TE OGH 1991/10/17 12Os116/91 (12Os117/91)

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Veröffentlicht am 17.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Mai 1991, GZ 6 e Vr 11379/90-20, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Fabrizy, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Feitsch zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 27.November 1964 geborene Gerhard S***** wurde (zu A) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und (zu B) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in der Zeit von Mitte 1988 bis Juni 1990 35 Gramm Heroin, also Suchtgift in einer großer Menge, durch Verkauf in Verkehr gesetzt (A) und von Mitte 1988 bis zum 30.September 1990 Heroin erworben und besessen (B).

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 8 und 9 lit. b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keinem Punkt Berechtigung zu.

Eine Überschreitung der Anklage (Z 8) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß ihm das Ersturteil ohne Ausdehnung des (schriftlichen) Anklagevorwurfes (Anklageschrift vom 6. November 1990) auch den in einer erst am 7.November 1990 - also nachträglich - bei der Staatsanwaltschaft eingelangten "Nachtragsanzeige" vom 5.November 1990 erfaßten Erwerb von Suchtgift von Johann und Linda S***** zum Vorwurf mache.

Hiebei übersieht die Beschwerde jedoch, daß der diese Nachtragsanzeige betreffende Ausdehnungsvorbehalt der Staatsanwaltschaft vom 12.November 1990 in Richtung des § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG - also wegen des Verdachtes des Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge - zielte, indes insoweit kein Schuldspruch erging. Dieser umfaßte vielmehr sogar eine geringere als die von der Anklageschrift (ON 3) erfaßte Heroinmenge (insgesamt 35 statt ca. 60 Gramm). Für den Tatbestand nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG ist jedoch die Quantität des (erworbenen und besessenen) Suchtgiftes nicht entscheidend (LSK 1981/64), weshalb der betreffenden, der Beschwerde ersichtlich zum Ausgangspunkt dienenden Urteilspassage (S 205) bloß illustrative, jedoch keine für den Schuldspruch oder den anzuwendenden Strafsatz relevante Bedeutung zukommt und von einer Anklageüberschreitung nicht die Rede sein kann.

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. b) vertritt der Beschwerdeführer die Meinung, daß ein Verbrauch des Anklagerechtes hinsichtlich der nunmehr angeklagten Fakten deshalb eingetreten sei, weil die Oberstaatsanwaltschaft der in den Akten 6 e Vr 11647/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seitens des Oberlandesgerichtes nachträglich gewährten bedingten Strafnachsicht (§ 23 a Abs. 2 SuchtgiftG; § 410 StPO) trotz der bereits damals bekannten Rückfälligkeit des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten sei.

Auch diese Rüge geht fehl.

Denn abgesehen davon, daß die darin verfolgte Gedankenlinie nicht nachvollziehbar erscheint, sei nur der Vollständigkeit halber vermerkt, daß der betreffende Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.Mai 1990 unter Berufung auf den Bericht der Zentralstelle für Suchtkrankenhilfe vom 16.Mai 1990 ausdrücklich davon ausging, daß sich der Beschwerdeführer ab 20.April 1988 in regelmäßiger Betreuung und Kontrolle der genannten Zentralstelle befand und zwischen diesem Zeitpunkt und dem 16.Mai 1990 durchgeführte Harntests keinen Nachweis von Drogen und Medikamenten ergaben (siehe S 209 und 214 in den Akten 6 e Vr 11647/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), wobei ersichtlich der Bericht der Zentralstelle vom 12.Jänner 1989 übersehen worden war, wonach Gerhard S***** "in den letzten Wochen" (also Ende 1988 und Beginn 1989) einen Rückfall erlitten hatte (ON 24 der genannten Vr-Akten). Selbst wenn die Rückfälle des Beschwerdeführers in Form von Drogenkonsum der Anklagebehörde jedoch seinerzeit bekannt gewesen wären, mangelte es an jeglichem auch nur denkbaren Konnex zwischen dieser Kenntnis und der Anklageberechtigung in Ansehung der nunmehr urteilsgegenständlichen Verfehlungen.

Mit den obigen Darlegungen erledigt sich auch die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten, in welcher er dem Urteil "Aktenwidrigkeit" in Ansehung der Zahl der Rückfälle innerhalb der ihm seinerzeit gemäß § 23 a SuchtgiftG gewährten Probefrist moniert. Denn abgesehen davon, daß die bekämpfte Feststellung - es habe nur einen Rückfall im Jänner 1989 gegebenen - in der oben zitierten Mitteilung der Zentralstelle vom 12.Jänner 1989 Deckung findet, entbehrt nach dem Gesagten die Zahl der Rückfälle jeglicher rechtlichen Relevanz.

Ebensowenig zielführend ist der Vorwurf der Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5), wonach der Angeklagte 200 Gramm reines Heroin erworben habe, dieses jedoch nach den Angaben der Verkäufer "entsprechend gestreckt" gewesen sei. Denn ungeachtet dessen, daß die fragliche Quantitätsangabe im Urteil - wie oben gezeigt - bloß illustrativen Charakter besitzt und die Qualität des vom Angeklagten erworbenen Suchtgiftes wiederholt als sehr gut bezeichnet wurde (vgl. Seiten 17, 93, 99), waren - wie das Erstgericht zutreffend erkannte (S 211) - nähere Feststellungen über den Reinheitsgrad des Heroin schon im Hinblick auf die in Verkehr gesetzte, die "große Menge" im Sinne des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG um das mehr als Zwanzigfache übersteigende Quantität als ersichtlich irrelevant entbehrlich.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich den Beweiswert der von ihm vor den Beamten der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegebenen Menge des verkauften Heroins (S 57) mit dem Hinweis auf die den Vernehmungsbeamten angebotene "Zusammenarbeit" zu entkräften trachtet, führt er keine Tatsachenrüge nach der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO, sondern in Wahrheit eine gegen schöffengerichtliche Urteile in dieser Form unzulässige Schuldberufung aus. Der Sache nach bringt er nämlich nur vor, daß die vorliegenden Verfahrensergebnisse auch eine andere - für ihn günstigere - Würdigung zugelassen hätten, nicht aber, daß sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen jene Feststellungen ergeben, die das Schöffengericht auf Grund des abgelegten Geständnisses zu Lasten des Angeklagten getroffen hat.

Da auch die übrigen in der Tatsachenrüge ins Treffen geführten Argumente keine Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Konstatierungen zu erwecken vermochten, mußte der im ganzen unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg versagt bleiben.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG, 28 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und sprach ferner mit dem gleichzeitig gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO gefaßten Beschluß aus, daß der Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Verfahren 6 e Vr 11647/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ausgesprochen werde.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die bedingte Nachsicht der nunmehr verhängten Freiheitsstrafe, mit seiner gegen den Widerrufsbeschluß (der Sache nach) erhobenen Beschwerde das Absehen vom Widerruf, allenfalls unter Verlängerung der Probezeit und Erteilung von Weisungen, an.

Keines auch dieser beiden Rechtsmittel ist begründet, weil angesichts des Verkaufs einer beträchtlichen, der übergroßen Menge im Sinne des § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG nahekommenden Heroinquantität während einer laufenden Probezeit der Vollzug sowohl der seinerzeitigen als auch der nunmehrigen Freiheitsstrafe schon aus spezialpräventiven Erwägungen dringend geboten erscheint.

Anmerkung

E26966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00116.91.1017.000

Dokumentnummer

JJT_19911017_OGH0002_0120OS00116_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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