TE OGH 1991/10/9 1Ob601/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Kodek, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Andreas S*****, infolge Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt Wien namens des Minderjährigen als dessen Sachwalter gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 1991, GZ 44 R 600/91-148, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 3. Juni 1991, GZ 6 P 1353/82-142, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Ausspruch über die Einbehaltung des Übergenusses in monatlichen Raten von S 300,-- ersatzlos aufgehoben wird.

Text

Begründung:

Das Erstgericht setzte die dem Minderjährigen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 und § 18 UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse rückwirkend vom 1. Jänner 1990 an von monatlich S 1.700,-- auf S 1.300,-- herab und ordnete, ohne diesen Ausspruch jedoch zu begründen, die Einbehaltung des Übergenusses in monatlichen Raten a S 300,-- an.

Das Rekursgericht bestätigte diesen allein angefochtenen Ausspruch über die Einbehaltung des Übergenusses und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Einbehaltung von zu Unrecht ausbezahlten Beträgen gemäß § 19 Abs. 1 UVG sei nicht zwingend vorgeschrieben. Vielmehr sei eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Einbehaltung von Übergenüssen nur dann anzuordnen, wenn die herabgesetzten Unterhaltsvorschüsse nicht wesentlich unter dem Regelbedarf lägen. Der Minderjährige verfüge unter Bedachtnahme auf seine Lehrlingsentschädigung einschließlich der Sonderzahlungen über einen für seinen Unterhalt heranzuziehenden monatlichen Betrag von rund S 5.000,--, sodaß die Befriedigung seiner notwendigen Bedürfnisse durch die angeordnete Einbehaltung nicht gefährdet erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Magistrat der Stadt Wien namens des Minderjährigen als dessen Sachwalter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht den Sachverhalt in aktenwidriger Weise verbreitert hat, und auch berechtigt.

Zutreffend verweist der Rechtsmittelwerber darauf, daß er keine Lehrlingsentschädigung beziehe; das Gericht zweiter Instanz habe ihn diesfalls vielmehr mit seinem Bruder Robert (geboren am 8. Jänner 1974) verwechselt. Dem Akt kann auch in der Tat nicht entnommen werden, daß der mj. Andreas in einem Lehrverhältnis stünde und daraus eine Lehrlingsentschädigung bezöge. Es ist deshalb davon auszugehen, daß dem Minderjährigen lediglich die Mittel aus den (herabgesetzten) Unterhaltsvorschüssen in monatlicher Höhe von S 1.300,-- zur Verfügung stehen.

Gemäß § 19 Abs. 1 UVG hat das Gericht zugleich mit der - infolge Herabsetzung des Unterhaltsbetrages einhergehenden - Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes die Einbehaltung zu Unrecht ausgezahlter Beträge - soweit notwendig in Teilbeträgen - von künftig fällig werdenden Vorschüssen anzuordnen.

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen (1 Ob 606/90), daß das Gesetz als einzigen Bemessungsfaktor für die Einbehaltungsentscheidung die "Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes" vorsieht; weder der Tatsache des Verbrauches der Übergenüsse für den Unterhalt des Kindes noch der Frage der Gut- oder Schlechtgläubigkeit beim Empfang oder Verbrauch der Übergenüsse kommen für diese Entscheidung Bedeutung zu. Die Bestimmung des § 19 Abs. 1 UVG kann daher nur so verstanden werden, daß vom Unterhaltsvorschuß zumindest vorübergehend Beträge dann einbehalten werden dürfen, wenn dem Kind nach deren Abrechnung ein für seine ungefährdete Versorgung ausreichender Betrag in Form der verminderten Unterhaltsvorschüsse verbleibt. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb keine Rede sein, weil selbst die nicht reduzierten Unterhaltsvorschüsse (monatlich S 1.300,--) hinter dem Regelbedarf des Minderjährigen (monatlich mehr als S 3.500,--) ganz wesentlich zurückbleiben. Eine weitere Verringerung der dem Minderjährigen zur Verfügung gestellten Mittel ließe die Bedürfnisse des Kindes gänzlich außer acht. Durch die vom Erstgericht - ohne jede

Begründung - angeordnete Einbehaltung erschiene die Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten umso mehr gefährdet, was vom Gericht zweiter Instanz nur infolge aktenwidriger Annahme einer Lehrlingsentschädigung verneint wurde.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen ist daher die Anordnung über die Einbehaltung von Übergenüssen in monatlichen Raten a S 300,-- ersatzlos zu beheben.

Anmerkung

E27328

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00601.91.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19911009_OGH0002_0010OB00601_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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