TE OGH 1991/10/9 2Ob47/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton ***** U*****, vertreten durch Dr. Roderich Santner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wider die beklagten Parteien

1.) Johann A*****, 2.) Josef F*****, 3.) ***** Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie 4.) Josef B*****,

5.) ***** Versicherungsunternehmungen *****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen

S 72.657,-- sA, infolge Rekurses der viert- und fünftbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. April 1991, GZ 3 R 83/91-37, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Dezember 1990, GZ 9 Cg 52/89-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 17. Oktober 1988 um ca 6 Uhr kam es auf der Autobahn A 1 zwischen dem vom Kläger gelenkten PKW Mercedes 230 E, pol. Kennzeichen S *****, dem vom Erstbeklagten gelenkten Sattelkraftzug Volvo, pol. Kennzeichen O-*****, samt Anhänger und dem vom Viertbeklagten gelenkten PKW Passat Kombi,

pol. Kennzeichen M-DE *****, für welchen die fünftbeklagte Partei Versicherungsschutz gewährt, zu einem Unfall.

Die Unfallstelle befindet sich bei Straßenkilometer 299,800 Richtung Staatsgrenze Walserberg. Der Kläger fuhr zuerst auf der Tauernautobahn A 10, auf welcher sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h befand, und nach Einmündung der A 1 auf dieser in Richtung Staatsgrenze. Seine Geschwindigkeit betrug ungefähr 130 km/h. Dazu benutzte er die linke Fahrspur (Überholspur). Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Tauernautobahn wird in der Verlängerung auf die A 1 nicht aufgehoben. Bei Straßenkilometer 299,610 befindet sich ein Aufhebungszeichen für das Ende des Überholverbotes. Im Unfallsbereich befanden sich 3 Fahrspuren. Die mittlere und rechte Fahrspur waren durch rückstauende LKW besetzt. Zum Unfallszeitpunkt herrschte Morgendämmerung. Die Fahrbahn war trocken. Der Kläger fuhr mit abgeblendeten Scheinwerfern.

Der Erstbeklagte war mit dem beladenen ca 30 t schweren Sattelzug der zweitbeklagten Partei, der bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversichert war, auf der Westautobahn A 1 Richtung Staatsgrenze unterwegs. Er kam zunächst mit seinem Sattelzug auf dem Mittelfahrstreifen zum Stillstand, dann entschloß er sich, auf die linke Spur hinüberzufahren und an der Grenze umzudrehen. Er betätigte den linken Blinker und überzeugte sich im Rückspiegel, daß kein Fahrzeug nachkommt; dann bog er nach links aus. Da sich der PKW des Klägers noch mehr als 300 m entfernt befand, konnte ihn der Erstbeklagte in der langgezogenen Kurve vor dem Losfahren noch nicht sehen. Als sich der Erstbeklagte mit seinem Fahrzeug schon zur Gänze auf der linken Fahrbahnseite befand, fuhr der Kläger auf das linke Heck seines Aufliegers auf. Davor zeichnete sein PKW eine Bremsspur von 87 m ab.

Der Viertbeklagte fuhr auf der A 1 mit einer Geschwindigkeit von ca 130 bis 140 km/h in Richtung Staatsgrenze. Der Kläger war noch vor dem Viertbeklagten in die A 1 eingefahren, sodaß nur ein Abstand von ca 20 m zwischen den beiden Fahrzeugen entstand. Dann bremste der Kläger sein Fahrzeug stark ab, sodaß die Reifen zu rauchen begannen. Der Viertbeklagte fuhr auf das Fahrzeug des Klägers auf; er hatte vorher noch gebremst und eine 19 m lange Bremsspur gezeichnet.

Der Kläger konnte den Sattelzug bereits bei erster Sicht in einer Schrägstellung wahrnehmen. Er war jedoch mit einer Geschwindigkeit unterwegs, die dem Gebot des Fahrens auf Sicht nicht entsprach.

Der Viertbeklagte hatte nach Wahrnehmung der Bremslichter des Fahrzeuges des Klägers nicht sofort den Bremsentschluß gefaßt; sein Reaktionsverzug betrug 2,8 Sekunden.

Der Kläger begehrte von den Beklagten unter Einbekennung eines Mitverschuldens von einem Viertel die Bezahlung von drei Viertel seines Schadens, d s S 72.657,-- sA. Der Erstbeklagte habe den Vorrang des Klägers verletzt, der Viertbeklagte sei zu schnell gefahren, habe einen zu geringen Tiefenabstand eingehalten und den Unfall auch durch eine unaufmerksame Fahrweise verschuldet.

Das Klagebegehren gegenüber dem Erst- bis Drittbeklagten wurde rechtskräftig abgewiesen; auf deren Einwendungen ist daher nicht weiter einzugehen. Der Viertbeklagte und die fünftbeklagte Partei beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei zu schnell gefahren und habe gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h verstoßen. Der Schade am PKW, den der Viertbeklagte lenkte, sei vom Eigentümer an die fünftbeklagte Partei abgetreten worden und werde im Ausmaß von S 77.380,-- gegen die Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht stellte gegenüber dem Viertbeklagten und der fünftbeklagten Partei die Klageforderung als mit S 37.656,-- zu Recht, im übrigen sowie die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, sprach dem Kläger S 37.656,-- sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Der Kläger sei nicht auf Sicht gefahren und habe gegen die auf der A 10 geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h verstoßen. Den Erstbeklagten treffe kein Verschulden am Unfall, er habe die Richtungsänderung zeitgerecht und unter Betätigung des Blinkers berechtigterweise vorgenommen. Der Viertbeklagte habe eine Reaktionsverzögerung von 2,8 Sekunden zu verantworten. Das Verschulden zwischen Kläger und Viertbeklagtem sei im Verhältnis 1 : 1 zu teilen; der Klageanspruch sei unter Berücksichtigung der festgestellten Schadensbeträge in der zugesprochenen Höhe berechtigt.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Klägers und des Viertbeklagten sowie der fünftbeklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs zulässig sei, weil zur Frage der Geltung einer Geschwindigkeitsbeschränkung über das Ende einer Autobahn hinaus keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege. Das Berufungsgericht erachtete die von dem Viertbeklagten und der fünftbeklagten Partei geltend gemachte Mangelhaftigkeit bei Beurteilung der Gegenforderung dieser Beklagten für gegeben und trug dem Erstgericht auf, zur behaupteten Abtretung der Schadenersatzforderung an die fünftbeklagte Partei entsprechende Beweise aufzunehmen. Dem Kläger hielt es entgegen, daß auch ihn nach den getroffenen Feststellungen eine im einbekannten Mitverschulden von einem Viertel aufgehende Reaktionsverzögerung zur Last zu legen sei. Doch habe er nicht gegen den "allein von Seiten der viert- und fünftbeklagten Partei erhobenen Vorwurf" verstoßen, die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h nicht eingehalten zu haben, weil der Geltungsbereich derselben bei der Einmündung der A 10 in die A 1 ende. Das Verschulden zwischen dem Kläger einerseits und dem Viertbeklagten sowie der fünftbeklagten Partei andererseits sei somit im Verhältnis von 1 : 3 zugunsten des Klägers zu teilen. Da aber das Verfahren nicht nur in Ansehung der Gegenforderung, sondern auch hinsichtlich der Klageforderung der Höhe nach noch nicht spruchreif sei und wegen des rechtlichen Zusammenhanges zwischen Klags- und Gegenforderung auch ein Teilurteil nicht erlassen werden könne, sei das Ersturteil zur Gänze aufzuheben gewesen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs des Viertbeklagten und der fünftbeklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und davon auszugehen, daß die zulässige Geschwindigkeit im Unfallsbereich nur 80 km/h betragen habe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt:

Der Viertbeklagte und die fünftbeklagte Partei stellen in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen, daß die auf der A 10 geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h auch für die A 1 gegolten habe. Dies hat aber schon das Berufungsgericht überzeugend widerlegt. Wie der VwGH mehrfach ausgesprochen hat, steht das Verbotszeichen nach § 52 Z 10 a StVO immer in der betreffenden Fahrtrichtung in Beziehung zu einem bestimmten Straßenzug. Soll eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung in davon abzweigende, also in andere Straßenzüge als jene, für die die Geschwindigkeitsbeschränkung kundgemacht wurde, hinausreichen, muß dies durch die Anbringung entsprechender Straßenverkehrszeichen zum Ausdruck kommen (vgl VwGH 12. 11. 1982, 82/02/0151; VwGH 31. 5. 1985, 85/18/0255). Dieser Grundsatz ergibt sich auch eindeutig aus der Bestimmung des § 51 Abs 5 StVO, wonach Verkehrsbeschränkungen, die in der anderen Straße Geltung haben, durch betreffende in der einmündenden Straße aufgestellte Vorschriftszeichen mit einer Zusatztafel mit Pfeilen angezeigt werden können. Diese fakultative Anordnung wäre systemwidrig, wenn die in der einmündenden Straße angeordnete Verkehrsbeschränkung ohnedies auch in jenem Straßenzug maßgeblich wäre, in den die Straße einmündet; auf die im aufnehmenden Straßenzug geltende Verkehrsbeschränkungen kann demnach, muß aber nicht entsprechend § 51 Abs 5 StVO hingewiesen werden; dies ändert jedoch nichts daran, daß dort nicht die in der einmündenden Straße geltenden Verkehrsbeschränkungen maßgeblich sind.

Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht gefolgt werden, daß der Viertbeklagte und die fünftbeklagte Partei dem Kläger nur einen Verstoß gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A 1 angelastet hätten. Diese Auffassung der genannten Beklagten ist lediglich eine rechtliche (unrichtige), jedoch insoweit belanglose Qualifizierung der diesem grundsätzlich zum Vorwurf gemachten zu schnellen Fahrweise "von mehr als 130 km/h" (AS 12). Der Kläger gibt selbst zu, mit einer für die Sichtverhältnisse etwas überhöhten Geschwindigkeit gefahren zu sein (AS 161); dies hat auch das Erstgericht festgestellt (S 10 des Ersturteils) und in seine rechtliche, insoweit vom Berufungsgericht übernommene Beurteilung aufgenommen, daß der Kläger auch "nicht sofort reagiert" habe. Eine nähere Umschreibung der verkehrswidrigen Verhaltensweise des Klägers vermochte das Erstgericht nicht zu erheben. Das festgestellte Unfallsgeschehen in seiner Gesamtheit zeigt jedoch sowohl auf Seite des nicht auf Sicht fahrenden Klägers als auch auf jener des beträchtlich verspätet reagierenden Viertbeklagten ein hohes Maß an übereinstimmender Unaufmerksamkeit und Sorglosigkeit gegenüber dem Verkehrsgeschehen, weshalb der erkennende Senat eine Verschuldensteilung zwischen diesen von 1 : 1 für gerechtfertigt erachtet.

Das Berufungsgericht hat unbekämpft die Verfahrens- und Rechtsmängel aufgezeigt, die dem Erstgericht bei der Feststellung der Schadenshöhe in Anbetracht der Klage- und Gegenforderung unterlaufen sind. Zur Behebung dieser Mängel hat es somit bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Aufhebung des Ersturteils zu verbleiben. Bei der neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im zweiten Rechtsgang wird jedoch von einer Verschuldensteilung von 1 : 1 zwischen dem Kläger und dem Viertbeklagten sowie der fünftbeklagten Partei auszugehen sein.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E27355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00047.91.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19911009_OGH0002_0020OB00047_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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