Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Oktober 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert T***** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 4.Juni 1991, GZ 11 Vr 354/91-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.November 1973 geborene Angeklagte Hubert T***** des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Klagenfurt
(zu 1) am 9.Jänner 1991 versucht, vier Packungen Rasierklingen, ein Toilettewasser und einen Deodorantstift im Gesamtwert von 723,50 S den Verfügungsberechtigten der Firma D*****-Drogeriemarkt GesmbH mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen;
(zu 2) am 17.Februar 1991 die am 7.Juli 1913 geborene Pensionistin Eva L***** mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich dadurch, daß er ihr mit der rechten Schulter einen Stoß gegen den Rücken versetzte, der ihren Sturz zur Folge hatte und dadurch, daß er der auf dem Boden liegenden Frau die Tasche entriß, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Tragtasche mit Gebrauchsgegenständen und etwa 11.000 S Bargeld Inhalt, mit Bereicherungsvorsatz weggenommen.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 10 - diese Gründe richten sich der Sache nach nur gegen den Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes - sowie 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und auch mit Berufung.
Nach den Feststellungen zum Schuldspruchfaktum 2 des Urteilssatzes faßte der Angeklagte den Entschluß der alten Frau die Tragtasche zu entreißen; dabei wollte er zwar Gewalt anwenden, jedoch keine lebensbedrohende Situation herbeiführen. Er ging ihr nach und versetzte ihr mit der rechten Schulter einen wuchtigen Stoß gegen den Rücken, sodaß sie auf der schneebedeckten und somit rutschigen Straße zu Boden fiel; "unmittelbar nach dem Fallen der Eva L*****" entriß er ihr die Tragtasche, versteckte diese unter seiner Jacke und lief davon (S 242 ff).
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet zunächst eine Unvollständigkeit der Entscheidung, weil zwar konstatiert werde, daß die Schmalgasse, in der sich der Überfall ereignete, schneebedeckt und dadurch rutschig gewesen sei, jedoch die (nach Ansicht des Beschwerdeführers für die Frage der Intensität der Gewaltanwendung wesentliche) Aussage der Zeugin L***** - sie sei hingefallen, weil es eisig war - mit Stillschweigen übergangen werde. Diesen Teil der Aussage hatte das Erstgericht deshalb nicht gesondert zu erörtern, weil für die Beurteilung der Frage der Gewaltanwendung allein entscheidungswesentlich ist, daß die alte Frau auf Grund dieses wuchtigen Stoßes des Angeklagten zu Boden fiel.
Rechtliche Beurteilung
Der in der Mängelrüge angeführte Widerspruch zwischen der Feststellung einerseits, daß der Angeklagte seinem Opfer mit der rechten Schulter einen wuchtigen Stoß versetzt habe (S 243) und der Konstatierung im Rahmen der Würdigung der Aussage des Angeklagten, daß er die Zeugin mit der rechten Hand niederstieß (S 245), betrifft keine entscheidende Tatsache, weil in beiden Fällen eine bewußte und gewollte Gewaltanwendung umschrieben wird (vgl. 12 Os 75,76/90).
Die Feststellung, daß die Zeugin L***** durch diesen wuchtigen Stoß des Angeklagten nach rechts vorne auf den Boden fiel und daß ihr der Angeklagte unmittelbar nach dem Fallen die Handtasche entrissen hat, stützt das Erstgericht auf die Aussage der genannten Zeugin und die Angaben des Tatzeugen Mustafa Ibrahim Mohamed N*****; es hat ausführlich begründet, warum es in diesem Punkte die leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt ansah (S 245 f).
Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber aus der Aussage des Zeugen Herfried G***** (dem der Angeklagte bei seiner Einvernahme angab, er habe der alten Frau nur die Handtasche entreißen wollen, diese sei auf der eisigen Straße zu Sturz gekommen, vgl. S 218) und der Darstellung der Zeugin L***** vor der Polizei - der Täter habe ihr die Tasche entrissen, bevor sie noch auf dem Boden gelegen sei - die Schlußfolgerung zieht, daß die alte Frau beim Entreißen der Tragtasche das Gleichgewicht verloren und zu Boden gestürzt sei, wird damit kein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufgezeigt, sondern im Ergebnis nur unzulässig die Beweiswürdigung bekämpft.
Unbegründet ist auch der Vorwurf der Mängelrüge, diese Konstatierung über die Gewaltanwendung des Beschwerdeführers sei unzureichend begründet. Alles, was die Rüge dazu vorbringt - das Erstgericht habe dabei die Körpergröße des Opfers und des Angeklagten und die eisigen Straßenverhältnisse nicht bedacht; auch könne die Zeugin L***** nicht nach rechts vorne gefallen sein, wenn ihr der Beschwerdeführer die Tasche entrissen habe - läuft auf eine versuchte Umwertung der Verfahrensergebnisse und damit eine (unzulässige) Bekämpfung der Beweisergebnisse hinaus.
Schließlich vermag der Beschwerdeführer mit dem zuletzt angeführten Vorbringen der Mängelrüge und mit seinen Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z 5 a) aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun. Soweit damit die Urteilsausführungen zur Person des Angeklagten bekämpft werden, betreffen sie keine entscheidenden Tatsachen; alle Ausführungen zur Frage der Gewaltanwendung des Angeklagten gegen die Zeugin L***** lassen ernsthafte Zweifel am festgestellten Urteilssachverhalt im Sinne des relevierten AnFechtungstatbestandes nicht aufkommen. Der Beschwerdeführer verkennt, daß der Grund der Z 5 a keine Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung gestattet (EvBl. 1989/24, 13 Os 135/90).
Unter dem Grund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behauptet der Angeklagte, daß er den Widerstandswillen der alten Frau nicht gewaltsam überwinden wollte, sodaß nur Diebstahl vorliege, weil es an der räuberischen Nötigung fehle. Damit übergeht der Angeklagte aber die Feststellung, daß er von vornherein Gewalt gegen die Person des Raubopfers (hier durch Versetzen eines Stoßes) und nicht bloß gegen die Sache üben wollte.
Unter dem Grund der Z 11 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtanwendung der Bestimmungen der §§ 43 und 43 a StGB sowie die der §§ 9, 12 und 13 JGG.
Das Gericht hat die Nichtanwendung der bedingten Strafnachsicht mit dem Hinweis auf spezialpräventive Erwägungen begründet und hinsichtlich der Nichtanwendung der oben angeführten Bestimmungen des JGG darauf verwiesen, daß diese wegen der Gewichtigkeit der Schuld und wegen des belasteten Vorlebens des Angeklagten nicht anzuwenden waren.
Damit wurden aber solche Kriterien herangezogen, die für die Anwendung (oder Nichtanwendung) dieser Gesetzesstellen den Ausschlag geben, sodaß also ein mit den in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zu vereinbarender Strafzumessungsvorgang nicht vorliegt. Ob aber diese an sich vertretbare Begründung des Erstgerichts für die bekämpfte Entscheidung den konkreten für den Ausspruch maßgeblichen Umständen gerecht wird, ist allein im Berufungsverfahren zu erklären (vgl. 13 Os 74/90).
Der Beschwerdeführer behauptet ferner, daß im Hinblick auf das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 17.Jänner 1991, 4 U 48/90-8, die Bestimmung des § 31 StGB anzuwenden gewesen wäre. Abgesehen davon, daß damit lediglich ein Berufungsgrund geltend gemacht wird, ist dieses Vorbringen auch offenbar unbegründet, weil die Tat zu Punkt 2 des Urteilssatzes am 17.Februar 1991, somit nach der Fällung der oben angeführten Entscheidung begangen worden ist. Der § 31 StGB erfordert aber, daß alle im neuen Urteil zur Aburteilung gelangenden Straftaten vor der Fällung des früheren Urteils begangen worden sind (Leukauf-Steininger, Komm.2 § 31 RN 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Der Angeklagte hat zwar nur Nichtigkeitsbeschwerde und nicht auch Berufung angemeldet (vgl. S 231). Im Hinblick auf die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO und die darin erklärte Absicht des Rechtsmittelwerbers, eine Änderung der Lösung der Straffrage zu seinen Gunsten herbeizuführen, ist aber im Sinne des § 290 Abs. 1, letzter Satz, StPO vorzugehen (vgl. 15 Os 18/91). Demgemäß wird der Gerichtshof zweiter Instanz über die schriftlich angeführte Berufung zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E27014European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00086.91.1016.000Dokumentnummer
JJT_19911016_OGH0002_0130OS00086_9100000_000