TE OGH 1991/10/9 11Os107/91 (11Os108/91)

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard L***** und Stefan S***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.Juni 1991, GZ 20 j Vr 2059/91-51, sowie die Beschwerde des Angeklagten Reinhard L***** gegen den Widerrufsbeschluß des genannten Gerichtes vom 28. Juni 1991, GZ 20 j Vr 2059/91-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokuratur, des Generalanwaltes Dr. Strasser und der Verteidiger Dr. Mayer und Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen und der Beschwerde des Angeklagten Reinhard L***** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 27.April 1956 geborene Reinhard L***** und der am 20.April 1962 geborene Stefan S***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Reinhard L***** zu sechs Jahren und Stefan S***** zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Schuldspruchs haben sie am 21.Februar 1991 in Wien als Mittäter dadurch, daß Stefan S***** dem Ernst E***** ein Messer am Hals ansetzte und ihm in der Folge mehrmals Stiche gegen den Rücken, die Schulter und die Hand versetzte, während Reinhard L***** die Herausgabe von Suchtgift forderte und den Ernst E***** in die Nase biß, mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe Ernst E***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Gegen den Schuldspruch richten sich die jeweils auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die - ebenso wie die Staatsanwaltschaft - den Strafausspruch mit Berufung bekämpfen. Reinhard L***** beschwert sich überdies gegen den gemäß dem § 494 a Abs. 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Widerrufsbeschluß.

Rechtliche Beurteilung

I. Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Wenn beide Beschwerdeführer unter dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO den in der (gemäß dem § 321 Abs. 2 StPO den Geschwornen erteilten) schriftlichen Rechtsbelehrung (siehe deren S 15) enthaltenen nochmaligen Hinweis auf die Möglichkeit einer nur teilweisen Bejahung von Fragen als "unrichtig" bekämpfen, ist ihr diesbezügliches Vorbringen unbegründet. Sie lassen hiebei die unter Punkt 3.b) der "Allgemeinen Rechtsbelehrung für die Geschwornen" (§ 325 Abs. 2 StPO) im Anschluß an den Auftrag, über jede Frage mit "Ja" oder "Nein" abzustimmen, gegebene Aufklärung unberücksichtigt, daß es den Geschwornen auch gestattet sei, eine Frage nur teilweise zu bejahen, in welchem Fall die Beschränkung kurz beizufügen wäre (vgl. die letzten drei Zeilen auf S 1 des den Geschwornen übergebenen Formblattes RMB 1, auf die sich das Wort "nochmals" bezieht). Diese Aufklärung stimmt wörtlich mit dem Inhalt des - in dieser Belehrung ausdrücklich

zitierten - § 330 Abs. 2 StPO überein. Die von der Beschwerde behauptete Verletzung der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften liegt daher nicht vor.

Gemäß dem § 317 Abs. 2 StPO lag es im Ermessen des Schwurgerichtshofes, in die Hauptfrage wegen Raubes auch die Qualifikation der Verwendung einer Waffe, vorliegend des Messers (§ 143 zweiter Fall StGB), aufzunehmen. Entsprechend der erwähnten Belehrung stand den Geschwornen, falls sie in subjektiver Beziehung die Beteiligung des Angeklagten Reinhard L***** an der Verwendung der vom Angeklagten S***** zum Einsatz gebrachten Waffe hätten verneinen wollen, die Möglichkeit offen, bei Bejahung der Hauptfrage 1 die Qualifikation der Verwendung einer Waffe auszuschalten. Der Beschwerde des Angeklagten L***** zuwider war daher bei der Fragestellung eine Herausnahme der Waffenverwendung aus der Hauptfrage (§ 312 StPO) und die Stellung einer entsprechenden (uneigentlichen) Zusatzfrage

(§ 316 StPO) - nicht Eventualfrage nach § 314 StPO - entbehrlich (vgl. Mayerhofer-Rieder3 ENr. 8 zu § 316, ENr. 6 b zu § 317, ENr. 2 ff zu § 330 StPO uva).

Ebenfalls zu Unrecht reklamiert der Angeklagte Reinhard L***** die Stellung einer Zusatzfrage (§ 316 StPO) in Richtung des sogenannten "minderschweren Raubes" nach dem § 142 Abs. 2 StGB. Ein die Voraussetzungen dieser Deliktsprivilegierung begründendes Tatsachensubstrat ist den gesamten Verfahrensergebnissen (§§ 313, 314, 316 StPO) nicht zu entnehmen. Nach Lage des Falles kann nicht gesagt werden, daß der Raub von Reinhard L***** - selbst bei Wegfall seiner Beteiligung an der Verwendung einer Waffe iS des § 143 StGB - ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes verübt worden wäre und solcherart nur Bagatellcharakter gehabt hätte. Der Biß in die Nase des Opfers, mag daraus auch nur eine oberflächliche Verletzung entstanden sein, war jedenfalls so nachhaltig, daß die Erheblichkeitsschwelle überschritten wurde. Auch der Wert der Beute liegt mit ca. 1.000 bis 1.500 S (S 82 iVm S 354 dA) schon jenseits der Geringwertigkeitsgrenze (JBl. 1990, 55, 805; EvBl. 1991/33 uva).

Schließlich erweist sich auch der von beiden Beschwerdeführern übereinstimmend erhobene Vorwurf als nicht stichhältig, der Schwurgerichtshof wäre zur Stellung einer Eventualfrage (§ 314 StPO) nach dem Vergehen der Nötigung gemäß dem § 105 StGB verpflichtet gewesen, weil der Angeklagte S***** seiner Verantwortung zufolge von Ernst E***** zuvor durch den Verkauf von Kokain schlechter Qualität gesundheitlich geschädigt worden sei, weshalb es ihm im Hinblick auf eine zur Tatzeit bestehende Schadenersatzforderung am Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung gemangelt hätte.

Abgesehen davon, daß mit diesem Einwand für den Angeklagten L***** schon deshalb nichts gewonnen wäre, weil er seiner Darstellung zufolge durch den Angeklagten S***** von der erwähnten "Vorgeschichte" erst nach der Tat informiert worden sein soll, ergibt sich auch aus der Verantwortung des Angeklagten S***** kein Tatsachenvorbringen, das bei seinem Zutreffen eine (auch nur irrtümliche) Annahme eines fälligen Anspruchs dieses Angeklagten gegen das Opfer in den näheren Bereich der Möglichkeit hätte rücken können. S***** hat sich in der Hauptverhandlung der Körperverletzung und der Nötigung, letzterer aber nur deshalb schuldig bekannt, weil er E***** gehalten und ihn damit am Aussteigen gehindert hätte. Auch nach dem Inhalt der in der Beschwerde angeführten Passagen seiner Einlassungen hat dieser Angeklagte keine Verteidigungsvariante gewählt, die auf sein Bewußtsein irgendeines vermögenswerten Anspruches gegen das Opfer zur Tatzeit hindeuten würde, sondern ausdrücklich erklärt, er hätte durch E***** "keinen finanziellen Schaden erlitten" und mit ihm nur gerauft, weil er wegen der schlechten Qualität des seinerzeit konsumierten Suchtgiftes, das sein Freund von E***** gekauft hätte, zornig gewesen sei (S 318 dA). Dem Vorbringen des Angeklagten S***** ist demnach lediglich zu entnehmen, daß die durch den Genuß des angeblich minderwertigen und gesundheitsschädlichen Suchtgiftes hervorgerufenen gesundheitlichen Nachteile Tatmotiv nach Art einer "Rache" waren; es ergeben sich daraus aber keine vom Täterbewußtsein erfaßten Umstände, die den Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung in Frage zu stellen geeignet gewesen wären. Die in der Beschwerde der Sache nach behauptete bloße Denkmöglichkeit eines aus dem Vorbringen in der Hauptverhandlung nicht zu erschließenden Tätervorsatzes verpflichtet aber nicht zur Stellung einer Eventualfrage (vgl. Mayerhofer-Rieder3 ENr. 16 ff zu § 314 StPO ua).

Aus diesen Erwägungen waren beide Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

II. Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht hat bei dem Angeklagten Reinhard L***** als erschwerend seine einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall nach Haftentlassung sowie die Verletzung des Opfers, als mildernd hingegen den Umstand gewertet, daß es beim Versuch geblieben ist sowie, daß sich die Tat im Suchtgiftmilieu zugetragen hat. Beim Angeklagten Stefan S***** nahm es seine einschlägigen Vorstrafen, die Begehung der Tat während der Flucht aus dem Strafvollzug und die Verletzung des Opfers als erschwerend an, während es die gleichen Milderungsgründe berücksichtigte wie beim Angeklagten Reinhard L*****.

Das von beiden Angeklagten in ihren Berufungen zusätzlich als mildernd reklamierte Geständnis liegt in der Bedeutung des § 34 Z 17 StGB nach der Aktenlage nicht vor. Der Hinweis auf die eigene Drogenabhängigkeit vermag ebenfalls keinen Milderungsgrund darzutun (siehe Leukauf-Steininger, StGB2, RN 29 zu § 34). Den Umstand, daß sich die Tat im Suchtgiftmilieu ereignete, hat das Erstgericht mit allen Auswirkungen ausdrücklich in seine strafzumessenden Überlegungen einbezogen. Die Bedeutung des relativ geringen Schadens bleibt angesichts der Qualifikation zum schweren Raub ohne wesentliche Auswirkung auf die Strafzumessung. Entgegen dem Berufungsvorbringen des Angeklagten S***** konnte das Erstgericht mit Recht auch aus der Tatbegehung nach Flucht aus dem Strafvollzug auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder doch gleichgültige Einstellung dieses Angeklagten (§ 32 Abs. 2 StGB) schließen.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist gleichfalls nicht im Recht. Daß der Angeklagte Reinhard L***** die Tat während der Probezeit begangen hat, führte zu dem noch zu erörternden Widerrufsbeschluß, stellt aber keinen Erschwerungsgrund dar (Foregger-Serini StGB4, Erl. II Z 1 zu § 33).

Auch unter Berücksichtigung des Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB erweisen sich die vom Geschwornengericht ausgemessenen Freiheitsstrafen als tatschuldadäquat und präventiven Erfordernissen entsprechend. Zu ihrer Veränderung besteht in keiner Richtung Anlaß.

III. Zur Beschwerde:

Die Beschwerde des Reinhard L***** gegen den Beschluß auf Widerruf der bedingten Nachsicht eines Strafteiles von fünf Monaten im Verfahren AZ 5 a Vr 4171/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist schließlich ebenfalls nicht berechtigt. Angesichts des äußerst massiven Rückfalls während der Probezeit bedarf es zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung auch des Vollzuges des bedingt nachgesehenen Strafteils, so daß der angefochtene Beschluß der Sach- und Rechtslage entspricht.

Aus all diesen Erwägungen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Anmerkung

E26960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00107.91.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19911009_OGH0002_0110OS00107_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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