Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes
Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** P*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei DDr. G***** C*****, Rechtsanwalt *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der V***** C***** GmbH, ***** wegen Feststellung einer Konkursforderung (S 712.289,-- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. Juni 1991, GZ 2 R 52/91-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. Dezember 1990, GZ 23 Cg 351/90-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.663,20 (darin S 3.277,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der V***** C***** GmbH als Angestellte beschäftigt und seit 19. März 1990 Mitglied des Angestelltenbetriebsrates. Am 16. Mai 1990 wurde über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet. Daraufhin erklärte die Klägerin am 31. Mai 1990 ihren vorzeitigen Austritt gem § 25 KO. Während ihre sämtlichen Forderungen für einen Zeitraum bis zum 30. September 1990 anerkannt und durch den Insolvenzausfallgeldfonds gezahlt wurden, bestritt der beklagte Masseverwalter ihre Forderung auf Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 18. Oktober 1994.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung dieser Kündigungsentschädigung in Höhe von S 712,289,-- als Konkursforderung. Da sie gem den §§ 120 ff ArbVG besonderen Kündigungsschutz genossen habe, hätte ihr Arbeitsverhältnis im Sinne des § 20 AngG erst frühestens am 17. Juni 1994 gekündigt werden können.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Soweit ein Betriebsratsmitglied das Arbeitsverhältnis selbst löse, entfalle der besondere Bestandschutz. Der Klägerin stehe sohin nur eine Kündigungsentschädigung wie den anderen Arbeitnehmern zu, die sie bereits erhalten habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Kündigungsentschädigung eines Betriebsratsmitglieds unter Berücksichtigung des besonderen Kündigungsschutzes zu ermitteln sei.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies und sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers zum Betriebsrat erlösche und damit auch der im selben Augenblick funktionslos gewordene besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz. Es sei mit dem Zweck des übertragenen Betriebsratsmandats unvereinbar, das Mandat vorschnell und ohne objektiv zwingende Gründe aufzugeben und sich für finanzielle Vorteile zu entscheiden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Es trifft zwar zu, daß der Oberste Gerichtshof ua in zwei zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden Entscheidungen (Arb 10.407 und Arb 10.473) ausgesprochen hat, daß bei der Bemessung der Ansprüche eines gem § 25 Abs 1 KO ausgetretenen Betriebsratsmitgliedes im Hinblick auf § 29 AngG und § 1162 ABGB die gesamte (fiktive) Zeit des besonderen Kündigungsschutzes nach § 120 ArbVG einschließlich der dreimonatigen "Abkühlungsfrist" nach dem Ende der Funktionsperiode zu berücksichtigen sei. Dabei blieben aber die von der Lehre erhobenen Bedenken (vgl Tomandl,
Die Kündigungsentschädigung besonders kündigungsgeschützter Arbeitnehmer, ZAS 1986, 109 ff; Spielbüchler, ZAS 1986, 128 ff; Migsch, DRdA 1987, 307 ff; Mayer-Maly, Probleme aus der neueren Rechtsprechung zum besonderen Kündigungsschutz, DRdA 1989, 353 ff, 360 ff) ungeprüft, ob die bei Berücksichtigung des besonderen Bestandschutzes erhebliche finanzielle Besserstellung der Betriebsratsmitglieder gegenüber der übrigen Belegschaft im Falle eines Austritts nach § 25 Abs 1 KO mit dem Schutzzweck des § 120 ArbVG sachlich gerechtfertigt werden kann (zuletzt eingehend Kuderna, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes, DRdA 1990, 1 ff, 16 ff mwH). Der Oberste Gerichtshof hat sich diesen Bedenken nicht verschlossen, sondern bereits in einer Vorentscheidung erkannt, daß die Bestimmung des § 120 ArbVG es den Betriebsratsmitgliedern im wesentlichen ermöglichen soll, die Interessen der Belegschaft zu vertreten, ohne deshalb eine individuelle Diskriminierung durch den Arbeitgeber befürchten zu müssen. Hingegen ist die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und somit auch der zu schützenden Funktion aus Anlaß eines die ganze Belegschaft treffenden Ereignisses, wie einer Insolvenz, nicht vom Schutzzweck der §§ 120 ff ArbVG umfaßt. Eine finanzielle Besserstellung von gem § 25 KO austretenden Betriebsratsmitgliedern ist sohin nicht gerechtfertigt (vgl 9 Ob S 8/91 mwH aus Lehre und Judikatur; Runggaldier in RdW 1991, 294). Auf die in der Revision aufgeworfene Frage eines Verschuldensnachweises kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl Kuderna, Das Verschulden des Arbeitgebers am vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, DRdA 1984, 8 ff, 14 f mwH; RdW 1988, 137 ua).
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E27599European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0090OB00907.91.1023.000Dokumentnummer
JJT_19911023_OGH0002_0090OB00907_9100000_000