Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Ing. Robert Eheim als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** R*****, kaufmännischer Angestellter, ***** vertreten durch *****Rechtsanwalt*****, wider die beklagte Partei ARBEITSAMT VERSICHERUNGSDIENSTE T*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenzausfallgeld, Streitwert 20.035 S (Revisionsstreitwert 19.919,20 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juni 1991, GZ 5 Rs 66/91-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 1991, GZ 47 Cgs 20/91-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.264 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 544 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war kaufmännischer Angestellter der R***** Gesellschaft mbH & Co KG, über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes *****vom 24. Juli 1990 der Konkurs eröffnet wurde. Auf Antrag des Masseverwalters wurde der Kläger gemäß § 15 a GesmbHG zum Notgeschäftsführer der Komplementär-GesmbH bestellt. Seine Funktion war ausdrücklich auf alle im Zusammenhang mit einem allenfalls (über die GesmbH) zu eröffnenden Konkursverfahrens sowie der Abwicklung des eröffneten Konkursverfahrens (über die KG) erforderlichen Maßnahmen und Handlungen beschränkt. Mit Schreiben vom 21. August 1990 erklärte der Kläger gegenüber der Gemeinschuldnerin den Austritt gemäß § 25 KO. Die beklagte Partei erkannte dem Kläger Insolvenzausfallgeld im Gesamtbetrag von 60.039 S zu und lehnte das Mehrbegehren von 20.035 S ab.
Der Kläger begehrte die Zuerkennung des letztgenannten Betrages und brachte vor, daß auch seine Ansprüche für den Zeitraum ab dem 6. August 1990 aus dem Arbeitsverhältnis zur Gemeinschulderin resultierten. Die Berufung zum Notgeschäftsführer der GesmbH sei nach Konkurseröffnung erfolgt; dem Kläger sei es nicht möglich gewesen, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin Einfluß zu nehmen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ausschlußbestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG sei auch auf Ansprüche von Organmitgliedern der KomplementärgesmbH aus ihrem Arbeitsverhältnis zur KG anzuwenden. Zum Zeitpunkt seines Austrittes sei der Kläger Organ der KomplementärgesmbH der Gemeinschuldnerin gewesen, so daß er keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld für die aus dem Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin nach dem 6. August 1990 abgeleiteten Forderungen einschließlich der geltend gemachten Kündigungsentschädigung habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verwies auf die Ausschlußbestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, änderte das Ersturteil - unter Bestätigung einer Abweisung von 115,80 S - im Sinne einer Klagestattgebung mit 19.919,20 S ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß zwar grundsätzlich Organmitgliedschaft und Ansprüche nach dem IESG für diesen Zeitraum unvereinbar seien, daß aber im vorliegenden Fall darauf Bedacht zu nehmen sei, daß der Kläger als Notgeschäftsführer erst nach Konkurseröffnung über das Vermögen seiner Arbeitgeberin bestellt worden sei. Damit seien auch auf die geschäftsführende Komplementärgesellschaft und den Kläger als deren Notgeschäftsführer die sich aus § 3 KO ergebenden Beschränkungen der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis anzuwenden. Die Stellung des Klägers und seine rechtliche Einflußmöglichkeit seien infolge dieser Beschränkungen weder mit denen eines Geschäftsführers im allgemeinen, noch eines außerhalb eines Konkurses bestellten Notgeschäftsführers vergleichbar. Im Falle des Klägers habe daher der vom Gesetzgeber verpönte vermutete Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft gar nicht zum Tragen kommen können. Die Ansprüche des Klägers seien daher auch für den Zeitraum ab 6. August 1990 gesichert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Rechtsstellung eines erst nach Konkurseröffnung bestellten Notgeschäftsführers der Komplementärgesellschaft mbH der Gemeinschuldnerin infolge der sich aus § 3 KO ergebenden weitgehenden Beschränkungen nicht mit der Rechtsstellung vergleichbar ist, die dem Organ einer juristischen Person im allgemeinen zukommt. Die vor allem durch die unterschiedliche Einflußmöglichkeit der Organe und der übrigen Arbeitnehmer auf die Lage des Unternehmens vor Konkurseröffnung gerechtfertigte Ausschlußbestimmung (siehe VfGHSlg 9935 sowie Schima, Zur Insolvenzentgeltsicherung von Organmitgliederansprüchen, ZAS 1989, 37 ff (38 f)) ist auf den Kläger, der ungeachtet seiner Organstellung zufolge der sich aus § 3 KO ergebenden Verfügungsunfähigkeit bezüglich der Masse eine der Organstellung adäquate Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bezüglich der Gemeinschuldnerin niemals erlangt hat, nicht anzuwenden. Während der gesamten Dauer der Organschaft des Klägers kam die wesentliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis vielmehr gemäß § 83 KO dem Masseverwalter zu, so daß der Kläger zwar Organ der Komplementärgesellschaft, aber als solches nicht zur gesetzlichen Vertretung der Gemeinschuldnerin im Sinne des § 1 Abs 6 Z 2 IESG berufen war.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf dem § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
Anmerkung
E27597European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBS00014.91.1023.000Dokumentnummer
JJT_19911023_OGH0002_009OBS00014_9100000_000