TE OGH 1991/10/10 8Ob657/90

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Veröffentlicht am 10.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Natalie B*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier und Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franz Otto G*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Beer und Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 104.207,30 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Mai 1990, GZ 1 R 36/90-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Oktober 1990, GZ 5 Cg 253/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (einschließlich S 1.131,60 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Pächter des im Hause E***** gelegenen und betriebenen Hotels "D*****". Die Eheleute Natalie und Albert B***** hatten im Erdgeschoß dieses Hauses Geschäftslokale und zwei hofseitige Werkstätten mit Nebenräumen gemietet; dort betrieben sie die Erzeugung und den Verkauf von Miedern. Sowohl die Eheleute B***** als auch der Beklagte hatten selbständige, voneinander unabhängige Bestandverträge mit den Eigentümern der Liegenschaft, Berta B***** und Theresia N*****, abgeschlossen. Da der Beklagte an einer Ausweitung seines Pachtvertrages interessiert war und die von den Eheleuten B***** gemieteten Räumlichkeiten gerne übernommen hätte und diese Mieter zufolge ihres hohen Alters auch geneigt waren, ihren Betrieb aufzugeben oder einem Nachfolger zu übergeben, kamen die Streitteile mit Vertrag vom 13. Februar 1973, Beilage./A, überein, daß die Eheleute B***** ihr Bestandobjekt mit Einverständnis der Hauseigentümer dem Beklagten übergeben. Der Beklagte sollte hiefür eine wertgesicherte monatliche "Leibrente" von S 2.000,-- bezahlen. In diesem Vertrag hieß es ua:

"I. ... In diesem Haus befindet sich das Hotel D*****, welches

Franz Otto G***** ... gemäß vorliegendem Pachtvertrag ... bis

31. Jänner 1983 unkündbar gepachtet hat. ...

Die Eheleute Albert und Natalie B***** erklären sich gegenüber Franz Otto G***** mit Zustimmung der Hauseigentümerinnen bereit, die ... Räumlichkeiten zum 31. Jänner 1973 zu räumen und geräumt zu übergeben. Die bezughabenden Räumlichkeiten werden vom Pachtvertrag zwischen Franz Otto G***** und Berta B***** bzw. Theresia N***** bereits umfaßt.

IV. Franz Otto G***** verpflichtet sich, als Gegenleistung für die Räume den Eheleuten Albert und Natalie B***** eine monatliche Entschädigung in Höhe von S 2.000,-- zu bezahlen.

V. Die monatliche Leibrente von S 2.000,-- ist wertgesichert zu entrichten ...

VI. Es besteht Einigkeit zwischen den Vertragsteilen, daß die monatliche Rente von S 2.000,-- auch bei Ableben eines der Eheleute Albert und Natalie B***** an den überlebenden Ehegatten in gleicher Höhe weiter zu bezahlen ist. Die Zahlungspflicht erlischt daher erst durch das Ableben beider Eheleute B*****."

Nachdem der Beklagte die Räume der Eheleute B***** übernommen hatte, erhöhte sich der von ihm an die Verpächter (Hauseigentümer) zu bezahlende Pachtzins um S 3.000,-- monatlich. In der Zeit vom 1. Jänner 1986 bis zum 31. Dezember 1988 zahlte der Beklagte die monatliche Leibrente von S 2.200,-- ohne Wertsicherung, und insgesamt somit lediglich S 79.200,--, obschon sich der Leibrentenbetrag auf Grund der vereinbarten Wertsicherung auf monatlich S 4.053,-- und ab Mai 1989 auf S 4.255,86 erhöht hatte. Natalie B***** ist am 16. September 1989, Albert B***** bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestorben.

Im vorliegenden Rechtsstreit beantragte die klagende Partei - die Parteienbezeichnung wurde nach dem Tode der Klägerin auf "Verlassenschaft nach Natalie B*****" umgestellt - nach Ausdehnung des Klagebegehrens, den Beklagten zur Zahlung von S 104.207,30 s.A. zu verurteilen. Es wurde vorgebracht, der Beklagte habe sich zum Ausgleich des mit der Aufgabe der gemieteten Räumlichkeiten verbundenen finanziellen Verlustes der bisherigen Mieter mit dem Vertrag vom 13. Februar 1973 verpflichtet, als Gegenleistung die wertgesicherte monatliche Leibrente zu zahlen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, er schulde der klagenden Partei nichts, weil die geltend gemachte Forderung gemäß § 27 Abs 1 Z 5 MRG den guten Sitten widerspreche. Derartige Ablösen seien auch nach dem Vorläufer des Mietrechtsgesetzes verboten gewesen. Da der Beklagte in Unkenntnis der Rechtslage Zahlungen geleistet habe, verlange er diese in voller Höhe zurück und wende diese Forderung "vorsichtshalber" bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klageforderung zu Recht und die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und gab der Klage vollinhaltlich statt. Zur Begründung verwies es in seiner Beweiswürdigung darauf, daß sich der festgestellte Sachverhalt auf Grund der im wesentlichen übereinstimmenden Angaben ergebe und der Vertragsinhalt vom Beklagten gar nicht bestritten worden sei. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus: Gemäß § 17 Abs 1 lit a MG und § 27 Abs 1 Z 1 MRG seien Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgebe oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem früheren Mieter etwas zu leisten habe, ungültig und verboten. Der Beklagte sei jedoch auf Grund seiner eigenen Angaben und dem Inhalt des Vertrages Beilage ./A nicht Mieter sondern Pächter des Objektes. Ab Übergabe der Räumlichkeiten der Eheleute B***** seien diese Räumlichkeiten vom Pachtvertrag umfaßt worden. Sowohl das Mietengesetz als auch das Mietrechtsgesetz stellten aber auf eine Leistungspflicht des neuen Mieters ab. Demgemäß sei eine Anwendung dieser Gesetzesstellen auf den vorliegenden Fall nicht möglich. Darüberhinaus sei darauf hinzuweisen, daß die Leibrente nicht als Gegenleistung für die bloße Tatsache der Räumung, sondern als Ausgleich für den durch die Räumung vom Ehepaar B***** erlittenen finanziellen Verlust zu verstehen sei. Durch die Aufgabe des Betriebes und die Überlassung der Räumlichkeiten an den Beklagten sei zumindest ein Teil der Existenzgrundlage der Eheleute B***** verlorengegangen, wofür durch den Vertrag vom 13. Februar 1973, in dem die Leibrente als "Entschädigung" bezeichnet wurde, Abgeltung geleistet werden sollte. Da die Streitteile sich bereits bei Abschluß des Vertrages darüber im klaren gewesen seien, welchen Charakter dieser Vertrag haben sollte, sei dieser keineswegs als sittenwidrig einzustufen, weshalb der Beklagte verpflichtet sei, die vertraglichen Zahlungen bis zum Lebensende der Natalie B***** zu leisten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es vertrat die Rechtsansicht, der Beklagte sei, entgegen dem in seiner Berufung vertretenen Standpunkt nicht Mieter der ihm von den Eheleuten B***** übergebenen Räumlichkeiten. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen habe er vielmehr die Räumlichkeiten "in das zwischen ihm und den Verpächtern bestehende Bestandverhältnis" übernommen, wie sich dies aus Punkt III. des Vertrages vom 13. Februar 1973 ergebe. Danach habe er als Vertragsschließender selbst erklärt, daß die bezughabenden Räumlichkeiten "vom Pachtvertrag zwischen Franz Otto G***** und Berta B***** bzw. Therese N***** bereits umfaßt werden", auch habe sich von da an der von ihm zu zahlende Pachtzins um S 3.000,-- monatlich erhöht. Der in der Berufung weiters geltend gemachte Umstand, der Beklagte habe diese Räumlichkeiten erst adaptieren müssen, um sie nützen zu können, vermöge daran nichts zu ändern, weil es nicht zu den Wesensmerkmalen eines Pachtvertrages gehöre, daß die vom Pächter in Bestand genommenen Räumlichkeiten nicht erst adaptiert werden müßten. Der Beklagte habe auch selbst nie behauptet, daß diese Räumlichkeiten nicht für den Hotelbetrieb bestimmt und Gegenstand eines mit den Hauseigentümern gesondert abgeschlossenen Mietvertrages gewesen seien. Zwar treffe es zu, daß grundsätzlich bloß Raummiete vorliege, wenn ein für den Unternehmenszweck noch gar nicht eingerichteter Raum in Bestand gegeben werde, selbst wenn eine Betriebspflicht vereinbart worden sei. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn nachträglich weitere Räume in eine Unternehmenspachtung (hier Hotelbetrieb) einbezogen werden sollten. Somit sei der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen, daß der Beklagte Pächter der früher von den Mietern B***** innegehabten Räumlichkeiten gewesen sei. Gemäß § 43 Abs 1 MRG gelte das I. Hauptstück dieses Gesetzes für Mietverträge, die vor dessen Inkrafttreten geschlossen worden seien. § 27 MRG betreffend verbotene Vereinbarungen und Strafbestimmungen sei Teil des I. Hauptstückes. Nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG seien Vereinbarungen ungültig und verboten, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgebe oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten habe; ausgenommen seien nur die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Rückersatz des Aufwandes, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 MRG zu ersetzen gehabt habe. Da der Beklagte aber nicht neuer Mieter der in Rede stehenden Räumlichkeiten geworden sei, sei diese Bestimmung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach § 27 Abs 1 Z 5 MRG seien Vereinbarungen ungültig und verboten, wonach der Vermieter oder der frühere Mieter sich oder einem anderen gegen die guten Sitten Leistungen versprechen lassen, die mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbarem Zusammenhang stehen. Das von den Eheleuten B***** entgegengenommene Versprechen des Beklagten, auf deren Lebenszeit eine monatliche "Leibrente" auszuzahlen, könne nicht als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden, weil der Zweck dieser Vereinbarung darauf gerichtet gewesen sei, ihnen eine Abgeltung dafür zu gewähren, daß sie damit im Sinne der erstgerichtlichen Ausführungen zumindest zum Teil ihre Existenzgrundlage aufgegeben hätten. Auch wenn die Ehegatten B***** ihren Bestandgegenstand untervermietet hätten - und dies müsse grundsätzlich als zulässig angesehen werden - hätten sie den gleichen oder zumindest einen ähnlichen wirtschaftlichen Erfolg wie durch die vorliegende Vereinbarung mit dem Beklagten erzielen können. Abgesehen davon stehe die vom Beklagten versprochene Leistung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Mietverhältnis.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, mit dem Antrag, in Abänderung des Urteils das Klagebegehren kostenpflichtig abzuweisen. Hiezu führt er aus, die Klageforderung sei der Bestimmung des § 27 Abs 1 Z 5 MRG zu unterstellen und somit sittenwidrig bzw. sie sei auch im Sinne des § 17 MG unzulässig gewesen. Die Eheleute B***** hätten ihm die von ihnen gemieteten Räumlichkeiten nur gegen sehr hohes Entgelt übergeben und er habe diese Räumlichkeiten erst adaptieren müssen, um sie nutzen zu können. Demgemäß könne aber von einem Pachtvertrag nicht gesprochen werden.

Den Revisionsausführungen kann insgesamt nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

Wie der erkennende Senat bereits zu 8 Ob 723/89 ausgesprochen hat (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht Rz 2 zu § 27 MRG), setzt die Anwendbarkeit des MRG und damit des Verbotskatalogs des § 27 MRG stets ein voll dem MRG unterliegendes Mietverhältnis voraus. Eine analoge Anwendung auf andere Benützungsverhältnisse an Räumlichkeiten kommt nicht in Betracht.

Im vorliegenden Falle wurde festgestellt, daß der Beklagte an einer Ausweitung seines einen Hotelbetrieb betreffenden Pachtverhältnisses auf die Bestandräumlichkeiten der Ehegatten B***** interessiert war, daß diese gegen Zahlung einer als "Leibrente" bezeichneten monatlichen Entschädigung ihren Betrieb einstellten und das zwischen dem Beklagten und den Hauseigentümern bestehende Pachtverhältnis im Sinne der Ausführungen des Punktes I des schriftlichen Vertrages Beilage ./A auf die solcherart frei gewordenen Räumlichkeiten erweitert wurde, sowie schließlich, daß der Beklagte für die Benützung dieser Räumlichkeiten einen um monatlich S 3.000,-- erhöhten Pachtzins zahlte.

Wenn zufolge der beim Vertragsabschluß gegebenen Voraussetzungen

sowohl die Erweiterung der bereits bestehenden Verpachtung eines

Unternehmens durch hinzukommende Räumlichkeiten als auch ein

bloßer Mietvertrag über diese Räume in Betracht zu ziehen ist, dann ist entscheidend, für welche der beiden Möglichkeiten sich die Parteien entschieden haben.

Es bleibt ihnen unbenommen, nicht eine Erweiterung der Unternehmenspacht, sondern nur einen Mietvertrag über Geschäftsräumlichkeiten zu vereinbaren (5 Ob 602/79 = teilweise veröffentlicht in MietSlg. 31.172; vgl. auch MietSlg. 20.114, 6 Ob 612/89, 5 Ob 504, 505/90).

Der hier auf Grund von Urkunden und anderen Beweismitteln, insbesondere auch der Parteienangaben des Beklagten selbst (ON.7 AS.27), für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellte Sachverhalt ist demgemäß im Sinne der Rechtsansicht der Vorinstanzen zweifellos als vereinbarte Erweiterung des Pachtverhältnisses zu beurteilen. Der vom Revisionswerber hervorgekehrte Umstand, er habe die übernommenen Räumlichkeiten erst adaptieren müssen, ist rechtlich unerheblich, denn das Fehlen von Einrichtungsgegenständen nimmt dem Vetragsgegenstand grundsätzlich nicht die Eignung, Gegenstand eines Pachtverhältnisses zu sein (MietSlg 15.065, 21.136, 21.138; SZ 58/8; 6 Ob 596/89 ua).

Ist das Bestandverhältnis des Beklagten hinsichtlich der ehemaligen Räumlichkeiten der Bestandnehmer B***** aber als Pachtverhältnis zu qualifizieren, dann kommt, wie oben ausgeführt, eine Anwendung des Verbotskatalogs des § 27 MRG auf die vom Beklagten vertragsgemäß zu erbringenden Leibrentenleistungen an die Ehegatten B***** von vornherein nicht in Betracht. Eine Behauptung, daß die Leibrentenvereinbarung ihrem allgemeinen Inhalt nach sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB erscheine, hat der Beklagte selbst nicht aufgestellt. Eine solche Sittenwidrigkeit kann auch nicht erkannt werden, da die Aufgabe eines lebenden Unternehmens unter Zurverfügungstellung der bisherigen Betriebsräumlichkeiten gegen Abgeltung grundsätzlich nicht der Rechtsordnung widerspricht.

Der Revision war demnach nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27553

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00657.9.1010.000

Dokumentnummer

JJT_19911010_OGH0002_0080OB00657_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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