Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verband *****, vertreten durch Dr.Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23.Juli 1991, GZ 1 R 196/90-17, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 10.September 1990, GZ 38 Cg 8/90-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Beklagte befaßt sich ua mit dem Verkauf von Orientteppichen; sie hat ihren Sitz in I***** und eine weitere Betriebsstätte in Wien ***** S*****gasse *****.
In der Tageszeitung "K***** vom 16.12.1989 kündigte sie einen "BANK-PFANDVERKAUF gem. Art 8 Nr. 14 EVHGB von verpfändeten ORIENTTEPPICHEN bis zu 65 % des Schätzwertes" im Pfandlager Wien ***** S*****gasse *****, unter dem an die Spitze gestellten Hinweis an: "Nur noch kurze Zeit! Täglich von 10-18 Uhr!"
Im "K*****" vom 20.12.1989 erschien eine im wesentlichen gleichlautende Anzeige der Beklagten mit dem einleitenden Hinweis: "Nur noch 8 Tage".
Am 10.1.1990 kündigte die Beklagte im "K*****" einen Pfandverkauf von Orientteppichen "bis zu 50 % unter dem Schätzpreis" in Wien ***** S*****gasse ***** an; hier gebrauchte sie eingangs die Wendung: "Nur kurze Zeit".
Im Marktmagazin des "K*****s" vom 9.12.1989 war unter der Überschrift "Millionenwerte an Orientteppichen kommen unter den Hammer" ein Bericht erschienen, in dem es ua geheißen hatte:
"Zu einer Fundgrube für Orientteppiche aller Art ... wird die
Kunstauktionshalle in der S*****gasse *****, W*****. Denn dort
werden Teppiche im Millionenwert bis zu 65 % des Schätzwertes
freihändig verkauft ... Auch 1990 sollte dieser 'Hammer'
anhalten, sollen doch Orientteppiche im Wert von 70 bis 100 Millionen Schilling nach Österreich kommen und hier wieder um bis zu 65 % des Schätzwertes freihändig verkauft oder versteigert werden".
Die Beklagte, welche Pfandverkäufe oder Versteigerungen verpfändeter Teppiche in ganz Österreich durchführt, mietet für die jeweils nur einige Wochen dauernde Aktion die verschiedensten Lokale; lediglich in Wien benützt sie immer ihr Verkaufslokal in Wien ***** S*****gasse *****. Dieses Geschäftslokal war im Jahr 1989 vom 9.1. bis 11.2., vom 3.4. bis 10.5., vom 19.8. bis 22.9. sowie vom 20.11. bis 23.12. und im Jahr 1990 vom 10.1. bis 20.1. geöffnet. Für alle diese Verkaufsveranstaltungen warb die Beklagte intensiv mit Anzeigen.
Mit der Behauptung, daß die Werbeankündigungen der Beklagten über die Dauer ihrer Verkaufstätigkeit irreführend seien, weil die Beklagte in Wahrheit den Verkauf von Orientteppichen in ihrem Wiener Verkaufslokal ständig ausübe, begehrt der klagende Verband zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, eine kurzfristige Verkaufstätigkeit, beispielsweise mit den Worten "Nur kurze Zeit", "Nur noch wenige Tage" oder Worten sinngemäß gleichen Inhaltes, anzukündigen, wenn es sich bei der angekündigten Verkaufstätigkeit tatsächlich nicht um eine solche kurzfristige Verkaufstätigkeit handelt.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der Kläger habe nicht bescheinigen können, daß sie in ihrem Wiener Verkaufslokal ständig Orientteppiche vertreibe. Die im "K*****" veröffentlichten Werbeankündigungen entsprächen den Tatsachen. Der Bericht im "Markt-Magazin" vom 9.12.1989 sei ihr, weil nicht von ihr veranlaßt, nicht zuzurechnen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte noch fest, daß die Betriebsstätte der Beklagten seit 21.1.1990 versperrt und das Warenlager entfernt worden ist und dort keine weitere Verkaufsveranstaltung stattgefunden hat. Ein Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG liege nicht vor, weil die beanstandeten Werbebehauptungen den Tatsachen entsprochen hätten, habe doch die jeweils angekündigte Verkaufsaktion tatsächlich nur noch die in den beanstandeten Inseraten angegebene Dauer gehabt.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Unternehmer, der eine als besonders preisgünstig bezeichnete Ware nur kurzfristig anbietet und dadurch den potentiellen Kundenkreis zu einem - sonst nicht
gefaßten - schnellen Entschluß veranlaßt, um die vermeintlich günstige, nicht wiederkehrende Gelegenheit zu versäumen, verschaffe sich einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Mitbewerbern. Das habe die Beklagte mit den beanstandeten Werbeanzeigen getan, in denen sie die Gelegenheit, Orientteppiche zu 65 oder 50 % des Schätzpreises zu kaufen, als kurzfristig bezeichnet habe, obwohl im Lauf des Jahres 1990 (wiederum) Ware in Millionenwerten mit einem ebenso großen Nachlaß abgegeben werden sollte. Da die Beklagte eine ständige - wenn auch nicht ununterbrochen andauernde - Verkaufstätigkeit zu denselben Bedingungen entfalte, seien ihre Inserate irreführend. Es gehe nicht an, daß sie ihre gleichartige Tätigkeit der Werbung und des Verkaufes in einzelne mehrwöchige "Verkaufsaktionen" aufteile, um durch Betonung der Kurzfristigkeit der einzelnen Verkaufsaktionen einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Daß der Bericht im "Markt-Magazin" vom 9.12.1989 nicht von der Beklagten veranlaßt wurde, habe keine Bedeutung; maßgebend sei vielmehr, daß der Bericht den Tatsachen entspricht.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil sich die konkrete Lösung des hier zu beurteilenden Falles wegen des Fehlens von Vorentscheidungen mit einem weitgehend gleichartigen Sachverhalt noch nicht ohne weiteres aus den bisher von der Rechtsprechung enwickelten Leitsätzen ergibt (ÖBl 1984, 104; ÖBl 1988, 75 uva); er ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, daß die beanstandeten Werbeankündigungen nicht irreführend gewesen seien, hätten doch die angekündigten Pfandverkäufe tatsächlich nur noch den jeweils angegebenen kurzen Zeitraum gedauert. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß eine Angabe nicht nur dann zur Irreführung geeignet ist (§ 2 UWG), wenn sie rein objektiv einen falschen Sachverhalt behauptet, sondern auch dann, wenn ihr - trotz sachlicher Richtigkeit - von den Personen, an die sie sich wendet, etwas Unwahres entnommen werden kann (Hohenecker-Friedl 23; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 43 f;
Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 761 Rz 21 zu § 3 dUWG;
ÖBl 1982, 97; ÖBl 1984, 70 uva). Maßgebend ist nämlich stets, wie der verwendete Wortlaut vom Verkehr aufgefaßt und welche Bedeutung ihm beigelegt wird (Hohenecker-Friedl aaO;
Koppensteiner aaO; Baumbach-Hefermehl aaO und 764 Rz 28;
ÖBl 1981, 48 uva). Mit der Realität zu vergleichen ist demnach
nicht - wie die Beklagte offenbar meint (S. 115) - der objektive
Inhalt der Behauptung, sondern die durch sie bei den beteiligten
Verkehrskreisen ausgelöste Vorstellung (so auch Koppensteiner
aaO). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren die in den
drei beanstandeten Inseraten gemachten Angaben über die (nur
noch) kurze Dauer der jeweiligen Pfandverkaufsveranstaltung objektiv richtig. Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, waren aber diese Ankündigungen durchaus geeignet, zumindest einen nicht unbeträchtlichen Teil des angesprochenen Publikums davon zu überzeugen, daß die Möglichkeit eines besonders günstigen Teppichkaufes in Wien ***** S*****gasse ***** in den nächsten Tagen für zumindest längere Zeit, wenn nicht für immer, zum letzten Mal bestehe. Diese Erwartung war aber unrichtig, hat doch die Beklagte zwar den im Dezember 1989 angekündigten Pfandverkauf mit 23.12.1989 eingestellt, dann aber schon am 10.1.1990 in derselben Verkaufsstelle wieder - noch dazu mit einer noch weitergehenden Preisreduktion - fortgesetzt. Im Hinblick auf diese Werbeankündigungen besteht die Wiederholungsgefahr ohne Rücksicht auf die im "Markt-Magazin" enthaltene Mitteilung über die von der Beklagten geplanten Teppicheinfuhren. Daß die Beklagte nach der Zustellung der Klage (24.1.1990) - jedenfalls bis zu dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt der Beschlußfassung erster Instanz (10.9.1990) - keine weitere Verkaufsveranstaltung in ihrer Wiener Betriebsstätte durchgeführt hat, ist ohne Bedeutung, läßt doch dieses Verhalten keinen Schluß darauf zu, daß die Beklagte auch bei Abweisung des Sicherungsantrages und des Klagebegehrens das beanstandete Verhalten nicht mehr fortsetzen werde.
Nach ständiger Rechtsprechung muß zwischen dem Umstand, daß die durch die Handlung hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, ein Zusammenhang bestehen (SZ 54/97; ÖBl 1987, 18 uva). Auch diese Voraussetzung hat das Rekursgericht zutreffend bejaht: Die Annahme, daß eine besonders günstige Kaufgelegenheit nur noch für kurze Zeit bestehe, kann zweifellos einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten dazu veranlassen, die in der Werbung angegebene Verkaufsstelle aufzusuchen und dann dort zu kaufen, während ohne die entsprechende Werbung der Entschluß zu einem Kauf bei der Beklagten möglicherweise nie gefaßt worden wäre. Die Beklagte hat sohin gegen § 2 UWG verstoßen.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.
Anmerkung
E27446European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00113.91.1022.000Dokumentnummer
JJT_19911022_OGH0002_0040OB00113_9100000_000