TE OGH 1991/10/24 7Ob25/91

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Veröffentlicht am 24.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht duch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erste Allgemeine Versicherungs-AG, Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 8, vertreten durch Dr.A.Ruschitzger und Dr.W.Muchitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Marjana L*****, vertreten durch Dr.Heinz Eger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 100.000 infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1991, GZ 1 R 305/90-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 8. Oktober 1990, GZ 6 Cg 60/90-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.094 (darin S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war Halterin eines PKWs, den sie bei der klagenden Partei haftpflichtversichert hatte. Sie überließ dieses Fahrzeug am 23.10.1989 Fritz R*****, damit dieser zu seiner Arbeitsstätte in der Obersteiermark fahren könne. Sie hat früher R***** wiederholt beim Fahren eines PKWs gesehen und nahm an, daß er einen Führerschein habe. Sie fragte ihn dennoch "spaßhalber" danach. R***** begab sich daraufhin in seine Wohnung und kam mit der Erklärung zurück, daß er den Führerschein nicht vorlegen könne, weil er ihn nicht da habe, die Beklagte solle ihm vertrauen. Dies tat die Beklagte und trug ihm ausdrücklich auf, daß er niemanden anderen mit ihrem PKW fahren lassen dürfe. R***** überließ die Lenkung des Fahrzeuges am nächsten Tag Eduard W*****, der ebenfalls über keine Lenkerberechtigung verfügte. W***** hat dabei einen Verkehrsunfall zumindest mitverschuldet. Die Klägerin hat aus Anlaß dieses Verkehrsunfalles an dritte Unfallsgegner mehr als S 100.000 an Versicherungsleistungen erbracht.

Die Klägerin begehrt mit der auch gegen Eduard W***** und Franz R*****, gegen die Versäumungsurteile ergangen sind, erhobenen Klage von der Beklagten den Regreß von S 100.000. Die Beklagte habe ihr Fahrzeug R***** überlassen, ohne sich von dessen Lenkerberechtigung zu überzeugen. Die Obliegenheitsverletzung der Beklagten stünde im adäquaten Zusammenhang mit der Obliegenheitsverletzung des R*****.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß sie aufgrund zahlreicher Umstände der Überzeugung gewesen sei, daß R***** über eine gültige Lenkerberechtigung verfüge. R***** habe das Fahrzeug gegen ihren Willen dem führerscheinlosen W***** überlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe annehmen dürfen, daß R***** im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung sei, Eduard W***** habe ohne ihren Willen ihr Fahrzeug gelenkt. Die Beklagte habe daher keine Obliegenheitsverletzung begangen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und erklärte die Revision für zulässig. Die leihweise Überlassung des PKWs an R***** habe diesen zum Mithalter gemacht. Der von ihm mit der Lenkung betraute W***** sei daher kein Schwarzfahrer gewesen. Die Beklagte habe sich aber nicht darüber ausreichend vergewissert, ob R***** über eine gültige Lenkerberechtigung verfüge. Sie habe auch damit rechnen müssen, daß R***** das Fahrzeug jemandem anvertraue, der ebenfalls über keine gültige Lenkerberechtigung verfüge. Die Beklagte habe daher auch für das Verschulden ihres Bevollmächtigten einzutreten. Zumindest sei der Beklagten vorzuwerfen, daß sie nicht alles in ihrer Macht Stehende getan habe, um die Obliegenheitsverletzung R***** zu verhindern. Sie habe daher nicht den erforderlichen Kausalitätsgegenbeweis erbracht.

Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach Art 6 Abs 2 lit b AKHB (= § 7 Abs 2 Z 1 AKHB 1985) (Führerscheinklausel) ist als Obliegenheit, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist und deren Verletzung im Zeitpunkt des Schadensereignisses die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt, bestimmt, daß der Lenker eine Lenkerberechtigung für die Gruppe besitzt, in die das Fahrzeug fällt; die Verpflichtung zur Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen aber bestehen, wenn diese ohne Verschulden annehmen konnten, daß der Lenker die Lenkerberechtigung besitzt, oder wenn der Lenker das Fahrzeug ohne Willen des Halters gelenkt hat. Ob die Annahme des Berufungsgerichtes, das (offensichtlich bloß vorübergehende) Überlassen des Fahrzeuges zum Zurückfahren an den Arbeitsplatz am Folgetag habe bereits die Mithaltereigenschaft des R***** begründet, richtig ist, muß hier nicht weiter geprüft werden.

Mit der Überlassung des PKWs an R***** wurde diesem die faktische Verfügungewalt daran übertragen. Nach der einhelligen Judikatur genügt die ausdrücklich abgegebene Erklärung, einen Führerschein zu besitzen nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die diese Behauptung als glaubwürdig erscheinen lassen, im allgemeinen ist hier jedoch ein strenger Maßstab anzulegen (vgl zuletzt ZVR 1988/74 = VR 1988, 23).

Das Versprechen R***** gegenüber der Beklagten, das Fahrzeug keinem weiteren Lenker zu überlassen, befreite diese nicht von ihrer Haftung gegenüber der klagenden Partei. In der Rechtsprechung und Lehre (vgl Prölss-Martin VVG24, 1126 mwN) wird zwar die Auffassung vertreten, daß ein auf einer vom Überlasser des Fahrzeuges nicht genehmigten Strecke vom Lenker, der ohne Lenkerberechtigung fährt, verursachter Unfall eine Schwarzfahrt im Sinne des Art 6 Abs 2 lit b AKHB darstelle. Ob diese von Schweitzer mit triftigen Gründen kritisierte Ansicht (vgl VersR 1968, 924) geteilt wird, ist hier nicht von entscheidender Beutung. Der führerscheinlose Übernehmer eines Fahrzeuges, der damit auch fahren will, kann nicht einem Verwahrer, bei dem von vornherein feststeht, daß er das Fahrzeug nicht benützen will und darf, gleichgehalten werden. Mit dem Überlassen eines Fahrzeuges an eine Person, deren Lenkerberechtigung bzw Vertrauenswürdigkeit nicht überprüft wird zur Inbetriebnahme dieses Fahrzeuges, unterläßt der Versicherungsnehmer schuldhaft die von ihm zu fordernde Mitwirkung, daß das Fahrzeug nur von Lenkern mit gültiger Lenkerberechtigung benützt wird. Eine Person, die vorspiegelt, im Besitz eines Führerscheines zu sein, ist kein vertrauenswürdiger Garant dafür, daß diese Verpflichtung auch eingehalten wird. Aus seinem verantwortungslosen Verhalten ist vielmehr zu erschließen, daß er überhaupt nichts daran findet, das Fahrzeug auch einem anderen, der ebenfalls über keine Lenkberechtigung verfügt, zu überlassen. Wenn von der Rechtsprechung gefordert wird, daß der Halter darauf zu dringen hat, daß ein mitversicherter Ehegatte, der über keine Lenkerberechtigung verfügt, vom anderen Gatten nicht die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug erlangt (vgl SZ 53/43), so muß dieser Sorgfaltsmaßstab auch gegenüber dem Überlasser eines Fahrzeuges gelten. Nur so kann dem Grundgedanken, zu verhindern, daß das Fahrzeug kontrollos jedem Beliebigen in die Hände fällt, entsprochen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27786

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00025.91.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19911024_OGH0002_0070OB00025_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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