folge gab (S 107 ff/II).
Der Verurteilte brachte, nachdem ihm der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien am 21.Mai 1991 zugestellt worden war (S 110/II), am 21.August 1991 eine an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gerichtete, als "Dienstaufsichtsbeschwerde gemäß § 15 StPO" bezeichnete Beschwerde ein, in der er den Antrag stellte, den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.Mai 1991 zu "annullieren".
Rechtliche Beurteilung
Die Vorgangsweisen des Landesgerichtes St. Pölten und des Oberlandesgerichtes Wien stehen, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Das Landesgericht St. Pölten wäre nämlich verhalten gewesen, den Antrag vom 15.April 1991 ungeachtet der Abweisung eines gleichartigen Ersuchens anläßlich der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages einer unverzüglichen Erledigung zuzuführen; die ungeachtet des aufgezeigten Versäumnisses erfolgte Beschwerdeerledigung des Oberlandesgerichtes Wien hinwieder konnte sich nach Lage des Falles zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirken, war ihm doch die Möglichkeit genommen, selbst nach allfälliger Abweisung seines Antrages auf Beigabe eines Verfahrenshelfers seine Beschwerdeargumente auf andere Weise aktenkundig zu machen.
Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen waren festzustellen, der Beschluß des Oberlandesgerichtes aufzuheben und dem Landesgericht St. Pölten aufzutragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.
Der Verurteilte war mit seiner unzulässigen (vgl. §§ 15, 16 StPO) Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien, in der er ua dessen "Annullierung" beantragt und die daher dem Obersten Gerichtshof als Gericht höherer Ordnung vorgelegt wurde, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E27067European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00116.91.1003.000Dokumentnummer
JJT_19911003_OGH0002_0150OS00116_9100000_000