Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klara W*****, vertreten durch Dr. Jörg Baumgärtel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Karl W*****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Dr. Martin Schuppich und Dr. Andrea Herbeck, Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistung von Unterhalt, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Februar 1991, GZ 43 R 2001/91-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Oktober 1990, GZ 10 C 73/90-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.131,60 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 16. Oktober 1968 geborene Klägerin ist die eheliche Tochter des Beklagten. Nach Scheidung der Ehe ihrer Eltern verblieb sie bei ihrer Mutter. Der Beklagte war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. Juni 1984 (10 P 384/77-32) ab 1. Juli 1984 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an die Klägerin von insgesamt 4.500 S verhalten. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte stets nachgekommen. Seit Sommer 1988 war die Mutter der Klägerin infolge eines durch ihre Krebserkrankung bedingten Oberschenkelhalsbruches bettlägerig. Seit dieser Zeit führte die Klägerin den gesamten Haushalt allein und betreute und pflegte sie auch ihre Mutter. Am 1. August 1989 ist ihre Mutter verstorben. Seit 1. September 1989 bezieht die Klägerin eine Waisenpension von 1.618,10 S monatlich zuzüglich 1.550 S an Familienbeihilfe (für sich selbst). Im Herbst 1989 begann die Klägerin das Biologiestudium und absolvierte sie seither 4 Semester. In den Monaten September, Oktober und November 1989 leistete der Beklagte der Klägerin jeweils an Unterhalt 8.000 S:
seit Dezember 1989 bezahlt er 6.500 S. Der monatliche Mietzins der Wohnung der Klägerin - jener Wohnung, die sie zuvor mit ihrer Mutter gemeinsam bewohnt hatte - beträgt einschließlich Betriebskosten etwa 3.700 S; an Gas- und Stromkosten fallen 5mal jährlich rund 2.300 S an. Seit Juni oder Juli 1989 wohnt in dieser Wohnung auch der Lebensgefährte der Klägerin; als Beitrag zu den Wohnungskosten erhält sie von ihm 2.000 S monatlich. Die Kosten für Lebensmittel und Waschmittel sowie andere laufend anfallende Haushaltskosten trägt ihr Lebensgefährte zur Hälfte mit. Die Hausarbeiten werden gemeinsam verrichtet, notwendige Reparaturarbeiten großteils vom Lebensgefährten der Klägerin durchgeführt. Die Beziehung der Klägerin zu ihrem Vater war bis zum Frühjahr 1989 intakt. Bis Herbst 1988 verbrachte die Klägerin mit ihrem Vater durchschnittlich einen Tag pro Woche; im darauffolgenden halben Jahr trafen sie einander jede zweite Woche. Aus Anlaß dieser Besuchstage wendete der Beklagte für die Klägerin etwa 200 S täglich auf. Zu dieser Zeit besuchten die Streitteile - die Klägerin auf Einladung ihres Vaters - auch gemeinsam die Oper. Für die Opernkarten der Klägerin zahlte der Beklagte insgesamt ca. 7.500 S. Den Sommerurlaub 1987 verbrachte die Klägerin auf Wunsch ihres Vaters gemeinsam mit diesem in Abano, Italien. Die vom Beklagten getragenen Kosten dieses Aufenthaltes der Klägerin betrugen ca. 15.000 S. In den Jahren 1987 und 1988 zahlte der Beklagte der Klägerin jeweils 1.000 S für die Teilnahme am Schulschikurs und an der Schulsportwoche. An diesen Veranstaltungen nahm die Klägerin auf Anraten ihres Vaters teil, der sich auch bereit erklärt hatte, diese Kosten zu tragen. Für Bekleidung und ähnliches bezahlte der Beklagte in der Zeit vom 1. April 1987 bis Ende Februar 1990 ca. 3.600 S. Vor den jeweiligen Einkäufen wurde die Klägerin von ihrem Vater gefragt, ob sie etwas zum Anziehen brauchen könnte. Nachdem ihm die Klägerin die von ihr benötigten Dinge genannt hatte, gingen die Streitteile gemeinsam einkaufen. Diese Zuwendungen wurden sowohl von der Klägerin als auch vom Beklagten als Geschenke aufgefaßt. Weiters schenkte der Beklagte seiner Tochter zwischen 1987 und 1989 zu bestimmten Anlässen, wie Geburtstagen und Weihnachten, eine Jugendstillampe, einen Boden- und einen Wandteppich sowie ein Jugendstilblumentischchen. Der Beklagte bezog im Jahre 1987 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 31.480 S, im Jahr 1988 ein solches von rund 32.290 S, 1989 von rund 38.830 S und im ersten Halbjahr 1990 ein solches von rund 40.390 S.
Mit der am 2. März 1990 erhobenen Klage begehrte die Klägerin den Zuspruch eines Betrages von zuletzt 62.500 S an rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 1. April 1987 bis Ende Februar 1990 - 2.000 S monatlich für die Zeit von April 1987 bis einschließlich August 1989, wobei sie für diese Zeit eine Erhöhung der Unterhaltsleistung auf 6.500 S monatlich für angemessen hält, sowie von je 1.500 S für die Zeit von Dezember 1989 bis einschließlich Februar 1990, wobei sie für diese Zeit einen Unterhaltsbeitrag von 8.000 S monatlich für angemessen erachtet - samt Anhang sowie eines Unterhaltsbeitrages von 22 % der Nettobezüge ihres Vaters ab 1. März 1990.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei selbsterhaltungsfähig. Darüber hinaus sei die Waisenpension der Klägerin auf seine Unterhaltsverpflichtung "aufzurechnen", weshalb er durch die monatliche Zahlung von 6.500 S seine Unterhaltspflicht erfülle. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen lägen nicht vor; außerdem habe er über die ihm auferlegte Unterhaltsverpflichtung hinaus Naturalleistungen erbracht, die monatlich durchschnittlich 1.000 S betragen hätten, und der Klägerin Geschenke in der Gesamthöhe von ca. 10.000 S gemacht. Schließlich müsse sich die Klägerin den Betrag von 2.000 S monatlich, den sie von ihrem Lebensgefährten bekomme, auf den Unterhalt anrechnen lassen.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von 62.500 S samt Anhang und ab 1. März 1990 an Unterhalt monatlich 22 % seiner Nettobezüge zu bezahlen. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Klägerin im Hinblick auf ihr ernsthaft und wegen der Erkrankung ihrer Mutter jedenfalls mit durchschnittlichem Studienerfolg betriebenes Biologiestudium nicht selbsterhaltungsfähig sei und ihr aufgrund ihres Alters Unterhalt in der Höhe von 22 % des monatlichen Nettoeinkommens ihes Vaters einschließlich der Sonderzahlungen gebühre. Der begehrte monatliche Unterhalt von 6.500 S bis August 1989 und von 8.000 S ab Dezember 1989 entspreche diesem Prozentsatz. Die Geltendmachung einer rückwirkenden Erhöhung des Unterhalts sei gerechtfertigt und widerspreche auch nicht den guten Sitten. Der Bezug einer Waisenpension mindere nicht die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten, weil diese Pension als Ersatz der Unterhaltsverpflichtung des verstorbenen Elternteiles anzusehen sei. Auch die Tatsache, daß die Klägerin von ihrem Lebensgefährten als Beteiligung an ihren Kosten für die Wohnung 2.000 S monatlich erhalte, berechtige den Beklagten nicht dazu, seine Unterhaltszahlung zu reduzieren, zumal es sich bei diesem Betrag weder um ein Einkommen der Klägerin noch um eine Unterhaltszahlung ihres Lebensgefährten handle. Die Ausgaben des Beklagten für die Klägerin an den einzelnen Besuchstagen sowie für die Opernbesuche stellten keine die Unterhaltsverpflichtung schmälernden Abzugsposten dar, weil sie als Naturalleistungen den Anspruch auf Geldunterhalt nicht vermindern könnten. Schließlich seien diese Leistungen aus Anlaß von Einladungen erfolgt und damit in Schenkungsabsicht erbracht worden. Auch die Kosten für die Bekleidung der Klägerin, des Sommerurlaubes 1988 sowie des Schulschikurses und der Schulsportwoche seien freiwillige Zuwendungen mit Schenkungscharakter gewesen und berechtigten daher nicht zum Abzug von der Unterhaltsverpflichtung.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, anstelle der ihm aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. Juni 1984, 10 P 384/77-32, obliegenden Unterhaltsverpflichtung von 4.500 S monatlich der Klägerin ab 1. März 1990 an Unterhalt 17 % seiner Nettobezüge - abzüglich der in der Zeit vom 1. März bis 8. August 1990 geleisteten 39.000 S sowie (für rückständigen Unterhalt) den Betrag von 18.200 S samt Anhang zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Klagemehrbegehren auf Zuspruch eines weiteren Unterhaltsbeitrages von 5 % des monatlichen Nettoeinkommens des Beklagten ab 1. März 1990 sowie eines weiteren Betrages von 44.300 S sA (für rückständigen Unterhalt) wies es ab. Schließlich sprach es aus, daß die ordentliche Revision nicht zugelassen werde. Zu der in der Berufung hinsichtlich des "laufenden" Unterhalts erhobenen Rechtsrüge - im Tatsachenbereich blieb lediglich die Qualifikation der verschiedenen Sachleistungen als "Geschenke" strittig - nahm das Berufungsgericht im wesentlichen wie folgt Stellung:
Welches Ausmaß an Unterhalt jeweils zuzuerkennen sei, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Bedachtnahme auf die maßgeblichen Kriterien des § 140 ABGB. Die verschiedenen von der Judikatur entwickelten Entscheidungshilfen wie die "Prozentkomponente" oder die sogenannten "Durchschnittsbedarfssätze" seien durchaus wertvolle Orientierungshilfen; normative Kraft komme ihnen aber nicht zu. Nach diesen Kriterien könne die Waisenpension der Klägerin nicht unberücksichtigt bleiben, einerlei, ob man sie als Eigeneinkommen des Kindes ansehe oder als fiktive Leistungen der verstorbenen Mutter. Der apodiktischen Aussage des Erstgerichtes, der Bezug einer Waisenpension mindere nicht die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten, könne in dieser Form nicht beigetreten werden; jedenfalls hieße das nicht, daß allein auf die "Prozentkomponente" ohne Berücksichtigung der übrigen Bemessungskriterien abzustellen wäre. Auch wenn die Mutter im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB durch Haushaltsführung ihren Beitrag erbringe, habe dies nicht zur Folge, daß gleichsam zwingend ein Unterhaltsbeitrag im Ausmaß der "Prozentkomponente" zuzuerkennen wäre. Eine der Besonderheiten des Falles liege ja darin, daß der Zuspruch eines durchaus überdurchschnittlichen Unterhaltsbeitrages angestrebt werde, wohingegen in den meisten der Fälle um den Zuspruch durchschnittlicher oder gar unterdurchschnittlicher Unterhaltsbeiträge gerungen werde (was für das richtige Verständnis der Leitsätze und der den Entscheidungen entnommenen Teil-Aussagen bedeutsam sei). Die gegebene Realität sei dadurch gekennzeichnet, daß die Klägerin einen eigenen Haushalt führe; die Mutter könne keine Unterhaltsleistungen mehr erbringen, sodaß nun der Vater allein unterhaltspflichtig sei. Allerdings beziehe die Klägerin nun Waisenpension, die als Eigeneinkommen im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB anzusehen sei. Diese Qualifikation bedeute aber nicht, daß diese Pension so zu berücksichtigen wäre, daß sie von einem wie immer gewonnenen Bemessungsergebnis unreflektiert abzuziehen wäre (vlg. Knoll in ÖA 1988, 36, zum rechtlich insoweit ähnlich gelagerten Problem der Berücksichtigung der Lehrlingsentschädigung). Sie sei vielmehr bloß eine der Komponenten des durch gebundenes Ermessen gekennzeichneten Bemessungsvorganges. Die Leistungen des Lebensgefährten seien nicht von Relevanz. Es dürfe nicht außer Betracht bleiben, daß durch das Mitbewohnen der Wohnung ein erhöhter Aufwand entstehe, einerseits etwa durch erhöhten Energieverbrauch, anderseits aber auch durch rascheres "Abwohnen". Der Beitrag von 2.000 S sei daher in etwa (§ 273 ZPO) aufkommensneutral, sodaß auf die generelle Frage der Berücksichtigung von Leistungen eines Lebensgefährten hier nicht weiter einzugehen sei. Der Beklagte habe im hier relevanten Zeitraum (1990) ein Einkommen von rund 40.390 S netto monatlich gehabt; ihn träfen keine weiteren Sorgepflichten. Die Klägerin sei Studentin und führe einen eigenen Haushalt. Der Mietzins belaufe sich auf 3.700 S monatlich, für Gas und Strom bezahle sie rund 960 S monatlich. Sie beziehe eine Waisenpension von rund 1.618 S monatlich, also inklusive Sonderzahlungen rund 1.887 S, daneben (für sich) 1.550 S an Familienbeihilfe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheine nicht ein Unterhaltszuspruch von 22 % (das wären rund 8.885 S monatlich), sondern bloß von 17 % (= rund 6.900 S monatlich) angemessen. Der Klägerin stehe somit ein Gesamtbetrag von etwas über 10.200 S zur Verfügung, was durchaus ausreichend sei, bedenke man auch, daß sie noch in Ausbildung stehe. Dieses Ergebnis werde den Umständen des Einzelfalles und den oben angeführten weiteren Bemessungskriterien (§ 140 ABGB) gerecht.
In Erledigung der hinsichtlich des Ausspruches über den Anspruch der Klägerin auf rückwirkenden Unterhalt erhobenen Rechtsrüge vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß die Frage, ob hier überhaupt Unterhalt rückwirkend geltend gemacht werden könne, streng von der Frage zu trennen sei, ob die verschiedenen Leistungen des Beklagten außer Betracht zu bleiben hätten. Die erstere Frage sei mit dem Erstgericht zu bejahen, die letztere gegen die Meinung des Erstgerichtes zu verneinen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach Ansprüche bei sonstigem Verlust sofort nach ihrem Entstehen geltend gemacht werden müßten, sei nicht gegeben. Es stehe vielmehr einem Berechtigten im allgemeinen immer zu, den Zeitpunkt der Geltendmachung innerhalb der Verjährungszeit zu wählen. Die Auffassung, der Antragsteller müsse eigens begründen, warum er rückwirkend Unterhalt begehre, sei nicht tragfähig, weil sie sich weder auf den Wortlaut des Gesetzes noch auf daraus ableitbare Wertungen berufen könne. Auf die Frage, wann die Klägerin von der Höhe des Einkommens ihres Vaters erfahren habe, oder ob sie schon früher davon hätte erfahren können, komme es somit nicht an. Gegen die Zulässigkeit des rückwirkend geltend gemachten Unterhaltsanspruches (Unterhaltserhöhung) bestünden somit keine Bedenken.
Hinsichtlich der Anrechenbarkeit der verschiedenen Leistungen des Beklagten stellte das Berufungsgericht folgende Erwägungen an:
Von Unterhaltspflichtigen werde oft der Einwand erhoben, sie hätten Sachleistungen erbracht oder würden solche laufend erbringen. Zum Teil wollten sie mit diesem Einwand dartun, daß sie damit einen titulierten Unterhaltsanspruch erfüllt hätten (ein solcher Fall liege hier nicht vor), zum Teil träten sie Unterhaltsfestsetzungs- oder Unterhaltserhöhungsbegehren mit der Begründung entgegen, angesichts ihrer verschiedenen Sachleistungen könnten sie den geforderten Betrag nur zum Teil oder gar nicht erbringen. Die Einwände dieser Art reichten etwa vom Prämiensparen (oder Bausparen) für das Kind über die Beschaffung von Bekleidung bis hin zu einer Fülle kleiner Posten, wie den Ankauf von Bleistiften. Einem solchen Ansinnen des Unterhaltspflichtigen stehe vor allem der Grundsatz entgegen, daß die Disposition bezüglich der Unterhaltsbeiträge (ihre Einteilung und Verwendung) nicht seine Sache sei, sondern die des Berechtigten (dessen Obsorgeberechtigten). Folgerichtig sei auch wiederholt ausgesprochen worden, daß, wenn der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch auf Geldunterhalt habe, ihm Naturalleistungen gegen seinen Willen nicht aufgedrängt werden könnten; freiwillige Leistungen eines Unterhaltspflichtigen seien auf seine Geldunterhaltsverpflichtung nur mit Zustimmung des erziehungsberechtigten Elternteiles anrechenbar (EFSlg. 42.650, 56.014, 56.016 uam). Bei all dem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, daß die Unterhaltsjudikatur bis vor nicht allzu langer Zeit wegen der Ablehnung rückwirkender Unterhaltsanträge zukunftsorientiert gewesen sei; dabei sei dieses Problem der Naturalleistungen doch stark entschärft: Sofern nicht ausnahmsweise die Leistung teilgemischten Unterhaltes zugebilligt werde (EFSlg. 42.645 und Folgeentscheidungen, wie 56.018), derartige Naturalleistungen somit als ungeeignet erkannt würden, den Geldunterhaltsanspruch zu schmälern, stehe es dem Unterhaltspflichtigen ja frei, sie einzustellen. Anderseits habe sich die Frage, inwieweit solche Leistungen anzurechnen seien oder nicht (Anrechnung erbrachter Leistungen im Leistungsbefehl), nur bezüglich eines Zeitraumes frühestens ab Antragstag oder Klagstag gestellt, also in der Regel hinsichtlich eines kürzeren Zeitraumes, wobei sich allenfalls auch ins Treffen führen ließe, daß der Unterhaltsschuldner ab Kenntnis des Begehrens gleichsam gewarnt sei (somit disponieren könne). Der gegenständliche Fall sei nun dadurch gekennzeichnet, daß die Berücksichtigung solcher Leistungen in Frage stehe, die in einem Zeitraum vor Klagstag erbracht worden seien, der lange (3 Jahre) zurückreiche. Diese Leistungen könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Den Argumenten der Berufungsbeantwortung sei zu entgegnen, daß es hier nicht darum gehe, der Klägerin durch eine allfällige Anrechnung solcher Leistungen Nachteile zuzufügen; sie solle sich aber durch die rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt auch keine ungerechtfertigten Vorteile verschaffen. Bei der Beurteilung der Frage, welche Leistungen als anrechenbar in Betracht kommen, könne auf die Judikatur insbesondere zur Frage, ob eine Unterhaltsverletzung vorliege, zurückgegriffen werden: Es seien dies (grundsätzlich) sämtliche vom Unterhaltspflichtigen erbrachten Geld- und Naturalleistungen (EFSlg. 42.642, 53.099 ua) mit Unterhaltscharakter (hier freilich nur insoweit, als sie die titulierte Verpflichtung überstiegen). Von der grundsätzlichen Anrechenbarkeit sei die Frage zu unterscheiden, in welchem Ausmaß eine bestimmte Leistung anzurechnen sei. Seien Leistungen in diesem Sinne grundsätzlich zur Anrechnung geeignet, komme eine Anrechnung nur dann nicht in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige sie auch in Kenntnis einer später für denselben Zeitraum erfolgenden Unterhaltserhöhung erbracht hätte. Das sei im Zweifel nicht zu vermuten (weil im Zweifel nicht anzunehmen sei, daß ein Unterhaltspflichtiger bereit sei, doppelt zu leisten oder zumindest mehr, als er müßte). Nur derart könne ein wohlverstandener Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Unterhaltsberechtigten einerseits und des Unterhaltspflichtigen anderseits hergestellt werden. Insbesondere sei nicht zu fordern, daß der Unterhaltspflichtige bei jeder potentiell anrechenbaren Leistung erkläre, diese Leistung in Anrechnung auf ein gar nicht aktuelles, aber möglicherweise einmal rückwirkend erfolgendes Unterhaltsbegehren zu erbringen, widrigenfalls eine Anrechnung ausgeschlossen sei. (Die Disposition über den Unterhaltsanspruch und seine Geltendmachung - Zeitpunkt und Ausmaß - stehe ja nicht ihm, sondern dem Unterhaltsberechtigten zu.) Eine derartige Forderung wäre überspannt und weder lebensnah, noch könnte sie als eine familienpolitisch vernünftige Lösung angesehen werden. Eine Lösung mit dem Ergebnis, daß Unterhaltspflichtige solche Leistungen überhaupt einstellen, um möglichen künftigen Anrechnungsproblemen zu entgehen, sei ebensowenig wünschenswert. Inwieweit (grundsätzlich) anrechenbare Leistungen nun in concreto anrechenbar seien, sei nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Die Unterhaltsbedürfnisse eines Kindes umfaßten dessen gesamten Lebensbedarf, somit die Kosten für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erziehung und sonstige Ausbildung, insbesondere in kultureller Hinsicht, ferner für Sportausübung, Freizeit- und Feriengestaltung (EFSlg. 42.659 in Übereinstimmung mit § 672 ABGB). Alle Bereiche müßten abgewogen abgedeckt werden; der Unterhalt müsse den Lebensverhältnissen entsprechend proportional geleistet werden. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentierung in einem Teilbereich könne nicht zur Kürzung des sonst gegebenen Bedarfes führen (EFSlg. 42.647 ua). Wende man diese Grundsätze an, so sei die Gefahr einer unsachlichen Anrechnung nicht gegeben. Die im gegenständlichen Verfahren angeschnittene Frage, ob es sich bei diesen Leistungen um Geschenke gehandelt habe, sei daher in dieser Form deshalb nicht zielführend, weil eine rückwirkende Unterhaltserhöhung damals überhaupt nicht im Raume gestanden sei. Es komme vielmehr darauf an, ob der Beklagte die fraglichen Leistungen in Kenntnis dieses Unterhaltsbegehrens (Erhöhung auf 6.500 S monatlich ohne Anrechnung jener Leistungen) erbracht hätte. Das sei, wie dargestellt, nicht zu vermuten, und da die Verfahrensergebnisse es nicht gestatteten, dies zu bejahen, seien diese Leistungen entgegen der Meinung des Erstgerichtes anrechenbar. Die Klägerin stehe auf dem Standpunkt, für die Vergangenheit ohnedies weniger zu begehren, als ihr zustünde und meine damit erkennbar, daß der begehrte Betrag auch unter Berücksichtigung dieser Leistungen angemessen sei. Um eine sachgerechte Lösung zu erzielen, können dieser Prozeßstandpunkt nicht unberücksichtigt bleiben; die Anrechnung habe daher auch dann auf den jeweils angemessenen (§ 140 ABGB) Unterhaltsbeitrag zu erfolgen, wenn dieser über den begehrten 6.500 S liegen sollte. Nach den Gegebenheiten dieses Falles könnten hier mehrere Perioden unterschieden werden: Die erste reiche von April 1987 bis zum Sommer 1988, als die Mutter der Klägerin pflegebedürftig geworden sei; die zweite reiche von diesem Zeitpunkt bis zum 1. August 1989 (Tod der Mutter), die dritte schließlich bis zur Klagseinbringung. Die Meinung der Klägerin, sie habe für die Vergangenheit nur einen "bescheidenen Unterhalt" bzw. "nur einen geringen Teil" des ihr zustehenden rückwirkenden Unterhaltes eingeklagt, könne in dieser Form nicht beigetreten werden. Die von ihr angesprochene Quote von 22 % (ein höherer Zuspruch käme nach der Lage des Falles nicht in Betracht, wohl ein geringerer) ergäbe für 1987 einen rechnerischen Betrag von rund 6.925 S, 1988 von rund 7.090 S (d.h., die begehrten 6.500 S könnten nicht als bloß "geringer Teil" hievon angesehen werden), 1989 allerdings von rund 8.540 S. Der sogenannte Durchschnittsbedarf von Kindern der Altersgruppe über 19 Jahren habe sich ab 1. Juli 1987 auf
4.120 S, ab 1. Juli 1988 auf 4.250 S und ab 1. Juli 1989 auf 4.370 S belaufen. Diese Zahlen seien als eine gewisse Orientierungshilfe vorangestellt. Nach den Umständen des Falles erscheine es dem Berufungsgericht nicht zielführend, diese Leistungen des Beklagten (deren anrechenbare Teile) in den jeweiligen Perioden durch subtile Berechnungen zu bewerten und dieses wie auch immer (wohl unter weitestgehender Anwendung des § 273 ZPO) gewonnene Ergebnis von einem Bemessungsergebnis abzuziehen, zumal Unterhalt ausgemessen und nicht errechnet werde. Sachgerecht sei hier vielmehr zu prüfen, ob in den verschiedenen Perioden unter Bedachtnahme auf den Vortitel und auf jene Leistungen des Beklagten ein weiterer Zuspruch zu erfolgen habe und wenn ja, in welchem Ausmaß (§ 140 ABGB). In der ersten Periode (1987/88) habe die Klägerin die im Schuljahr 1988 maturiert habe, im Haushalt ihrer Mutter in sichtlich durchschnittlichen, allenfalls auch bescheidenen Verhältnissen gelebt. Für diesen Zeitraum erscheine unter Bedachtnahme auf die nicht unbeträchtlichen Leistungen des Beklagten kein weiterer Zuspruch angemessen. In der zweiten Periode (1988/89) habe die Klägerin zwar weiter in dem Haushalt ihrer Mutter gelebt, die Mutter sei jedoch gesundheitlich bedingt nicht mehr in der Lage gewesen, einen Unterhaltsbeitrag im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB in Form von Betreuungsleistungen zu erbringen. Die Leistungen des Beklagten hingegen seien als geringer als in der Vorperiode zu veranschlagen. Für diese Periode sei ein Zuspruch von 15.000 S sachgerecht. In der dritten Periode schließlich, also ab der Tod der Mutter am 1. August 1989, sei auch deren Beitrag zu den Wohnungskosten entfallen, eine Waisenpension habe die Klägerin erst ab 1. September 1989 erhalten. Der für August begehrte Zuspruch von 2.000 S sei daher nicht zu beanstanden (möge auch die Mutter möglicherweise noch für die Wohnungskosten aufgekommen sein, sei doch zu bedenken, daß Todesfälle mit vermehrten Ausgaben verbunden seien). Für die Monate Dezember 1989, Jänner und Feber (richtig wohl:) 1990 hingegen (September bis November 1989 seien nicht klagsgegenständlich) gebühre, den Erwägungen bezüglich des laufenden Unterhaltes folgend, ein weiterer Zuspruch von jeweils 400 S. Zusammenfassend sei daher der Klägerin an rückwirkendem Unterhalt eine Summe nicht von
62.500 S, sondern bloß von 18.200 S (15.000 S plus 2.000 S plus 1.200 S) zuzusprechen.
Den Ausspruch über die Nichtzulassung der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß erhebliche Rechtsfragen nicht zu lösen gewesen seien.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die ao. Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung einzubringen, Gebrauch und beantragte, die ao. Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Die Revision ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vor Eingehen in die Revisionsausführungen ist festzuhalten, daß die Zulässigkeit des Begehrens einer Unterhaltserhöhung für die Vergangenheit im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist.
Sowohl in ihrer Zulassungsrüge als auch in der Rechtsrüge wendet sich die Klägerin unter anderem gegen die Berücksichtigung der vom Beklagten ihr erbrachten Sachleistungen bei der Ausmessung ihres Unterhaltsanspruches, wobei sie auf dieser Ansicht entgegenstehende, anderslautende Rechtsprechung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien verweist. Da diese Sachleistungen des Beklagten lediglich die Zeit vor Einbringung der vorliegenden Klage betreffen, bezieht sich diese Rüge nur auf den von der Klägerin geltend gemachten, die Vergangenheit betreffenden Anspruch auf rückwirkende Unterhaltserhöhung. Zu der Frage, ob und allenfalls in welcher Art Sachleistungen, die der Unterhaltspflichtige neben dem ihm auferlegten Geldunterhalt in der Vergangenheit freiwillig erbracht hat, bei der die Vergangenheit betreffenden Ausmessung des gebührenden Unterhalts und damit bei Beurteilung des Anspruches des Unterhaltsberechtigten auf höheren als den bisher zuerkannten Unterhalt für die Vergangenheit zu berücksichtigen sind, fehlt - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung sowohl der Gerichte zweiter Instanz, als auch des Obersten Gerichtshofes, weshalb die Revision zulässig ist.
Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die hier auftretende Problematik hingewiesen, die vor allem darin besteht, daß die Sachleistungen vom Beklagten unter der Annahme ihrer Freiwilligkeit erbracht wurden, diese Leistungen nunmehr jedoch von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet werden müssen, nämlich dahin, ob sie bei Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von seiner Verpflichtung zur Leistung eines höheren Geldunterhaltes ebenfalls erbracht worden wären. Dazu kommt noch, daß die freiwillig erbrachten Naturalleistungen in der Regel irreversibel sind, also in Kenntnis der wahren Unterhaltsverpflichtung bzw. des wahren Unterhaltsanspruches nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Unter diesen Umständen erscheint es im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Problematik durchaus vertretbar, die von den Gerichten zweiter Instanz bei Prüfung des Vorliegens einer Unterhaltsverletzung als Voraussetzung für die gerichtliche Unterhaltsfestsetzung entwickelte Rechtsprechung heranzuziehen und bei dieser Prüfung grundsätzlich alle Geld- und Naturalleistungen (mit Unterhaltscharakter) in Anschlag zu bringen (vgl. EFSlg. 42.645 f, 49.515, 58.732, 61.065 ua). Davon ausgehend muß - um rückblickend eine gerechte Lösung zu finden - im Sinne der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht geprüft werden, ob der Unterhaltspflichtige diese Naturalleistungen auch dann erbracht hätte, wenn er bereits zur Zeit deren Leistung von der ihn rückwirkend treffenden höheren Unterhaltsverpflichtung Kenntnis gehabt hätte. Der Oberste Gerichtshof billigt auch die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang weiters vertretene Ansicht, daß im Zweifel eine solche Absicht des Unterhaltspflichtigen nicht zu vermuten ist.
Inwieweit aber grundsätzlich anrechenbare Leistungen bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei - wie das Berufungsgericht auch zutreffend ausführte - der gesamte Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten, also alle seine Unterhaltsbedürfnisse den Lebensverhältnissen entsprechend ausgewogen abgedeckt werden müssen und eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich nicht zur Kürzung in einem anderen Teilbereich der Bedürfnisse führen darf.
Insoweit die Revisionswerberin sich dadurch beschwert erachtet, daß das Berufungsgericht bei der Unterhaltsausmessung von drei Perioden ausgegangen ist, kann ihr nicht gefolgt werden, weil das Berufungsgericht diese Unterscheidung nicht willkürlich getroffen hat, sondern im Hinblick darauf, daß die Bedürfnisse der Klägerin in diesen Zeiträumen unterschiedlich waren. Mangels näherer Ausführungen in der Revision zur Frage der Anrechenbarkeit der vom Beklagten hier erbrachten Naturalleistungen im konkreten Fall besteht keine Veranlassung, auf das Ergebnis der Anwendung der vom Berufungsgericht richtig entwickelten Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall weiter einzugehen.
Im Rahmen der Bekämpfung des ihr Unterhaltsbegehren sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit zum Teil abweisenden Urteiles des Berufungsgerichtes macht die Revisionswerberin dem Berufungsgericht weiters zum Vorwurf, es sei von der überwiegenden Rechtsprechung der Senate des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien abgewichen, weil es bei Festsetzung der Unterhaltshöhe angenommen habe, daß die von der Klägerin bezogene Waisenpension nach ihrer Mutter als Einkommen im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB anzusehen sei, und diese bei dem Unterhaltsbemessungsvorgang berücksichtigt habe; richtigerweise handle es sich dabei um eine nicht zu berücksichtigende Leistung eines Dritten, wobei sie sich auf die Entscheidungen EFSlg. 53.179 und 56.055 berief. Auch hier kann der Revisionswerberin nicht gefolgt werden. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1990, 5 Ob 606/90, die in den vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien stammenden, in EFSlg. 53.179 und 56.055 veröffentlichten Entscheidungen vertretene Rechtsmeinung unter Hinweis auf Pichler in Rummel2, ABGB, Rz 11 zu § 140 abgelehnt und ausgesprochen, daß auch die Waisenpension Einkommen des Kindes ist und der Umstand, daß die nach dem Ableben der Mutter zustehende Waisenpension in erster Linie die dem Kind gegen die Mutter zustehenden Ansprüche decken werde, von der Seite der Bedürfnisse des Kindes her zu berücksichtigen ist. Im Rahmen dieser Rechtsprechung, von der abzugehen auch der vorliegende Fall keinen Anlaß bietet, hat sich aber das Berufungsgericht gehalten.
In ihrer Rechtsrüge bekämpft die Revisionswerberin schließlich noch die Herabsetzung des von ihr begehrten Unterhalts in Höhe von 22 % der Nettobezüge ihres Vaters auf 17 %. Da das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Obergrenze für die Unterhaltsfestsetzung mit dem zweieinhalbfachen des für das Kind geltenden Durchschnittsbedarfes festgesetzt habe und ab Juli 1989 der Durchschnittsbedarf 4.370 S, das Zweieinhalbfache daher 10.925 S betrage, hätten ihr 22 % der Nettobezüge ihres Vaters zugesprochen werden müssen. Die Revisionswerberin übersieht bei diesen Ausführungen, daß Hundertsätze bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruches im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle wohl herangezogen werden, nicht aber etwa generell als Maßstab für die Unterhaltsbemessung schlechthin festgelegt werden können (6 Ob 563/90,
Sie bieten aber bei durchschnittlichen Verhältnissen eine brauchbare Grundlage dafür, den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (7 Ob 562/90; 7 Ob 671/90; Schlemmer in Schwimann, ABGB I, Rz 8 zu § 140). Es darf jedoch auch bei Berechnung nach der Prozentsatzkomponente die im § 140 ABGB verankerte Angemessenheitsgrenze nicht überschritten werden (6 Ob 563/90; 7 Ob 562/90; 7 Ob 671/90). Auch in dieser Richtung lassen sich aus dem Gesetz keine starren, auf jeden Einzelfall anzuwendenden Begrenzungssätze ableiten. Im vorliegenden Fall beträgt der der Klägerin vom Berufungsgericht zuerkannte Unterhaltsanspruch rund 6.900 S monatlich, sodaß der ihr vom Vater zukommende Unterhaltsbeitrag und ihr eigenes Einkommen zur Deckung ihrer Bedürfnisse wohl ausreichen. Das Einkommen des Beklagten liegt zwar über dem Durchschnitt, ist jedoch nicht so hoch, daß die Revisionswerberin mit dem ihr zugesprochenen Unterhaltsbeitrag nicht auch angemessen an den Lebensverhältnissen ihres Vaters teilhaben würde. Die von der Klägerin angestrebte weitere Erhöhung ihres Unterhaltsbeitrages kommt daher mangels Vorliegens eines Ermessensmißbrauches des Berufungsgerichtes nicht in Betracht.
Aus all diesen Gründen erweist sich die Revision als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E27461European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00544.91.1008.000Dokumentnummer
JJT_19911008_OGH0002_0050OB00544_9100000_000