TE OGH 1991/10/23 3Ob558/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 22. Oktober 1973 geborenen mj. Michaela G*****, B*****-Lehrling, ***** infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters Bezirkshauptmannschaft A***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 7.Juni 1991, GZ R 339/91-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Haag vom 3. Mai 1991, GZ P 76/90-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Erstgerichtes vom 3.5.1991, ON 13, werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, die Auszahlung der mit Beschluß vom 15.4.1991, ON 9, innegehaltenen Unterhaltsvorschüsse anzuordnen.

Text

Begründung:

Der der Minderjährigen mit Beschluß vom 8.1.1991 für die Zeit vom 1.12.1990 bis 31.7.1991 gewährte Unterhaltsvorschuß nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich S 1.500,-- (der Vater der Minderjährigen hatte sich mit Vergleich vom 21.2.1990 zur Zahlung dieses Betrages ab dem 1.3.1990 verpflichtet, wobei nach dem Wortlaut der Unterhaltsvereinbarung die von der Minderjährigen bezogene Lehrlingsentschädigung und die Vermögenslage des Vaters berücksichtigt wurden) wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 3.5.1991 mit dem 30.4.1991 eingestellt. Die Minderjährige sei seit April 1991 im zweiten Lehrjahr beschäftigt. Die monatliche Lehrlingsentschädigung betrage inklusive Sonderzahlungsanteile ca. S 4.700,-- netto. Dieser Betrag liege weit, nämlich rund S 1.100,--, über dem Regelbedarf eines 17-jährigen Kindes.

Bereits zuvor hatte das Erstgericht (Beschluß vom 15.4.1991, ON 9) gemäß § 19 Abs.3 UVG die Innehaltung angeordnet, da es Bedenken hatte, daß es zu einer Änderung der Vorschüsse iS des § 19 Abs.1 UVG nach ergänzenden Erhebungen kommen werde.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Nach § 6 Abs.1 UVG dürften Vorschüsse monatlich den Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs.1

Buchstabe c/bb/erster Fall ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 f ASVG), nicht übersteigen. Ein Einstellungsgrund nach § 20 Abs.1 Z 4 lit.a UVG sei in dem Ausmaß anzunehmen, in dem der Richtsatzbetrag durch eigene Einkünfte des Kindes gedeckt sei; denn der Zweck des UVG sei nicht auf eine völlige Substitution von Unterhaltsleistungen, sondern nur darauf gerichtet, im wesentlichen im Rahmen bereits festgesetzter Unterhaltsansprüche den Unterhalt von Kindern aus Mitteln der Allgemeinheit und daher auch nur bis zur Höhe des Richtsatzes zu sichern. Auch ein Kind ohne eigene Einkünfte müsse sich mit einem Vorschuß in Richtsatzhöhe begnügen. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, ein Kind mit eigenem Einkommen gegenüber einem einkommenslosen Kind besserzustellen. Der im § 6 Abs.1 UVG erwähnte Richtsatz betrage ab 1.1.1991 S 3.980,--; demgegenüber stehe eine Lehrlingsentschädigung von monatlich etwa S 4.700,-- netto im Jahresschnitt. Lehrlingsentschädigungen seien als eigene, den Unterhaltsanspruch mindernde Einkünfte des Kindes in jenem Ausmaß anzusehen, das sich nach Abzug der durch die Berufsausbildung erforderlichen Aufwendungen ergebe. Die Minderjährige beziehe seitens ihres Lehrberechtigten ein Fahrgeld als Entschädigung für die Fahrt zum Arbeitsplatz; ein Pauschalbetrag von S 720,-- erscheine unter diesen Umständen für die Abgeltung der genannten Aufwendungen ausreichend. Das anrechenbare Einkommen der Minderjährigen betrage daher zumindest S 3.980,--, wodurch der Richtsatzbetrag gemäß § 6 Abs.1 UVG erreicht werde.

Der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft A***** als des Unterhaltssachwalters der Minderjährigen ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist, worauf bereits in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen wurde, in der vorliegenden Frage nicht einheitlich (siehe bes. Stockart-Bernkopf, ÖA 1991, 41 f, mit vielen Beispielen). Das Rekursgericht ist den Entscheidungen 6 Ob 598/90 (= UV 7 bei Stockart-Bernkopf) und 7 Ob 519/91 gefolgt, in denen der Standpunkt vertreten wurde, es dürften Vorschüsse, beziehe das minderjährige Kind eigene Einkünfte, den Unterschiedsbetrag zwischen dem im § 6 Abs.1 UVG genannten Richtsatz und den eigenen Einkünften nicht übersteigen. Soweit deshalb der in § 6 Abs.1 UVG genannte Richtsatz durch eigene Einkünfte gedeckt sei, sei ein Einstellungsgrund nach § 20 Abs.1 Z 4 lit.a UVG anzunehmen.

In der jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 584/91 hat der Senat 6 seine frühere Rechtsprechung dahin modifiziert, daß die Vorschüsse, beziehe das minderjährige Kind eigene Einkünfte, den Unterschiedsbetrag zwischen dem erwähnten Richtsatz und den eigenen Einkünften nicht übersteigen dürften, soweit diese zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen seien. Vorschüsse nach dem Unterhaltsvorschußgesetz würden auf die in Geldzahlungen zu erfüllenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gewährt. Die im Rahmen der elterlichen Obsorge zu erfüllenden Betreuungsleistungen blieben völlig außer Ansatz. Soweit eigene Einkünfte eines unterhaltsberechtigten Minderjährigen zur Deckung seiner Unterhaltsbedürfnisse zur Verfügung stünden, könne das auch für die Vorschußgewährung nach dem UVG nur insoweit von Bedeutung sein, als die eigenen Einkünfte zur Befriedigung der durch Geldzahlungen des Unterhaltsschuldners abzudeckenden Unterhaltsbedürfnisse heranzuziehen seien.

Ähnlich argumentierte auch schon der 8.Senat (8 Ob 550/90 = UV 3 bei Stockart-Bernkopf; 8 Ob 504/91). Der erkennende Senat hat im Ergebnis ebenfalls schon einmal dieselbe Ansicht vertreten (3 Ob 577/90 = UV 16 bei Stockart-Bernkopf) und hält an dieser Auffassung fest.

Beim sog. Titelvorschuß kommt gemäß § 20 Abs 1 Z 4 b UVG iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG eine Einstellung der Vorschüsse nicht schon dann in Betracht, wenn das Eigeneinkommen des Kindes den in § 6 Abs 1 UVG genannten Richtsatz überschreitet, sondern erst dann, wenn das Eigeneinkommen des Kindes so hoch ist, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht mehr besteht. Dies hat kürzlich auch der 4.Senat in einer ausführlichen Entscheidung unter Ablehnung der Entscheidungen 6 Ob 598/90 und 7 Ob 519/91 ausgesprochen (3 Ob 549/91).

Eigene Einkünfte eines Kindes sind im Sinne der Rechtsprechung

des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 624/90 = ÖA 1991, 53; 3 Ob

547/90 = ÖA 1991, 77 ua) auf die von beiden Elternteilen

gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen.

Auch über die Art der Anrechnung der Lehrlingsentschädigung (oder eines ähnlichen Eigeneinkommens des Kindes) auf beide Elternteile gab es anfänglich eine etwas unterschiedliche Judikatur. In letzter Zeit hat sich aber mehr oder weniger die Ansicht durchgesetzt, daß in der Regel, also wenn nicht besondere Umstände ein anderes Verhältnis nahelegen, etwa die Hälfte des Eigeneinkommens dem betreuenden Elternteil und nur die andere Hälfte dem Geldunterhalt schuldenden Elternteil anzurechnen sei. Es wurde zwar abgelehnt, diese schon in der früheren Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz vorkommende Hälfteregelung mit "pädagogischen oder sozialpolitischen"

Überlegungen zu rechtfertigen (3 Ob 347/90 = ÖA 1991, 77; 3 Ob

579/90 = U 6 bei Stockart-Bernkopf). Für die Anrechnung des Eigeneinkommens auf die Unterhaltspflicht beider Elternteile ist die Formel aber als Zweifelsregel durchaus brauchbar.

Mehrere Senate des Obersten Gerichtshofes haben weiters schon ausgesprochen, daß die zur Unterhaltsbefreiung des nicht betreuenden Elternteiles führende Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes bei einfachen Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß eben außer dem Geldunterhalt auch noch die Betreuung benötigt wird, erst bei einem Eigeneinkommen anzunehmen ist, das dem Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG entspricht (1 Ob 594/90, 2 Ob 534/91, 3 Ob 347/90, 4 Ob 511/91, 5 Ob 513/91, 6 Ob 570/90, 8 Ob 509/91).

Das im vorliegenden Fall festgestellte Eigeneinkommen des Kindes von 4.700 S monatlich erreicht diese Mindestpensionshöhe nicht. Damit stand dem Kind der im Exekutionstitel festgelegte Geldunterhalt von 1.500 S für den kritischen Zeitraum noch zu.

Im vorliegenden Fall würde übrigens die Summe aus dem halben, auf den Titelunterhalt anzurechnenden Eigeneinkommen (2.350,-- S) und dem titulierten Unterhaltsbetrag (1.500 S) auch den Richtsatz nach § 6 Abs 1 UVG noch nicht übersteigen, sodaß nicht dazu Stellung zu nehmen ist, ob eine hierauf abstellende (auch schon vertretene) These zutreffend ist.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E27394

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00558.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_0030OB00558_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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