TE OGH 1991/10/23 3Ob93/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dkfm. Heinz H*****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Helmut H*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Katharina Rueprecht, Rechtsanwältin in Wien, wegen zwangsweiser Räumung einer Wohnung, hier wegen der Ausfolgung einer Sicherheit, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 4. April 1991, GZ 48 R 190/91-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Feber 1991, GZ 47 C 165/89b-31, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Punkt 2 Absatz 2 (Anordnung der Ausfolgung der zu AZ 47 C 49/90 des Erstgerichtes erlegten Sicherheit von S 100.000 an die verpflichtete Partei) dahin abgeändert, daß der auf Ausfolgung dieser Sicherheit gerichtete Antrag der verpflichteten Partei abgewiesen wird. Die Sicherheit hat in Verwahrung zu bleiben.

Die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes bleibt aufrecht. Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit S 5.094 (darin S 849,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Auf Grund des zwischen den Parteien am 16. März 1989 zustande gekommenen und protokollierten Vergleiches wurde dem betreibenden Hausverwalter wider den Verpflichteten am 4. Jänner 1990 die zwangsweise Räumung der Wohnung im Haus S*****gasse 28 in 1070 Wien bewilligt. Die Räumung sollte am 6. Feber 1990 vollzogen werden. In seinem rechtzeitigen Rekurs gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß beantragte der Verpflichtete die Aufschiebung der Exekution (§ 42 Abs. 1 Z 7 EO). Der Verpflichtete erlegte auf telefonische Aufforderung des Erstrichters eine "Kaution" von S 75.000,-- zu PGNr 524/90, worauf der Räumungstermin abgesetzt und am 1. März 1990 die Räumungsexekution bis zur Entscheidung über den Rekurs gegen den die Exekution bewilligenden Beschluß unter Erwähnung der schon erlegten Sicherheit von S 75.000,- aufgeschoben wurde.

Schon am 30. Jänner 1990 hatte der Verpflichtete gegen den betreibenden Gläubiger eine Klage auf Nichtigerklärung des Titelvergleiches mit dem Eventualbegehren erhoben, der Räumungsanspruch aus dem Vergleich sei aufgehoben. Der betreibende Gläubiger sei nur Hausverwalter und nicht Vermieter. Diese hätten mit dem Verpflichteten einen neuen Mietvertrag geschlossen. Mit dieser Klage verbunden beantragte der Verpflichtete, die Räumungsexekution bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits aufzuschieben, und erklärte seine Bereitschaft zum Erlag einer Sicherheit.

Der Beschluß des Rekursgerichtes vom 29. März 1990, womit der Räumungsexekutionsbewilligungsbeschluß zur Gänze bestätigt wurde, war am 24. April 1990 den Prozeßbevollmächtigten der Parteien zugestellt worden. Das Erstgericht beabsichtigte, einen neuen Termin zur zwangsweisen Räumung anzusetzen (AS 35).

Über den am 11. Mai 1990 nach Verbesserung wieder vorgelegten Antrag der betreibenden Partei ordnete das Erstgericht den Vollzug der Räumung schließlich für den 19. Juni 1990 neuerlich an (Beschluß vom 14. Mai 1990) und wies mit Beschluß vom 28. Mai 1990 - unrichtig im Prozeßakt statt im Exekutionsakt - den mit der Klage verbundenen Aufschiebungsantrag ab.

Der Verpflichtete rekurrierte sowohl gegen die Anordnung des neuen Vollzugs der Räumung als auch gegen die Abweisung seines Antrags, die Räumungsexekution bis zur Erledigung des Prozesses aufzuschieben. Das Erstgericht verfügte am 7. Juni 1990 nach Einlangen beider Rekursschriften die Absetzung des für den 29. Juni 1990 anberaumten Vollzugstermines und forderte, weil mit dem Rekurs gegen die Ablehnung der Exekutionsaufschiebung ein neuer Antrag verbunden war, die Exekution bis zur Erledigung dieses Rechtsmittels aufzuschieben, am 18. Juni 1990 von der Rechtsanwältin des Verpflichteten eine "Kaution von S 100.000", andernfalls die Delogierung fortgesetzt werde. Der Verpflichtete erlegte beim Erstgericht zu PGNr 2390/90 am 26. Juni 1990 S 100.000. Über den neuen Aufschiebungsantrag hat das Erstgericht nicht entschieden, sondern die Akten mit den beiden Rekursen dem Rekursgericht vorgelegt.

Schon am 11. Juli 1991 bestätigte dieses die Anordnung des neuen Vollzuges und die Abweisung des Antrags auf Aufschiebung der Exekution bis zur Erledigung des Prozesses (48 R 408/90-16 und 48 R 407/90-47). Noch vor Zustellung der Rekursentscheidungen setzte das Erstgericht den neuen Räumungstermin für den 5. Oktober 1991 an.

Das Erstgericht wies am 31. August 1990 den am 25. Juni 1990 wiederholten Antrag des Verpflichteten auf Exekutionsaufschiebung bis zur Prozeßerledigung und am 28. September 1990 den Antrag ab, die Exekution bis zur Entscheidung über den vom Verpflichteten gegen den zur Gänze bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs aufzuschieben, ab und dieses Rechtsmittel zurück. Die Räumung wurde am 5. Oktober 1990 vollzogen.

Der Verpflichtete beantragte, ihm die erlegten Beträge an Sicherheiten von S 75.000 und S 100.000 auszufolgen.

Der betreibende Hausverwalter beanspruchte die Beträge für sich als Ersatz angeblich ihm durch den Aufschub der Räumung entstandener Schäden.

Das Erstgericht "stellte fest", daß dem betreibenden Gläubiger gegen den Verpflichteten im Zuge des Räumungsexekutionsverfahrens Forderungen an "Speditionsspesen, Rechtsvertretungskosten, entgangenem Hauptmietzins, Sanierungs- und Instandsetzungsaufwand und Benützungsentgelt" von zusammen S 286.002,76 zustehen und verfügte die Herausgabe der Kautionsbeträge von S 75.000 und S 100.000 an die betreibende Partei.

Das Rekursgericht hob über den Rekurs des Verpflichteten im Umfang der Anfechtung den Beschluß des Exekutionsrichters, soweit er eine S 14.977,52 (unbekämpft) übersteigende Forderung der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten feststellte, als nichtig auf und änderte den Beschluß im übrigen dahin ab, daß der diesen Teilbetrag übersteigende Ausfolgungsantrag der betreibenden Partei abgewiesen wird und die Sicherheit von S 100.000 an den Verpflichteten auszufolgen ist. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Da übereinstimmende Anträge der Parteien des Exekutionsverfahrens nicht vorlägen, sei die zur Bewirkung der Exekutionsaufschiebung erlegte Sicherheit von S 75.000, soweit nicht die Ausfolgung eines Teilbetrages an die betreibende Partei unangefochten blieb, weiter zu verwahren, weil der Exekutionsrichter nicht zur Entscheidung berufen sei, welche Schäden aus der Sicherheit zu decken seien. Hingegen handle es sich bei dem vom Verpflichteten erlegten Betrag von S 100.000 nicht um eine zur Bewirkung einer Exekutionsaufschiebung erlegte Sicherheit und der betreibenden Partei stehe daran kein Pfandrecht zu. Der Antrag, die Exekution wegen der Klagsführung aufzuschieben, sei abgewiesen worden. Dem Rekurs gegen die Abweisung sei keine hemmende Wirkung zuerkannt worden, das Erstgericht habe nach Rücklangen der Akten vom Rekursgericht auch noch vor der Zustellung der (bestätigenden) Entscheidung einen neuen Räumungstermin anberaumt. Der Erlag der S 100.000 habe keine Aufschiebung der Räumungsexekution bewirkt. Insoweit sei der Ausfolgungsantrag des Verpflichteten berechtigt. Zu dieser Rechtsfrage fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei, die sich nur gegen die Ausfolgung der S 100.000 an den Verpflichteten wendet und die weitere Verwahrung als Sicherheit anstrebt, im übrigen aber den Beschluß des Rekursgerichtes unbekämpft läßt, ist nach dem § 78 EO und dem § 528 Abs. 1 ZPO zulässig und berechtigt.

Abgesehen davon, daß der Revisionsrekurswerber nur Verwalter der Liegenschaft aber nicht deren Eigentümer sein soll, der den mit dem gerichtlichen Vergleich erworbenen Anspruch auf Räumung einer Wohnung im verwalteten Haus durchsetzte, steht ihm das Pfandrecht an einem erlegten Betrag für den Anspruch, in Ansehung dessen die Sicherheitsleistung erfolgte, nach § 78 EO und § 56 Abs. 3 ZPO iVm § 44 Abs. 2 EO dann zu, wenn die Aufschiebung der Exekution von einer solchen Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde und daher die Leistung der Sicherheit die Aufschiebung wirksam werden ließ. Eine "faktische Exekutionsaufschiebung" allein reicht nicht aus, dem betreibenden Hausverwalter ein Pfandrecht für eine ihm selbst entstandene Forderung an Schaden durch Verzögerung seines Anspruches - und nicht etwa im Vermögen der Liegenschaftseigentümer eingetretene Nachteile - zu verschaffen. Das Rekursgericht hat zwar richtig erkannt, daß der Erlag von S 100.000 als "Kaution" durch den Verpflichteten über die Aufforderung des Prozeßrichters im Rechtsstreit zu 47 C 49/90 vom 18. Juni 1990 erlegt wurde, der wieder die Forderung des betreibenden Gläubigers voranging, wegen des - wohl der Liegenschaftseigentümerin - drohenden Mietzinsausfalls eine Besicherung durch eine Kaution von S 100.000 vorzuschreiben, und daß die Verlegung des Räumungstermines bereits vorher am 7. Juni 1990 angeordnet wurde, als sich wegen Erhebung der beiden Rekurse die Notwendigkeit der Aktenvorlage an das Rekursgericht ergab. Diese Verschiebung wurde daher zunächst nicht vom Erlag einer Sicherheit abhängig gemacht. Der mit der Erhebung der Klage begründete Aufschiebungsantrag (§ 42 Abs. 1 Z 1 und Z 5 EO) war abgewiesen. Über den Antrag, wegen Rekurserhebung die Aufschiebung zu bewilligen, wurde nicht entschieden. Allen weiteren Anträgen auf Aufschiebung der Räumungsexekution wurde später nicht stattgegeben. Es wurde jedoch am 18. Juni 1990 die Aufschiebung iSd § 44 Abs. 2 EO durch richterliche Anordnung von dem Erlag der Sicherheit von S 100.000 abhängig gemacht, so daß dem betreibenden Gläubiger ein Pfandrecht an diesem Erlagsbetrag zusteht und sein Verlangen nach der weiteren Verwahrung dieses Betrages gerechtfertigt ist.

Die vorläufige Absetzung des Räumungstermines vom 19. Juni 1990 erfolgte zwar nicht allein auf Grund des Rekurses gegen die Ablehnung der Aufschiebung wegen der Klage auf Nichtigerklärung des Titels und der Einwendungen nach § 35 EO sondern auch wegen des Rekurses gegen die Bewilligung eines neuerlichen Vollzugs. Eine "faktische" Aufschiebung oder Untätigkeit des Gerichtes allein mag nicht als Aufschiebungsanordnung iSd § 42 EO angesehen werden, die vom Erlag der Sicherheit abhängig war.

Die Bewilligung der Aufschiebung der Exekution bis zur Erledigung des Rekurses gegen die Verweigerung des Exekutionsaufschubes hätte auch besser in einem an beide Parteien auszufertigenden Beschluß erfolgen sollen, dessen Wirksamkeit erst nach Erlag der mit S 100.000 bestimmten Sicherheit eintreten sollte. Die Anordnung, daß der verpflichteten Partei eine Sicherheit von S 100.000 abverlangt werde, deren Erlag bis zum 25. Juni 1990 nachzuweisen sei, "andernfalls die Exekution zur zwangsweisen Räumung fortgesetzt würde" (richterliche Verfügung vom 18. Juni 1990 im Prozeßakt), bedeutet jedoch, daß das Gericht das Unterbleiben der Anordnung eines neuen Räumungstermines vor Vorlage der Akten (unter Zurückbehaltung der für die Fortsetzung der Räumungsexekution notwendigen Aktenstücke oder allenfalls nach Anfertigung der erforderlichen Ablichtungen iSd § 179 Abs. 4 Geo) vom Erlag der Sicherhehit abhängig gemacht hatte und erst nach Nachweis des Erlages davon absah, sogleich einen neuen Räumungstermin festzusetzen. Damit findet die betreibende Partei für Schäden, die aus dieser Verzögerung in ihrem Vermögen (nicht dem anderer Personen) entstanden, in der Sicherheit Deckung (SZ 21/9 ua). Bevor nicht ein übereinstimmender Antrag beider Parteien oder eine zwischen ihnen darüber Klarheit schaffende gerichtliche Entscheidung vorliegen, kann also auch die Sicherheit von S 100.000 nicht ausgefolgt werden.

In dem Streit um die Ausfolgung hat der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger nach § 74 EO die Kosten des erfolgreichen zur Abwendung der vom Verpflichteten beantragten und vom Rekursgericht angeordneten sofortigen Ausfolgung des erlegten Betrages von S 100.000 erforderlichen Revisionsrekurses zu ersetzen. Der vom Rekursgericht dem Verpflichteten zuerkannte Ersatz der Rekurskosten bleibt jedoch von der durch den Obersten Gerichtshof vorgenommenen Abänderung unberührt, weil sich der Verpflichtete erfolgreich dagegen wehrte, daß es zu der vom betreibenden Gläubiger beantragten Ausfolgung der Sicherheit an diesen komme. Bei dem einseitigen Rechtsmittel spielt es nämlich keine Rolle, daß der Verpflichtete mit seinem Rekurs gegen den erstrichterlichen Beschluß nur teilweise Erfolg hatte und die angestrebte sofortige Ausfolgung des erlegten Betrages von S 100.000 nicht erreichte wohl aber die weitere Verwahrung.

Anmerkung

E27390

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00093.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_0030OB00093_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten