Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Konkurseröffnungssache der antragstellenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr.Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner A***** G*****, vertreten durch Dr.Christian Rumplmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 23. Juli 1991, GZ 2 R 180/91-6, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5.Juni 1991, GZ 20 Nc 235/91-3, aufgehoben wurde, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Seinen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Antragsgegners bescheinigte der Antragsteller durch Vorlage des Exekutionstitels, eines Protokolls, wonach der Antragsgegner den Offenbarungseid geleistet hat, und eines Schreibens des Rechtsanwaltes des Antragsgegners an den Vertreter des Antragstellers zur Dartuung der behaupteten Gläubigermehrheit.
In der Vernehmungstagsatzung vom 7.5.1991 gab der Antragsgegner an, die Forderung des Antragstellers anzuerkennen, sonst keinen Gläubiger zu haben (im Revisionsrekurs gesteht er Unterhaltsschulden zu), zahlungsunfähig zu sein und kein kostendeckendes Vermögen zu besitzen; die antragsgegenständliche Forderung werde mit Lohnexekution betrieben. Das Konkursgericht schaffte die Exekutionsakten des Bezirksgerichtes Vöcklabruck bei und stellte daraus fest, daß die vom Antragsteller betriebene Forderung von S 225.004,32 sA wegen Exszindierungsansprüchen an den beim Antragsteller gepfändeten Fahrnissen zumindest im Wege der Fahrnisexekution (mit nachfolgendem Offenbarungseid) nicht hereingebracht werden konnte.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Konkurseröffnungsantrag gemäß § 70 Abs 2 KO als offenbar mißbräuchlich mit der Begründung ab, der Antragsteller habe trotz seines Hinweises auf den vom Antragsgegner geleisteten Offenbarungseid nicht glaubhaft gemacht, daß der Schuldner kostendeckendes Vermögen habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Konkurseröffnungsverfahrens durch ein Zwischenverfahren gemäß § 72 Abs 2 KO über den Konkursantrag unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund zu entscheiden; es sprach aus, daß der Beschwerdegegenstand S 50.000 übersteigt und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Judikatur der zweitinstanzlichen Gerichte uneinheitlich sei. Das Konkursgericht habe sich auf die Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien (MGA KO7 § 70/E 9 a und b) gestützt, wonach der Konkursantrag wegen offenbarer Mißbräuchlichkeit abzuweisen sei, wenn sich aus einem abgelegten Offenbarungseid die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Antragsgegners ergebe und der Antragsteller nicht glaubhaft mache, daß der Schuldner trotzdem Vermögen habe; in einem solchen Fall hätten amtswegige Erhebungen über das Vorliegen des Konkurshindernisses des Vermögensmangels zu unterbleiben. Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht vertrete hingegen in stetiger Rechtsprechung die Ansicht, daß sich in dieser Allgemeinheit die Abweisung eines Konkurseröffnungsantrages wegen offenbarer Mißbräuchlichkeit nicht rechtfertigen lasse. Beim Abweisungsgrund der offenbaren Mißbräuchlichkeit gemäß § 70 Abs 2 KO handle es sich um einen aus rechtshistorischen Gründen legistisch besonders ausgeformten Tatbestand des mangelnden Rechtsschutzinteresses. Dieses besondere insolvenzrechtliche Rechtsschutzbedürfnis sei dann zu verneinen, wenn der Gläubiger das Antragsrecht hauptsächlich dazu benütze, um sich eine - in der Regel anfechtbare - Zahlung zu verschaffen, um den Schuldner ungerechtfertigt unter Druck zu setzen oder sonst einen verfahrensfremden Zweck zu erreichen. Dies sei zB dann nicht der Fall, wenn ein Dienstnehmer als Antragsteller gegen den ehemaligen Dienstgeber auftrete, weil mit dem Versuch, die Rechtswohltat des § 1 IESG in Anspruch zu nehmen, keinesfalls konkursfremde Zwecke verfolgt würden (2 R 384/87). Keines der genannten Kriterien liege nach der Aktenlage im vorliegenden Fall offenkundig vor. Der Antragsteller habe glaubhaft gemacht, daß die Gehalts- und Fahrnisexekution erfolglos geblieben sei und Gläubigermehrheit vorliege (Unterhalts- und Bankschulden). Das Konkursgericht hätte dem Antragsteller zur Überbrückung des Konkurshindernisses gemäß § 72 Abs 2 KO die Möglichkeit zum Erlag eines Kostenvorschusses einräumen müssen. Der angefochtene Beschluß sei daher aufzuheben und dem Konkursgericht aufzutragen, den Erlag eines angemessenen Kostenvorschusses innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 72 Abs 2 KO anzuordnen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im antragsabweisenden Sinn.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Wie vom Rekursgericht zutreffend aufgezeigt wurde, ist die Rechtsprechung der Rekursgerichte zur Frage der offenbaren Mißbräuchlichkeit eines Konkurseröffnungsantrages uneinheitlich und diese Frage ist durch oberstgerichtliche Judikatur nicht hinreichend geklärt.
Der Oberste Gerichtshof erkannte in seiner Entscheidung vom 2.10.1986, 7 Ob 615/86 (RdW 1987, 193 = BankArch 1987, 183), daß in der Regel kein Anlaß zu einer besonderen Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses bestehe. Ein solches Bedürfnis könne nach der besonderen Lage des Einzelfalles fehlen, zB wenn der Antragsteller konkursfremde Zwecke verfolge sowie dann, wenn er auf eine einfachere und zweckmäßigere Weise als im Konkursverfahren die Begleichung seiner Forderung erreichen könne; zu verneinen sei der Mißbrauch, wenn der Absonderungsberechtigte auch Konkursgläubiger ist: Selbst das volle Deckung versprechende Absonderungsrecht zugunsten einer gegen den Schuldner bestehenden Forderung nehme dem Gläubiger nicht den Eröffnungsanspruch (ebenso 5 Ob 334/86). In einem Amtshaftungsverfahren führte der Oberste Gerichtshof (Entscheidung vom 24.4.1991, 1 Ob 7/91), aus, der Konkurs sei auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft mache, daß er und ein anderer Gläubiger Konkursforderungen haben und der Schuldner zahlungsunfähig sei. Der Antrag sei jedoch ohne Anhörung sofort abzuweisen, wenn er offenbar unbegründet ist, das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Glaubhaftmachung nicht erbracht, oder wenn er offenbar mißbräuchlich gestellt werde. Der Antragsteller habe schon im Konkurseröffnungsantrag jene Tatsachen, die auf das Vorhandensein der Verfahrens- und Rechtsschutzvoraussetzungen schließen lassen, zu behaupten und zu bescheinigen. Offenbar mißbräuchlich sei der Konkurseröffnungsantrag gestellt, wenn der Schuldner oder eine andere Person damit ungerechtfertigt unter Druck gesetzt oder ein verfahrensfremder Zweck erreicht werden solle; das sei insbesondere dann der Fall, wenn der Antragsteller vornehmlich die wirksame und vor den Forderungen anderer Gläubiger bevorzugte Betreibung der eigenen Forderung beabsichtige. In diesem Fall nahm der Oberste Gerichtshof die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder als behauptet noch als bescheinigt an, sodaß der Konkurseröffnungsantrag schon deshalb abzuweisen war. Er hielt den Antrag aber auch für offenbar mißbräuchlich gestellt, weil sich aus dem Vorbringen des Antragstellers ergab, daß der Schuldner zahlungsunwillig sei und der Konkurseröffnungsantrag zur Überwindung dieser Zahlungsunwilligkeit gestellt werde.
Zur hier entscheidenden Frage, ob der Konkurseröffnungsantrag sofort wegen offenbarer Mißbräuchlichkeit abzuweisen sei, wenn der Antragsteller nicht glaubhaft mache, daß der Schuldner trotz Ablegung des Offenbarungseides Vermögen habe, fehlt, soweit ersichtlich, eine oberstgerichtiche Judikatur.
Der erkennende Senat teilt im Hinblick auf die Bestimmung des § 72 Abs 2 KO die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Mangel eines kostendeckenden Vermögens für sich allein kein Grund zur Abweisung eines Konkurseröffnungsantrages ist. Nur wenn die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit und Gläubigermehrheit nicht erbracht wird oder weitere besondere Umstände offenkundig hinzutreten, die als konkurszweckwidrig zu mißbilligen sind (zB Unterdrucksetzen des Schuldners zwecks Erlangung einer bevorzugten - und daher meist anfechtbaren - Zahlung; dazu ausführlich Sprung, JBl 1969, 237 ff; ebenso Bartsch-Heil, Grundriß Insolvenzrecht Rz 234), ist der Konkurseröffnungsantrag ohne Anhörung und Erhebungen sofort abzuweisen.
Sind solche Umstände - wie hier - nicht offenbar, hat das Gericht nach § 72 Abs 2 KO vorzugehen. Auch wenn der Antragsteller keinen Anfechtungsanspruch glaubhaft machen kann, hat das Gericht demnach dem Antragsteller zur Überbrückung des Konkurshindernisses des hinreichenden Vermögens die Möglichkeit zum Erlag eines Kostenvorschusses einzuräumen. Erst wenn der Antragsteller diese Frist ungenützt verstreichen läßt, ist der Konkurseröffnungsantrag ohne weitere Erhebungen abzuweisen.
Daß sich aus dem Offenbarungseidesverfahren weder zur Befriedigung des Antragstellers führendes Vermögen des Antragsgegners noch Anhaltspunkte für eine Vermögensverschleierung ergeben haben, läßt noch keine sicheren Schlüsse auf zur Konkurseröffnung nicht hinreichendes Vermögen zu. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß der Schuldner versehentlich Vermögenswerte nicht angegeben haben kann und daß oft erst nach Eröffnung des Konkurses der Masseverwalter nach näherer Prüfung anfechtbare Rechtshandlungen des Schuldners erkennen kann, die in der Folge durchaus geeignet sein können, nicht nur die Kosten des Konkursverfahrens zu decken, sondern auch zu einer (zumindest) Teilbefriedigung der Gläubiger führen können. Diese Chance würde dem Gläubiger genommen, könnte er nicht durch Erlag eines Kostenvorschusses das Konkurseröffnungshindernis des Mangels eines kostendeckenden Vermögens überwinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 173 Abs 1 KO.
Anmerkung
E27549European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00020.91.1031.000Dokumentnummer
JJT_19911031_OGH0002_0080OB00020_9100000_000