Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des P F in J, vertreten durch Mag. Wolfgang Klasnic, Rechtsanwalt in 8111 Judendorf-Straßengel, Gratweinerstraße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. April 2005, Zl. FA13A-
38.40 58-05/2, betreffend einen Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer von der Bezirkshauptmannschaft G (BH) am 12. August 2003 in der Gemeinde S durchgeführten naturschutzbehördlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf seinem Reitplatz Kabelgranulat aufgebracht hat. In einem Aktenvermerk ist festgehalten, das Material weise in seiner Gesamtheit ein Volumen von 50 m3 auf. Es handle sich um reinen Abfall von Elektrokabeln (blau, grün, rot, weiß, schwarz), bei denen der Kunststoff zutage trete. Dazwischen seien geringfügige Reste von Kupfermaterial sowie einem silbrigmetallischen Material, welches offensichtlich von Steckverbindungen stamme, vorhanden. Dieses silbrig-metallische Material sei mengenmäßig recht stark vertreten, die Menge könne durchaus auf 5 - 10 % des Volumens geschätzt werden. Es sei zu vermuten, dass der überwiegende Teil der Kunststoffabfälle aus PVC bestehe, da alte Kabel nahezu ausschließlich mit PVC ummantelt worden seien.
Die BH forderte den Beschwerdeführer auf, das Granulat zu entfernen.
Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.
Die BH führte am 19. April 2004 in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mit einem Ortsaugenschein verbundene mündliche Verhandlung durch, an der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft und für Naturschutz sowie ein tierärztlicher Amtssachverständiger teilnahmen.
Der Amtssachverständige für Naturschutz gab folgende Stellungnahme ab:
"Die am heutigen Tage durchgeführte örtliche Erhebung hat ergeben, dass die Feinteile aus Kunststoff durch Pferdehufe und durch menschliche Schuhe vertragen werden. Dies ist auch auf dem Gelände deutlich zu sehen. Zusätzlich zu dieser Vertragung ist eine Abschwemmung im Falle von starken Niederschlägen und eine Verwehung im Falle großer Trockenheit und bei starken Stürmen zu erwarten.
Die auffällig bunten Kleinteile sind für kleine Tierarten, insbesondere Kleinvogelarten und Kleinsäuger vermutlich sehr attraktiv. Es kann durchaus passieren, dass Teile vertragen werden, in Nester eingebaut werden und in Einzelfällen auf Grund der Größe, Farbe und Form, wenn eine Verwechslungsmöglichkeit vorliegt, auch geschluckt werden. Es kommt immer wieder zu Todfunden von Tieren, in deren Därmen derartige Kunststoffteile aufgefunden werden. Die Quelle der Verschmutzung, der Reitplatz und seine Umgebung, ist daher aus naturschutzfachlicher Sicht dringend zu entsorgen, da mit jedem verlängerten Zuwarten die Verschmutzung auf dem Platz einerseits durch Sand, Staub, Nadeln, Laub etc. zunimmt und andererseits die Ausbreitung bzw. Verbreitung in den angrenzenden Lebensräumen ebenfalls zunimmt. Weiters wird darauf hingewiesen, dass das Material überwiegend aus PVC bestehen dürfte, blei- und kadmiumhältig ist und dass auch Kupferdrähte und Aluminiumteile sichtbar sind. Auf Grund der Durchmischung des Materials ist eine sortenreine Trennung nicht mehr möglich und aus fachlicher Sicht kommt nur eine Entsorgung gesetzeskonform in der Gesamtheit in Frage."
Der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft erklärte in seiner Stellungnahme, das Kabel-Granulat falle bei der Verarbeitung (Metallrückgewinnung) von Altkabeln (getrennt gesammelte Abfallfraktionen bzw. Produktionsreste) an und es sei somit sowohl das Ausgangsprodukt (Altkabel) als auch das dabei entstehende Kabel-Granulat nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht als "neu" zu bezeichnen.
Das Kabel-Granulat stehe am Reitplatz auch nicht in bestimmungsgemäßer Verwendung.
Es sei zu überprüfen, auf Grund welcher Kriterien nach § 1 Abs. 3 AWG das Kabel-Granulat als Abfall im öffentlichen Interesse einzustufen sei.
Eine Gesundheitsgefährdung des Menschen sei nicht ausgeschlossen, da das Material im Freien aufgeschüttet worden sei und die Möglichkeit einer Abschwemmung, Verwehung oder sonstigen Verfrachtung des Materials (Kunststoff- und Metallteilchen) bestehe. Dabei sei auch zu beachten, dass auf Grund des Reitbetriebes Menschen und Tiere mit dem Material unmittelbar in Kontakt kämen. Bezüglich der Auswirkungen auf Menschen oder Tiere (Gesundheitsgefährdung) wäre ein Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen einzuholen.
Eine Gefahr für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen bestehe, da sich im Kabel-Granulat noch Restbestände von Kupferleitungen befänden. Weiters sei auf die Problematik von Kabelkunststoffen (großteils PVC mit Weichmachern und Stabilisatoren wie z.B. Schwermetalle) hinzuweisen. Dabei sei auch zu beachten, dass auf Grund des Reitbetriebes im Freien Tiere (Wildtiere wie z.B. Vögel) mit dem Material unmittelbar in Kontakt kämen. Bezüglich der Auswirkungen auf Tiere oder Pflanzen (Gefahr für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen) wären Gutachten von medizinischen und naturschutzfachlichen Amtssachverständigen einzuholen.
Eine Beeinträchtigung der nachhaltigen Nutzung von Wasser oder Boden könne vom Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft nicht beurteilt werden.
Auf Grund der unsachgemäßen Lagerung von Kabel-Granulat (großteils PVC mit Weichmachern und Stabilisatoren wie z. B. Schwermetalle) mit hohem Metallanteil auf unbefestigtem Boden im Freien (Vermischung mit Sand und Erde, Gefahr der Abschwemmung und Verwehung) könne die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden. Nach den Bestimmungen des AWG 2002 gäbe es dabei keine Geringfügigkeitsgrenze. Diese Verunreinigungen hätten beim Ortsaugenschein am 19. April 2004 im Nahbereich des Reitplatzes unmittelbar festgestellt werden können. Dabei erfolge ein Austrag sowohl über die Pferdehufe als auch über das Schuhwerk von Personen, die den Reitplatz betreten. Besonders hafte das Kabelgranulat auf feuchten Schuhsohlen.
Eine Explosions- oder Brandgefahr könne vom Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft nicht beurteilt werden.
Geräusche und Lärm würden keine verursacht.
Das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern
könne nicht beurteilt werden.
Die öffentliche Ordnung und Sicherheit werde nicht gestört.
Die Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes könne
nicht beurteilt werden.
Zusammenfassend sei festzustellen, dass das Kabel-Granulat
unter Berücksichtigung eines öffentlichen Interesses nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 AWG 2002 unter Einbeziehung der Ausschließungskriterien nach § 2 Abs. 3 AWG als Abfall einzustufen sei.
Zusätzlich treffe auch der subjektive Abfallbegriff zu, da die Firma M-AG in H für das Kabelgranulat offensichtlich keine Verwendung gehabt habe und sich dessen habe entledigen wollen. Dies habe sie durch die Weitergabe auch getan.
Somit sei das Kabel-Granulat der Abfallschlüsselnummer 35314 (Kabel) bzw. 57116 (PVC-Abfälle und Schäume auf PVC-Basis) gemäß ÖNORM S 2100 zuzuordnen. Diese Zuordnung entspreche dem Abfallcode 191204 (Kunststoff und Gummi) gemäß Abfallverzeichnisverordnung 2003 (BGBl. II Nr. 570/2003).
Der tierärztliche Amtssachverständige gab folgende Stellungnahme ab:
"Durch die Verwendung von Kabelgranulat auf Reitplätzen kann ein gesundheitliches Risiko für die Tiere aus Sicht des amtstierärztlichen Amtssachverständigen nicht ausgeschlossen werden."
Der Beschwerdeführer äußerte sich in seiner Stellungnahme vom 29. September 2004 dahingehend, dass sowohl die Stellungnahme des Naturschutzsachverständigen als auch jene des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft und des Amtstierarztes in der Möglichkeitsform abgefasst seien und keine neuen Aspekte ergäben. Es gäbe seines Wissens keinen einzigen konkreten Fall einer gesundheitlichen Schädigung von Tieren oder Menschen.
Mit Bescheid vom 24. Jänner 2004 verpflichtete die BH den Beschwerdeführer "gemäß § 73 des Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, BGBl. Nr. 325/1990 i.d.g.F.", das auf dem Reitplatz in S 61 aufgebrachte Kabelgranulat bis zum 21. Februar 2005 zu entfernen.
In der Begründung stützte sich die BH auf die eingeholten Stellungnahmen der Amtssachverständigen.
Der Beschwerdeführer berief.
Er machte geltend, bei dem auf seinem Reitplatz in S 61 (nicht 41, wie in der Begründung des Bescheides angeführt) aufgebrachten Kabelgranulat handle es sich nicht um einen Stoff, der im Anhang 1 zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002 angeführt sei.
Der subjektive Abfallbegriff liege weder bei ihm noch bei der M-AG vor.
Das Granulat sei eine neue Sache.
In der Herstellung und im Weiterverkauf des Kabel-Granulats
liege eine zulässige Verwertung des Stoffes.
Granulat habe den Vorteil, dass damit eine weichere Oberfläche auf dem Reitplatz hergestellt werden könne.
Das Ende der Abfalleigenschaft des Kabelgranulates trete mit dem Beginn des Recyclingprozesses ein. Durch die mechanisch herbeigeführte Trennung des PVC vom Metall entstehe ein neues Produkt (Granulat), welches auf dem Reitplatz seiner bestimmungsgemäßen Verwendung als Nutzschicht zugeführt worden sei.
Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft ein.
Der Amtssachverständige nahm zu den einzelnen Punkten der Berufung Stellung und führte aus:
"Zu den technischen Inhalten der Berufung von
(Beschwerdeführer) vom 10. Februar 2005:
Die Berufung wird folgendermaßen begründet:
1) Bei dem von mir am Reitplatz in S 61 (nicht 41, wie in der Begründung angeführt) aufgebrachten Kabelgranulat, handelt es sich nicht um einen Stoff, der im Anhang 1 des AWG angeführt ist.
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher Sicht:
Um eine bewegliche Sache nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 als Abfall einstufen zu können, ist zu prüfen, ob die bewegliche Sache einer der in Anhang 1 angeführten Gruppen zugeordnet werden kann. Dabei wurde für bewegliche Sachen, bei denen eine eindeutige Zuordnung zu den Gruppen Q1 bis Q15 nicht möglich ist, die Gruppe Q16 (Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen zuzuordnen sind) vorgesehen. Somit hat der Gesetzgeber aus fachlicher Sicht bewusst keine bewegliche Sache grundsätzlich vom Abfallbegriff ausgeschlossen und ist auch das gegenständliche Kabelgranulat, wie bereits in den Stellungnahmen der FA 19D ausgeführt, der Gruppe Q16 des Anhanges 1 AWG 2002 zuzuordnen.
2) Der subjektive Abfallbegriff liegt weder bei mir, noch bei der M-AG vor. Ich habe das Granulat als Abschlussschicht meines Reitplatzes in Verwendung. Die Verwendung als Nutzschicht ist auch im Bauplan von der Fa. H enthalten, den ich zu Beginn des Verfahrens an Frau Z an der BH G weitergegeben habe. Die M-AG hat das Granulat in gewinnmaximierender Absicht an mich weitergegeben.
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher Sicht:
Die bestimmungsgemäße Verwendung des für das Kunststoffgranulat relevanten Ausgangsproduktes Kabel (Leiterbahn und Kunststoffummantelung) ist der Einsatz als elektrischer Leiter. Bei der Aufarbeitung von Kabel entstehende Kabel-Granulate (die zerkleinerte Kunststoffummantelung) sind nach den Vorgaben des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 unter definierten Bedingungen in geeigneten, genehmigten Anlagen stofflich (Herstellung von Recyclingkunststoffen) oder thermisch (Energiegewinnung) zu verwerten bzw. zu beseitigen.
Die gegenständliche Verwendung als Schüttmaterial für Reitbahnen und Reitplätze steht in keinem Zusammenhang zur ursprünglichen Nutzung als elektrischer Leiter (Änderung des ursprünglichen Verwendungszweckes) und liegt auch keine 'zweckmäßige Behandlung' im Sinne der Vorgaben des § 2 Abs. 5 Z. 2 AWG 2002 vor (zulässige Verwendung von Abfällen unter definierten Bedingungen in geeigneten, genehmigten Anlagen). Zusätzlich wäre die Verwendung von Abfällen jedenfalls nur dann als zweckmäßige Behandlung und somit als stoffliche Verwertung gemäß § 2 Abs. 5 Z. 2 AWG 2002 zu qualifizieren, wenn auch die erforderliche(n) Bewilligung(en) vorliegen.
Zur Entledigungsabsicht ist festzustellen, dass die Firma M-AG in H für das Kabelgranulat offensichtlich keine Verwendung gehabt hat und sich dessen entledigen wollte. Dies hat die Firma M-AG durch die Weitergabe auch getan.
Die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 sind aus fachlicher Sicht somit eindeutig erfüllt. Grundsätzlich ist mit der Übergabe des Kabelgranulates an (Beschwerdeführer) diese subjektive Abfalleigenschaft auch nicht verloren gegangen.
Zusätzlich können zur Beurteilung der Beendigung der Abfalleigenschaft aus fachlicher Sicht auch die Bestimmungen des § 5 AWG 2002 ('Abfallende') herangezogen werden. Im gegenständlichen Fall fehlen dazu folgende Voraussetzungen:
-
Qualitätskriterien, welche die abfallspezifischen Schadstoffe berücksichtigen, insbesondere in Form von technischen oder rechtlichen Normen oder anerkannten Qualitätsrichtlinien.
-
Der Nachweis, dass keine höhere Umweltbelastung und kein höheres Umweltrisiko von dieser Sache ausgeht, als bei einem vergleichbaren Primärrohstoff oder einem vergleichbaren Produkt aus Primärrohstoff.
Die Einzeichnung zur Verwendung als Nutzschicht in einem Bauplan ist aus fachlicher Sicht zur Erfüllung dieser Voraussetzungen als nicht ausreichend anzusehen. Somit war im gegenständlichen Fall aus fachlicher Sicht die subjektive Abfalleigenschaft bereits bei Übernahme durch (Beschwerdeführer) gegeben und ist diese Abfalleigenschaft aufgrund fehlender Nachweise zur zulässigen Verwendung unter definierten Bedingungen in geeigneten genehmigten Anlagen incl. der dazu notwendigen Qualitätskriterien nach wie vor nicht beendet.
Die Aussage, dass die Fa. M-AG das Kabelgranulat in gewinnmaximierender Absicht an (Beschwerdeführer) weitergegeben hat, ist auf Grund fehlender Unterlagen (z.B. Rechnung, Lieferschein) nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Fall des Reitstalls von Frau F hinzuweisen, bei dem die Firma M-AG nach Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft G das bereits gelieferte Kabelgranulat wieder zurückgenommen hat. Dabei erfolgte kein 'Rückkauf', da seitens der Firma M-AG bereits bei Lieferung nur die Transportkosten verrechnet wurden.
Abgesehen davon ist anzumerken, dass die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse auch dann erforderlich sein kann, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann (könnte).
3) Das Granulat ist eine 'neue Sache'
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher Sicht:
Das gegenständliche Kabel-Granulat fällt bei der Verarbeitung (Metallrückgewinnung) von Altkabeln (getrennt gesammelte Abfallfraktionen bzw. Produktionsreste) an und ist somit das Ausgangsprodukt (Altkabel bzw. Produktionsabfälle), als auch das dabei entstehende Kabel-Granulat nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht als 'neu' zu bezeichnen. Zur Anerkennung als 'neues Produkt aus Abfällen' fehlen jegliche (Qualitäts-)Kriterien und Nachweise (siehe Ausführungen weiter oben).
4) Die Behandlung als Abfall ist solange nicht erforderlich, solange eine Sache 'neu', das heißt noch nie bestimmungsgemäß verwendet wurde. Durch die Verarbeitung im Rahmen des Recyclingprozesses werden zum einen Metalle gewonnen, die der neuerlichen Produktion von Metall zugeführt werden, zum anderen Kabelgranulate, die unter anderem als Nutzschicht auf Reitplätzen dienen. In der Herstellung und im Weiterverkauf des Kabelgranulats liegt eine zulässige Verwendung des Stoffes.
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher
Sicht:
(Siehe Ausführungen weiter oben)!
5) Granulat hat den Vorteil, dass damit eine weichere Oberfläche auf dem Reitplatz hergestellt werden kann, dass eine Bereitbarkeit auch bei tieferen Temperaturen gegeben ist und dass im Sommer, wenn die Pferde gealpt sind, der Bewuchs der Reitanlage hintangehalten wird.
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher Sicht:
Die Vorteile bezüglich der Bereitbarkeit des Reitplatzes bei tieferen Temperaturen bzw. das Eindämmen des Grasbewuchses durch das aufgebrachte Kabelgranulat können von der FA19D nicht beurteilt werden.
6) Das Ende der Abfalleigenschaft des Kabelgranulates tritt mit dem Beginn des Recyclingprozesses ein. Durch die mechanisch herbeigeführte Trennung des PVC vom Metall entsteht ein neues Produkt (Granulat), welches auf meinem Reitplatz seiner bestimmungsgemäßen Verwendung als Nutzschicht zugeführt wurde (siehe Aufbauplan des Reitplatzes durch die Baufirma H).
Stellungnahme aus abfall- und stoffflusswirtschaftlicher Sicht:
Nach den Vorgaben des Abfallwirtschaftsgesetzes tritt das Ende der Abfalleigenschaft unter genau definierten Umständen und Voraussetzungen ein (siehe § 5 AWG 2002). Diese Voraussetzungen müssen entweder im Einzelfall oder im Rahmen eines gleich bleibenden Prozesses gegeben und nachgewiesen werden. Dabei ist die in der Berufung angeführte mechanische Trennung des PVC von Metall als alleiniges Kriterium zur Herstellung eines ohne Berücksichtigung der Ausgangsprodukte (z.B. Schadstoffgehalte, Verunreinigungen), ohne Berücksichtigung der qualitativen Anforderungen an den Recyclingprozess (z.B. Restmetallgehalte) und ohne Berücksichtigung der Anforderungen des zukünftigen Einsatzbereiches (gegenständlich als Nutzschicht für einen Reitplatz) aus fachlicher Sicht als nicht ausreichend anzusehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf eine aktuelle Entscheidung des BMLFUW hinzuweisen, nach der gereinigtes Bildröhrenglas trotz gleich bleibender, nachgewiesener Qualität und nachgewiesener Aufarbeitung in einer genehmigten Anlage (Glasherstellung) weiterhin Abfall bleibt. (...).
Aus fachlicher Sicht ist abschließend nach den derzeit vorliegenden Unterlagen davon auszugehen, dass das gegenständliche Kabelgranulat keinesfalls als Produkt nach den Kriterien des § 5 AWG 2002 anzusehen ist. Weder die Fa. M-AG noch (der Beschwerdeführer) hat in nunmehr 2 Jahren entsprechende Unterlagen vorgelegt."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. April 2005 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab (Spruchteil 1).
Unter Spruchteil 2 berichtigte sie unter Berufung auf § 62 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend, dass dessen Rechtsgrundlage "§ 73 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 i.d.F. BGBl. I Nr. 181/2004" zu lauten hat.
In der Begründung gibt die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers und die daraufhin von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigenstellungnahme wieder und führt dann in rechtlicher Hinsicht Folgendes aus:
Die BH habe ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt, welches von der belangten Behörde ergänzt worden sei.
Der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft vom 30. März 2005 sei klar zu entnehmen, dass es sich beim Kabelgranulat um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 handle und ein Abfallende nicht eingetreten sei.
Da das Kabelgranulat bei der Verarbeitung (Metallrückgewinnung) von Altkabeln anfalle und somit sowohl das Ausgangsprodukt (Altkabel bzw. Produktionsabfälle) als auch das dabei entstehende Kabelgranulat nach allgemeiner Verkehrsauffassung als nicht "neu" zu bezeichnen sei und vom Beschwerdeführer "auch keine gleichwertigen fachlichen Gutachten und Nachweise vorgelegt wurden oder er solche zu erbringen im Stande war, die zu einer fakultativen Anerkennung als 'neues Produkt aus Abfällen' hätten führen können", sei den fachlichen Ausführungen des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft auch in rechtlicher Hinsicht beizupflichten.
Die bloße Behauptung, das Ende der Abfalleigenschaft des Kabelgranulates trete mit dem Beginn des Recyclingprozesses ein, entspreche nicht den Vorgaben des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, wonach das Ende der Abfalleigenschaft nur unter genau definierten Umständen und Voraussetzungen eintrete (§ 5 AWG 2002). Diese Voraussetzungen müssten jedoch entweder im Einzelfall oder im Rahmen eines gleichbleibenden Prozesses gegeben sein und auch nachgewiesen werden. Dabei sei - wie auch in der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft ausgeführt worden sei - die in der Berufung angeführte mechanische Trennung des PVC von Metall als alleiniges Kriterium zur Herstellung eines Produktes ohne Berücksichtigung der Ausgangsprodukte (z.B. Schadstoffgehalte, Verunreinigungen), ohne Berücksichtigung der qualitativen Anforderungen an den Recyclingprozess (z.B. Restmetallgehalte) und ohne Berücksichtigung der Anforderungen des zukünftigen Einsatzbereiches (gegenständlich als Nutzschicht für einen Reitplatz) aus fachlicher Sicht als nicht ausreichend anzusehen. In diesem Zusammenhang werde auch auf eine Entscheidung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hingewiesen, wonach gereinigtes Bildröhrenglas trotz gleichbleibender, nachgewiesener Qualität und nachgewiesener Aufarbeitung in einer genehmigten Anlage (Glasherstellung) weiterhin Abfall bleibe.
Des weiteren habe der Beschwerdeführer auch nicht nachweisen können, dass die von ihm gewählte Art der Abfallbehandlung (Aufbringung des Granulats auf dem Reitplatz) eine rechtlich zulässige sei und die schutzwürdigen öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 AWG 2002 entsprechend berücksichtige.
So könne eine Gesundheitsgefährdung (für Menschen und/oder Tiere), eine mögliche Gefahr für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen und die Möglichkeit von Umweltverunreinigungen durch Abschwemmung und Verwehung nicht ausgeschlossen werden.
In rechtlicher Hinsicht sei festzustellen, dass es bei den gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 9 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen nicht darauf ankomme, dass bereits ein Schaden eingetreten sei, sondern dass ein solcher fakultativ eintreten könnte.
Der Beschwerdeführer habe weder einen Nachweis über die Unbedenklichkeit des Materials vorlegen (Vorlage entsprechender Gutachten über die Zusammensetzung) noch sicherstellen können, ob und wie er für die ordnungsgemäße Behandlung des Materials nach erfolgter Nutzung sorgen werde.
Die Erteilung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 durch die BH sei daher zurecht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe im Rahmen des Berufungsverfahrens eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft eingeholt, welche die Basis des angefochtenen Bescheides darstelle. Dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit gegeben worden, von dieser Stellungnahme Kenntnis zu erhalten und hiezu Stellung zu nehmen.
Die eingeholten Stellungnahmen und die örtlichen Erhebungen bezögen sich auf einen Reitplatz mit der Adresse S 41. Erst im Bescheid der BH werde im Spruch die Adresse des Reitplatzes mit S 61 angeführt. Es sei davon auszugehen, dass die örtlichen Erhebungen an der Adresse S 41 stattgefunden hätten. Der Behörde lägen offensichtlich keinerlei Erhebungen über den Reitplatz an der Adresse S 61 vor. Ein Schreibfehler liege offensichtlich nicht vor, was daraus hervorgehe, dass der Reitstall mit der Adresse S 61 nicht im Landschaftsschutzgebiet Nr. 28 liege.
Von einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren könne auch deshalb nicht gesprochen werden, weil ein Großteil der durch die Richtlinie 75/422/EWG vorzunehmenden Betrachtungen unterblieben sei. Die belangte Behörde habe keine Erhebungen darüber geführt, dass es sich bei der Verwendung des Granulats als Nutzschicht auf Reitplätzen um eine marktübliche Vorgangsweise handle und eine gesetzliche Vermutung, dass die Abfalleigenschaft von Vornherein gegeben sei, nicht existiere.
Sämtliche eingeholten Sachverständigengutachten und Stellungnahmen entsprächen nicht den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Gutachtens. Die Erhebungen seien nicht auf dem Reitplatz des Beschwerdeführers, sondern anderswo vorgenommen worden. Die Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft beschränkten sich auf die Beantwortung rechtlicher Fragen. Die Stellungnahme des Amtstierarztes bestehe aus einem handgeschriebenen und unterfertigten Zettel, aus welchem nicht einmal hervorgehe, von wem diese Stellungnahme stamme.
Weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde hätten ihren Bescheid, was die Abfalleigenschaft betreffe, ausreichend begründet.
Die Auffassung, das Kabelgranulat stelle Abfall dar, sei unzutreffend. Es handle sich dabei nämlich um ein im Zuge des Recyclings von Elektrokabeln gewonnenes Produkt. Durch die Verwendung des Kunststoffgranulats als Nutzschicht auf Reitplätzen gehe die Eigenschaft als Altstoff verloren, da dadurch Rohstoffe substituiert würden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 AWG 2002 lautet auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange
1.
eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2.
sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht."
§ 1 Abs. 3 AWG 2002, auf den § 2 leg.cit. verweist, hat folgenden Wortlaut:
"(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,
3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,
4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
5.
Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
6.
Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,
7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,
8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder
9. Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, der Stellungnahme der Fachabteilung 19D (des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung) vom 30. März 2005 sei klar zu entnehmen, dass es sich bei dem gegenständlichen Kabelgranulat um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 handle und ein Abfallende im Sinne des § 5 AWG 2002 nicht eingetreten sei.
Die belangte Behörde geht daher offenbar davon aus, dass das Kabelgranulat den subjektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 erfüllt.
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung bestritten, dass der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen erfolgt im angefochtenen Bescheid nicht. Es findet sich lediglich ein pauschaler Hinweis auf die von der belangten Behörde eingeholte Stellungnahme einer Fachabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, die dem Beschwerdeführer jedoch nicht zur Kenntnis gebracht worden war.
Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, die Stellungnahme der Fachabteilung habe dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht werden müssen, weil sie die bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Stellungnahmen bestätige und es zu keiner Änderung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes gekommen sei.
Der Umstand allein, dass die von ihr eingeholte Stellungnahme zum selben Ergebnis kam wie die erstinstanzlichen Stellungnahmen, berechtigte die belangte Behörde nicht dazu, von der Gewährung des Parteiengehörs abzusehen. Die belangte Behörde hat sich nämlich in der Begründung ihres Bescheides auf die von ihr eingeholte Stellungnahme gestützt. Diese sollte die Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen ersetzen. Sie hätte daher dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht werden müssen.
Abgesehen davon kann aus den Ausführungen des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft allein nicht darauf geschlossen werden, dass sich die M-AG des Kabel-Granulates entledigen wollte.
Von einer Entledigung iSd § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 kann nur dann gesprochen werden, wenn die Weggabe einer Sache in erster Linie darauf abzielt, diese los zu werden (vgl. zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 1990 das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juli 2002, 2001/07/0043).
Der Amtssachverständige meint, die Firma M-AG habe für das Kabelgranulat offensichtlich keine Verwendung gehabt und habe sich dessen entledigen wollen. Demgegenüber behauptet der Beschwerdeführer, besagtes Unternehmen habe das Granulat in Gewinnabsicht an ihn abgegeben, also offenbar gegen Entgelt veräußert, was, wenn es zutrifft, gegen eine Entledigungsabsicht spricht. Daran ändert § 2 Abs. 2 letzter Satz AWG 2002 nichts. Dieser bezieht sich, wie sich aus der Bezugnahme auf die Erforderlichkeit der Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung einer Sache als Abfall im öffentlichen Interesse ergibt, auf den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002, nicht aber auf den subjektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 1 leg.cit.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides reicht daher für eine Zuordnung des Kabel-Granulates zum subjektiven Abfallbegriff nicht aus.
Die Erstbehörde hat nicht nur den subjektiven Abfallbegriff herangezogen, sondern war der Meinung, dass auch der Abfalltatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 erfüllt sei.
Die belangte Behörde verweist in ihrem Bescheid auch auf das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren, ohne dass aus diesem Verweis eindeutig hervorgeht, ob sie damit auch die Auffassung der Erstbehörde übernimmt, dass (auch) der Abfalltatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 erfüllt sei.
Selbst wenn man aber annehmen wollte, die belangte Behörde hätte mit ihrem Hinweis auf das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren auch die Zuordnung des Kabel-Granulates (auch) zum objektiven Abfallbegriff übernehmen wollen, wäre für die belangte Behörde nichts gewonnen. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides reicht nämlich für eine solche Zuordnung nicht aus.
Der erstinstanzliche Bescheid stützt sich auf die Gutachten und Stellungnahmen des naturkundlichen, des abfalltechnischen und des tierärztlichen Amtssachverständigen.
Für die Verwirklichung des Abfalltatbestandes nach § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 (objektiver Abfallbegriff) genügt bereits die Möglichkeit, dass es zu Auswirkungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 kommt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1996, 95/07/0079, vom 20. Februar 2003, 2002/07/0133, und vom 16. Oktober 2003, 2002/07/0162).
Die Stellungnahme des Amtstierarztes erschöpft sich in der Aussage, durch die Verwendung von Kabelgranulat auf Reitplätzen könne ein gesundheitliches Risiko für die Tiere nicht ausgeschlossen werden.
Diese Erklärung reicht aber für sich allein nicht aus, um die Möglichkeit von Auswirkungen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 2 AWG 2002 zu belegen. Dazu hätte es einer Begründung bedurft, warum durch die Verwendung von Kabel-Granulat die Möglichkeit eines gesundheitlichen Risikos für die Tiere bestehe.
Nach dem Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz besteht die Gefahr, dass das Granulat in die Umwelt gelangt und dort in Einzelfällen von Kleinvogelarten und Kleinsäugern mit Nahrung verwechselt wird. Weiters geht aus diesem Gutachten hervor, dass es immer wieder zu Todfunden von Tieren kommt, in deren Därmen Kunststoffteile gefunden werden. Dem Gutachten ist aber nicht zu entnehmen, dass diese Kunststoffteile die Todesursache sind oder dass sie sonst Gefahren für deren natürliche Lebensbedingungen verursachen können.
Der abfalltechnische Amtssachverständige verweist hinsichtlich der einzelnen Tatbestände des § 1 Abs. 3 AWG 2002 teils auf die Notwendigkeit der Einholung von Gutachten aus anderen Fachbereichen, zum Teil erklärt er, dass diese Tatbestände nicht erfüllt seien.
Eine Ausnahme bildet der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z. 4 AWG 2002.
Ob aber die Verwendung des Kabel-Granulates auf dem Reitplatz tatsächlich die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann, ist dem Gutachten nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen.
Der Amtssachverständige spricht davon, dass auf Grund der unsachgemäßen Lagerung von Kabel-Granulat (großteils PVC mit Weichmachern und Stabilisatoren wie z.B. Schwermetalle) mit hohem Metallanteil auf unbefestigtem Boden im Freien (Vermischung mit Sand und Erde, Gefahr der Abschwemmung und Verwehung) die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden könnte, fügt hinzu, dass es dabei nach dem AWG 2002 keine Geringfügigkeitsgrenze gebe und fährt fort, diese Verunreinigungen hätten beim Ortsaugenschein im Nahbereich des Reitplatzes unmittelbar festgestellt werden können. Dabei sei ein Austrag sowohl über die Pferdehufe als auch über das Schuhwerk von Personen erfolgt, die den Reitplatz betreten; besonders hafte das Granulat auf feuchten Schuhsohlen.
Es ist richtig, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z. 4 AWG 2002 keine ausdrückliche Geringfügigkeitsgrenze kennt.
Wohl aber enthält § 1 Abs. 3 Z. 4 AWG 2002 eine Einschränkung insofern, als auf eine Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus abgestellt wird.
Ob im Beschwerdefall die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann, ist zumindest zweifelhaft. Die Ausführungen des Amtssachverständigen reichen für eine Beurteilung der Unvermeidlichkeit nicht aus.
Von der Möglichkeit einer Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus könnte jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn jene Verunreinigungen, die bei Verwendung des Granulats entstehen, auch bei Verwendung eines anderen Materials nicht vermieden werden könnten.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 22. Dezember 2005
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Begründung BegründungsmangelParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenBesondere RechtsgebieteParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005070088.X00Im RIS seit
23.01.2006Zuletzt aktualisiert am
19.10.2011