Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) W*****anstalt, ***** 2.) P*****KG, *****, 3.) Franz Sch*****, alle vertreten durch Dr.Barbara Rummelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 186.132 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12.Juni 1991, GZ 18 R 95/91-72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 6.September 1990, GZ 33 Cg 802/87-52, bestätigt wurde (Streitwert im Revisionsverfahren S 177.598,90 sA), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich ihres rechtskräftig gewordenen (abweisenden) Teiles zur Gänze wie folgt zu lauten hat:
"1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 118.399,27 samt 4 % Zinsen seit 5.2.1986 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 67.732,73 samt 4 % Zinsen seit 5.2.1986 zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den mit S 24.286,08 bestimmten Prozeßkostenanteil binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den mit S 12.095,97 bestimmten Anteil der Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 17.10.1983 bestellte die U***** Ltd, England, bei der Österreichischen U***** GmbH verschiedene Körperpflegemittel, deren Auslieferung in Teilen erfolgen sollte. Der Verkauf war "ab Werk" vereinbart; die Verkäuferin sollte den Transport, die Versicherung und die Abfertigung bis zum Lagerhaus St***** veranlassen, wobei die Selbstkosten zu Lasten der Käuferin gehen sollten. Die Verkäuferin deckte die Transportversicherung im Rahmen eines bei der Klägerin bestehenden Transportversicherungsvertrages ein. Aufgrund dieser Bestellung übergab die Österreichische U***** GmbH im Jänner 1984 17.640 Dosen mit Körperpflegemittel in 490 Kartons der T***** GmbH mit dem Auftrag, diese Ware zur Käuferin zu transportieren. Den Transport führte der Fahrer Norbert St***** mit einem LKW-Zug am
8. und 9.2.1984 durch. Am 9.2.1984 fuhr dieser LKW-Zug in der Bundesrepublik Deutschland auf der Bundesstraße 12 bei km 18,5 auf einen auf der Fahrbahn liegenden Unterlagskeil, den der Fahrer im Dunkeln nicht erkannt hatte, auf. Dadurch wurde der LKW vorne hochgeschleudert, wobei der rechte Vorderreifen zerschlagen wurde; der LKW-Zug kam sodann rechts auf das Bankett, durchschlug die Leitplanke und stürzte - sich zweimal überschlagend - über eine 10 m hohe Böschung ab. Bei diesem Unfall wurde die von der Österreichischen U***** GmbH stammende Ware im Wert von
S 177.598,90 zerstört.
Im Unfallszeitpunkt war die Fahrbahn naß. Norbert St***** hielt eine Geschwindigkeit von ca 75 km/h ein; die gemäß § 3 Abs 3 Z 2 lit b dStVO zulässige Höchstgeschwindigkeit für dieses Fahrzeug hätte 60 km/h betragen. Der auf der Fahrbahn liegende Unterlagskeil war nicht durch Schneebrocken verdeckt; er konnte auf 50 m Entfernung erkannt werden.
Den Unterlagskeil hatte der vom Drittbeklagten gelenkte, der Zweitbeklagten gehörende und bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherte LKW-Zug, der unmittelbar vor Norbert St***** die Unfallstelle passiert hatte, verloren. Am Zugwagen waren vier Unterlagskeile angebracht. Jeder Keil wird mit seinem Bügel an einem Haken aufgehängt und mit einer ca 3 m langen Kette gesichert. Der Keil war vor dem Vorfall nicht so aufgehängt worden, daß er nicht von dem am Fahrzeug befindlichen Haken abgefallen wäre. Ein technisches Gebrechen wurde nicht als Unfallsursache festgestellt. Vor dem Antreten der Fahrt - zunächst in Wels und nach einer Fahrtunterbrecheng an der Grenze - hatte der Drittbeklagte zwar die Beleuchtung und Bereifung des LKW-Zuges, nicht aber die Aufhängung der Unterlagskeile kontrolliert. Der Drittbeklagte hat den Verlust des Unterlagskeiles nicht bemerkt.
Die Klägerin zahlte als Transportversicherer der Österreichischen U***** GmbH aus Anlaß dieses Schadensfalles S 211.750. Die zerstörte Ware konnte an die Käuferin nicht ausgeliefert werden. Die Käuferin zahlte daher die Warenrechnung der Österreichischen U***** GmbH vom 18.1.1984 nicht.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten zuletzt (ON 19) die Zahlung von S 196.253 samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Zustellung der Klage. Sie habe als Transportversicherer an die Österreichische U***** GmbH den für die Schadensgutmachung erforderlichen Betrag gezahlt. Die Schadenersatzforderung der Österreichischen U***** GmbH gegen die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Haftpflichtversicherer, Fahrzeughalter und verantwortlicher Kraftfahrer sowohl im Sinne des ABGB als auch des EKHG sei daher auf sie übergegangen. Das Verschulden des Drittbeklagten bestehe darin, daß er vor Antritt der Fahrt die Aufhängung der Unterlagskeile nicht kontrolliert habe. Die Gefahr hinsichtlich des beförderten Gutes sei erst mit dem Einlangen der Ware auf das Schiff auf die Käuferin übergegangen. Im übrigen aber habe die Verkäuferin den Kaufpreis nicht erhalten; diese sei daher die durch den Untergang der beförderten Sachen geschädigte Person anzusehen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Der Unterlagskeil sei ohne Verschulden des Drittbeklagten - entweder durch Diebstahl oder durch ein technisches Gebrechen - abhanden gekommen. Mangels Verschuldens hafte der Drittbeklagte nicht für den eingetretenen Schaden. Halter und Haftpflichtversicherer hafteten daher nur nach dem EKHG. Diese Haftung würde aber durch das Verschulden des Fahrers des Frachtführers verdrängt. Zumindest aber sei dieser wegen der Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit und wegen Unaufmerksamkeit an dem Verkehrsunfall zu 3/4 mitschuldig. Das Mitverschulden des Lenkers des Transportfahrzeuges sei "in Anschlag zu bringen". Die zerstörte Ware sei überdies nicht mehr im Eigentum der Österreichischen U***** GmbH gestanden. Die Klägerin sei somit zur Klage nicht legitimiert.
Ein Teilanspruch von S 10.021 wurde im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen.
Das Erstgericht wies mit Endurteil das restliche Begehren von S 186.232 samt 4 % Zinsen seit 5.2.1986 ab. Die Verkäuferin habe die verkaufte und später bei einem Unfall zerstörte Ware nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versandt. Beim Versendungskauf gehe nach dem gemäß § 36 IPRG anzuwendenden Art 8 Nr 20 der 4.EVzHGB die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Auslieferung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Gehe die Sache aber nach diesem Zeitpunkt unter, dann sei durch diesen Untergang nicht der Verkäufer, sondern der Käufer der Ware geschädigt; der Verkäufer habe ungeachtet dieses Unterganges der Ware Anspruch auf den Kaufpreis gegenüber dem Käufer. Da somit die Österreichische U***** GmbH keinen Schaden erlitten habe, habe auch kein Schadenersatzanspruch dieses Unternehmens auf die Klägerin übergehen können. Eine andere als die gesetzliche Gefahrtragung sei von den Parteien des Kaufvertrages nicht vereinbart worden.
Das Berufungsgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 177.598,90 samt 4 % Zinsen seit 5.2.1986 zu zahlen; das Mehrbegehren von S 8.533,10 sA wies es hingegen ab. Ferner sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revision zulässig sei. Die Frage, ob die Gefahr hinsichtlich des Kaufgegenstandes schon vor dem Eigentumsübergang auf die Käuferin übergegangen sei, sei für den Schadenersatz bei abstrakter Schadensberechnung bedeutungslos. Sei nur der wirkliche Schaden zu ersetzen, so sei der gemeine Wert der Sache zur Zeit der Beschädigung für die Höhe des Ersatzes bestimmend. Die Beziehung des Verletzten zu einem Dritten, die letzterem die Gefahrtragung aufbürde, bleibe dabei unberücksichtigt. Somit sei der Schadenersatzanspruch der Österreichischen U***** GmbH auf die Klägerin zufolge Leistung einer Entschädigungszahlung übergegangen.
Sowohl der Drittbeklagte als auch Norbert St*****, der das Fahrzeug mit dem beförderten Gut gelenkt habe, hätten Bedingungen für den Eintritt des Schadens gesetzt. Der Drittbeklagte habe dadurch, daß er den in Verlust geratenen Unterlagskeil nicht ordnungsgemäß gesichert und den sicheren Sitz nicht überprüft habe, Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB verletzt. Als solche kämen nach Art 7 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht § 41 Abs 14 der deutschen Straßenverkehrszulassungsordnung und § 23 dStVO in Frage. Das Zugfahrzeug sei wegen seines Gewichtes mit Unterlagskeilen für die Räder auszurüsten gewesen. Fehle ein Keil, so sei das Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ausgerüstet. Werde der Unterlagskeil unter dem Fahrzeug angebracht, so sei eine feste Anbringung erforderlich, damit er nicht verloren gehen könne. Der Fahrzeugführer müsse dafür sorgen, daß das Fahrzeug vorschriftsmäßig ist. Unabhängig davon, welches Mitverschulden den Lenker des auf den Unterlagskeil auffahrenden Fahrzeuges treffe, hafte der Drittbeklagte für den eingetretenen Schaden als Solidarschuldner gemäß § 1302 ABGB für den gesamten Schaden. Die Zweitbeklagte habe als Halterin des vom Drittbeklagten gelenkten Fahrzeuges für das Verschulden ihres Fahrers einzustehen. Die Erstbeklagte hafte als Haftpflichtversicherer gemäß § 63 KFG für das Verschulden des Fahrers. Auf Haftungsgrenzen des EKHG komme es daher nicht an. Mit Rücksicht darauf, daß nur der gemeine Wert der beschädigten Sache zu ersetzen sei, umfasse der Schadenersatzanspruch nicht auch den Gewinn, denn die Geschädigte beim Verkauf erzielt hätte.
Die gegen den stattgebenden Teil dieses Urteiles von den Beklagten erhobene Revision ist im Ergebnis teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Den Ausführungen in der Revision, Gefahr und Eigentum seien bereits mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer auf den Erwerber übergegangen, die Österreichische U***** GmbH habe durch die darnach erfolgte Zerstörung der Ware keinen Schaden erlitten, sodaß auch kein Schadenersatzanspruch auf die Klägerin habe übergehen können, kann allerdings nicht beigepflichtet werden:
Auszugehen ist zunächst davon, daß der im Jahr 1983 zwischen der österreichischen Verkäuferin und der englischen Käuferin geschlossene Kaufvertrag mangels Rechtswahl durch die Kaufvertragsparteien gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen ist. Ein vom Sitz der Lieferantin abweichender Erfüllungsort wurde nicht vereinbart; die U***** Ltd kaufte die Körperpflegemittel von der Österreichischen U***** GmbH "ab Werk". Die Parteien des Kaufvertrages vereinbarten, daß die Verkäuferin Transport, Versicherung und Abfertigung bis Lagerhaus St***** zu veranlassen hat, wobei die damit verbundenen Selbstkosten zu Lasten der Käuferin gingen. Es lag daher eine Schickschuld vor. Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Ware nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat (Art 8 Nr 20 4.EVzHGB). Die Frage, in welchem Augenblick bei einem Versendungskauf Eigentum auf den Käufer übergeht, ist in Art 8 Nr 20 4.EVzHGB nicht geregelt; dazu gilt auch für den handelsrechtlichen Versendungskauf § 429 (iVm § 425) ABGB. Darnach tritt Besitz-(Eigentums-)übergang faktisch in aller Regel schon mit der Übergabe der Ware zum Transport ein, wenn eine übliche Transportart gewählt wurde (Kramer in Straube, HGB Rz 3 zu Art 8 Nr 20 mit Judikaturhinweisen). Wird die reisende Kaufsache durch Dritte geschädigt, kann der Käufer den Schaden selber geltend machen (Kramer aaO mit Berufung auf Bydlinski in Klang2 IV/2, 142). Schließt in einem solchen Fall der Verkäufer die Transportversicherung ab, dann liegt eine Versicherung für fremde Rechnung vor, gleichgültig ob die Person des Versicherten dem Versicherer bekannt wird oder nicht (§ 74 Abs 1 VersVG). Leistet der Versicherer bei der Versicherung auf fremde Rechnung Zahlungen an den Versicherungsnehmer, dann geht die Schadenersatzforderung des Versicherten auf den Versicherer über (so in stRSp BGH in BGHZ 26, 133; BGHZ 30, 40; BGHZ 33, 97; VersR 1985, 753; Prölss-Martin, VVG24, 450). Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Das VersVG spricht, abgesehen von den Sonderbestimmungen für die Fremdversicherung (§§ 74 ff VersVG), regelmäßig nur vom Versicherungsnehmer, meint aber damit für den Fall, daß eine Fremdversicherung vorliegt, vielfach auch den Versicherten, ohne diese nach dem Inhalt der betreffenden Vorschrift meist selbstverständliche Folge noch besonders hervorzuheben; soweit es sich nicht gerade um solche Rechte und Pflichten handelt, die schon ihrer Natur nach nur von den Vertragsparteien wahrgenommen werden können, ist der Versicherte dem Versicherungsnehmer weitgehend gleichgestellt (BGHZ 26, 133). Da bei der Fremdversicherung der Versicherungsanspruch dem Versicherten zusteht (§ 75 VersVG) würde dann, wenn er nach Entschädigung durch den Versicherer weiter seinen Anspruch gegen den Schädiger behielte, gerade der Erfolg eintreten, den § 67 VersVG verhindern will; deshalb tritt bei § 67 VersVG im Falle der Fremdversicherung der Versicherte an die Stelle des Versicherungsnehmers, derart, daß sein Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergeht (BGHZ 33, 97 mit Berufung ua auf Ehrenzweig, Deutsches (Österreichisches) Versicherungsvertragsrecht 291).
War aber die Verkäuferin im Zeitpunkt der Zerstörung der verkauften Ware noch deren Eigentümerin und war bloß die Gefahr auf die Käuferin übergegangen (s dazu über den internationalen Versendungskauf EvBl 1990/34), dann kann die Verkäuferin bei der hier anzuwendenden objektiv-abstrakten Schadensberechnung den gemeinen Wert der zerstörten Sache begehren (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 277). Der Oberste Gerichtshof hat dazu - abgehend von der in SZ 45/18 vertretenen Auffassung - im Anschluß an Bydlinski in Klang2 IV/2, 554 -, ausgesprochen, daß in Fällen bloßer Schadensverlagerung sowohl Käufer als auch Verkäufer durch die Zerstörung der noch nicht ins Eigentum des Käufers übergegangenen Sache "unmittelbar geschädigt" und daher zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Schädiger berechtigt sind, wobei der Schädiger allerdings nur einmal leisten muß (SZ 51/164; SZ 52/63). Auch dann also, wenn die Verkäuferin noch Eigentümerin der Ware gewesen sein sollte, die Käuferin aber bereits die Gefahr trug, konnte die Klägerin durch die Zahlung des Transportschadens an die Verkäuferin einen Schadenersatzanspruch gegen den dritten Schädiger erwerben.
Daß sowohl in Österreich als auch nach dem gemäß Art 7 des Übereinkommens vom 4.5.1971, BGBl 1975/37 über das auf Straßenverkekrsunfälle anzuwendende Recht (Haager Straßenverkehrsübereinkommen) maßgebenden deutschen Recht Schutzvorschriften bestehen, wonach der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen darf, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, und daß dazu bei Fahrzeugen ab einem bestimmten höheren Gewicht auch die Prüfung der sicheren Aufhängung vorgeschriebener Unterhaltskeile gehört, zieht die Revision nicht mehr in Zweifel. Die Beklagten meinen lediglich, daß eine eingehende Prüfung der Keile nicht zumutbar gewesen sei, weil der Mangel nur durch eine umständliche Prüfung hätte entdeckt werden können. Damit gehen die Revisionswerber aber nicht von den maßgebenden Feststellungen aus. Der Drittbeklagte hat die Unterlagskeile vor Antritt der Fahrt überhaupt nicht kontrolliert. Ursache des Verlustes eines dieser Keile war kein technisches Gebrechen (Materialfehler), welches nur durch eine aufwendige Prüfung hätte erkannt werden können; der abhanden gekommene Unterlagskeil war vielmehr nicht so aufgehängt, daß er nicht hätte herunterfallen können. Die nicht ausreichend sichere Aufhängung aber hätte bei einer Prüfung erkannt werden können, wenn sie vorgenommen worden wäre. Der Drittbeklagte hat daher die Übertretung einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB zu verantworten; die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte haften daher - wie er - nach den Schadenersatzregeln des bürgerlichen Rechts zur ungeteilten Hand für den eingetretenen Schaden. Die Überlegungen in der Revision, wonach die Halterhaftung der Zweitbeklagten wegen des Verschuldens des Fahrers des Frachtführerfahrzeuges zur Gänze entfalle, gehen demnach ins Leere.
Die Beklagten haben allerdings schon in erster Instanz auf das (Mit-)Verschulden des Fahrers des Frachtführerfahrzeuges hingewiesen und dieses Vorbringen durch den Hinweis in den vorstehenden Ausführungen auch noch zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht. Daher ist die Frage zu prüfen, ob die Klägerin, die die Schadenersatzforderung des Geschädigten erworben hat, im Rahmen des § 1304 ABGB das Mitverschulden des Fahrers des Frachtführerfahrzeuges zu vertreten hat. Der Mitverschuldenseinwand muß nicht ausdrücklich erhoben werden; es genügt, wenn sich dem Vorbringen des Beklagten entnehmen läßt, daß damit ein Verschulden des Verletzten behauptet wird (EvBl 1962/248; SZ 60/190 uva). Auf die Frage, ob der Geschädigte das Verschulden des Fahrers des von ihm beauftragten Frachtführers bei der Verfolgung seiner Schadenersatzansprüche gegen einen dritten Schädiger (Unfallgegner) zu vertreten hat, ist aber - wenn eine gesetzmäßige Rechtsrüge vorliegt - im Zuge der Prüfung der Lösung der Rechtsfrage einzugehen, auch dann, wenn diese im bisherigen Verfahren nicht erörtert wurde (SZ 49/118; RZ 1969, 52 uva).
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch den Fahrer des Frachtführerfahrzeuges ein Verschulden an dem Unfall trifft. Norbert St***** hielt bei ungünstigen Sicht- (Dunkelheit) und Fahrbahnbedingungen (Nässe) eine zu hohe Geschwindigkeit ein und erkannte den auf der Fahrbahn liegenden Keil nicht, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit auf eine Entfernung von 50 m erkennbar gewesen wäre. Im österreichischen Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß sich der Geschädigte das Verschulden seines Gehilfen stets zurechnen lassen muß; dieser Grundsatz gilt auch außerhalb von Schuldverhältnissen (Koziol-Welser8 I 426 f, Koziol, Haftpflichtrecht2 I 248 ff; Mayrhofer, Schuldrecht I 309; Reischauer in Rummel, ABGB Rz 7 zu § 1304; Dullinger, Mitverschulden von Gehilfen, JBl 1990, 20 ff und 91 ff). Das wird überwiegend damit begründet, daß derjenige, der seine Güter einem Gehilfen anvertraut, ihm also die Wahrung seiner Interessen überträgt, stets insoweit das Risiko der Beschädigung durch den Gehilfen eingeht, als er bei dessen Zahlungsunfähigkeit oder Haftungsbefreiung den Schaden selbst tragen muß. Diese Risikoübernahme ist auch dann zu beachten, wenn nicht nur der Gehilfe, sondern auch ein Dritter eine conditio sine qua non für den Schaden gesetzt hat. Da er den Nutzen aus der Tätigkeit des Gehilfen zieht, ist dem Geschädigten auch eher als dem Dritten zuzumuten, einen durch den Gehilfen angerichteten Schaden zu tragen (Koziol aaO 250 f; Reischauer aaO). Dabei ist auch außerhalb von Schuldverhältnissen für die Zurechnung des Gehilfenverschuldens § 1313a ABGB entsprechend heranzuziehen (Koziol-Welser aaO 427; Koziol aaO 249; Reischauer aaO). Nach Dullinger (aaO 91 ff insbes 93) sind im Rahmen des § 1304 alle jene Personen als "Bewahrungsgehilfen" zurechenbar, die im Schädigungszeitpunkt mit Willen des Geschädigten zumindest partiell die Gewahrsame über dessen Rechtsgut ausübten oder deren sich der Geschädigte zur Wahrnehmung seiner vertraglichen Gläubigerobliegenheit bedient hat. Eine Rechtsprechung zur Frage, ob der Geschädigte dem deliktisch haftenden Dritten gegenüber für das Verschulden seines Gehilfen einzustehen hat, liegt nicht vor. Die Entscheidungen SZ 42/139 und JBl 1985, 748 betreffen Fälle, in denen der Kläger eine Vertragsverletzung zu verantworten hatte; in der Entscheidung ZVR 1965/65 wurde § 19 Abs 2 EKHG sinngemäß angewendet. Der erkennende Senat schließt sich der herrschenden Lehre an: Wurde eine Ware einem Frachtführer übergeben und bei einem Unfall, den ein Dritter und der Frachtführer mitverschuldet haben, zerstört, dann hat der geschädigten Eigentümer der Ware gegenüber dem schädigenden Dritten für das Verschulden des Frachtführers im Rahmen des § 1304 ABGB einzustehen.
Im vorliegenden Fall haben der Drittbeklagte und der Fahrer des Frachtfahrzeuges durch Mißachtung von Vorschriften, die der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, Bedingungen für den eingetretenen Schaden gesetzt. Das (einleitende) schuldhafte Verhalten des Drittbeklagten wiegt gegenüber der (geringfügigen) Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Fahrer des Frachtführerfahrzeuges und seinem Aufmerksamkeitsfehler bei der Beobachtung der Fahrbahn in bezug auf ein Hindernis, mit dem gewöhnlich nicht gerechnet werden muß, schwerer (vgl zu diesem Abwägungskriterium Reischauer in Rummel aaO Rz 5 zu § 1304); die Vorschriften über die Kontrolle eines Kraftfahrzeuges vor Antreten einer Fahrt dienen gerade dazu, den nicht verkehrssicheren Zustand von Kraftfahrzeugen als Unfallursache auszuschließen. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Verschuldensaufteilung im Verhältnis 2 : 1 zu lasten der Beklagten vorzunehmen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die Beklagten der Klägerin zwei Drittel des objektiven Wertes der zerstörten Ware, sohin S 118.399,27 zur ungeteilten Hand zu ersetzen haben; das Mehrbegehren hingegen war abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Im ersten Verfahrensabschnitt (bis einschließlich ON 17) ist die Klägerin mit 56 % ihres Anspruches durchgedrungen. Sie hat daher Anspruch auf Ersatz von 12 % der Kosten dieses Verfahrensabschnittes und von 56 % der darin zu entrichtenden Gerichtsgebühren (S 4.725,15 plus S 2.912). Im zweiten Verfahrensabschnitt (von ON 19 bis ON 39) beträgt die Quote des Obsiegens hingegen 60 %; daher hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz von 20 % der Kosten dieses Abschnitts und von 60 % der darin aufgelaufenen Sachverständigengebühren (S 6.289,70 plus S 5.100). Im dritten Verfahrensabschnitt hat die Klägerin mit 63 % obsiegt, sodaß ihr Kostenersatz im Ausmaß von 26 % gebührt (S 5.259,23).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich zusätzlich auf § 50 ZPO. Im Rechtsmittelverfahren beträgt die Quote des Obsieges der Klägerin 63 %, sodaß sie wie im dritten Verfahrensabschnitt Anspruch auf Ersatz von 26 % ihrer Kosten dieses Verfahrens hat; die Gerichtsgebühren dieses Abschnitts sind ihr jedoch im Ausmaß von 63 % zu ersetzen (S 7.055,97 plus S 5.040).
Anmerkung
E27529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00027.91.1010.000Dokumentnummer
JJT_19911010_OGH0002_0070OB00027_9100000_000