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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages infolge Vorliegen eines bloß minderen Versehens einer Kanzleimitarbeiterin bei Bearbeitung einer Reihe gleichgelagerter FälleSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem durch den bestellten Verfahrenshelfer eingebrachten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 2000, Zl. 225177/4-IV/14/00. Gleichzeitig wird die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen diesen Bescheid vorgelegt.
2. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Eine bewährte und äußerst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin habe den (am 6. April 2001 übernommenen) Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Burgenland, mit dem der nunmehrige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zu dessen Verfahrenshelfer bestellt worden war, samt dem Schreiben des Verfassungsgerichtshofes (Aufforderung an den Verfahrenshelfer zur Beschwerdeeinbringung) irrtümlich nicht in die Postmappe eingelegt, sondern auf einen zum Ablegen vorbereiteten Stoß bereits erledigter Schriftstücke gelegt.
Durch einen Zufall sei beim Durchblättern bereits abgelegter Bestellungsbescheide der Irrtum am 29. Mai 2001 bemerkt worden.
Im Antrag auf Wiedereinsetzung wird darauf hingewiesen, daß der betreffende Rechtsanwalt in einer beträchtlichen Anzahl gleichartiger Fälle zum Verfahrenshelfer bestellt wurde. Es handle sich um 143 Fälle, die sich in unterschiedlichen Verfahrensstadien befänden. Der Kanzleimitarbeiterin scheine angesichts des damit verbundenen erhöhten Anfalls zu bearbeitender Post der in Rede stehende Fehler unterlaufen zu sein.
In einer dem Antrag auf Wiedereinsetzung beiliegenden eidesstattlichen Erklärung bestätigt die betreffende Kanzleimitarbeiterin die im Antrag enthaltenen Ausführungen.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in Rede stehenden Frist ist berechtigt.
1.a) Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. z.B. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 14.157/1995).
b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gem. §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).
Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 29. Mai 2001 weg (s. oben, Pkt. I.2.). Da der Antrag auf Wiedereinsetzung am 1. Juni 2001 zur Post gegeben wurde, ist er rechtzeitig eingebracht.
c) Der glaubwürdige Umstand, daß im Zuge des beträchtlich erhöhten Anfalls zu bearbeitender Post, welcher mit einer Vielzahl gleichartiger, in unterschiedlichen Verfahrensstadien befindlicher Fälle in Zusammenhang stand, die Kanzleimitarbeiterin die in Rede stehenden Schreiben irrtümlich nicht in die Postmappe einlegte, sondern sie einem zum Ablegen vorbereiteten Stoß bereits erledigter Schriftstücke zuordnete, stellt ein unvorhergesehenes Ereignis dar, das auf einem minderen Grad des Versehens im Sinne des §146 Abs1 ZPO beruht.
2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gem. §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1803.2000Dokumentnummer
JFT_09988873_00B01803_00