TE OGH 1991/10/31 8Ob629/91

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Veröffentlicht am 31.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Jelinek, Dr. Graf und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Albert H*****, und

2.) Dipl.Dolm. Gertrude H*****, beide vertreten durch Dr. Erich und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Christine M*****, vertreten durch Dr. Roland Hubinger, Dr. Michael Ott, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Juni 1991, GZ 4 R 694/90-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. Juni 1990, GZ 47 C 336/89t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Urteils wird die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.348,13 (einschließlich S 974,69 Umsatzsteuer und S 1.500,- Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit 1970 Mieterin der Wohnung top. Nr. 36 im Haus 1070 Wien, W*****gasse 9, dessen Eigentümer die klagenden Parteien sind. Im Jahre 1971 heiratete sie Dipl.Ing. Georg M*****, der die Wohnungen top. Nr. 35 und top. Nr. 37 mietete. Nach der im Jahre 1985 erfolgten Ehescheidung leitete die Beklagte das Aufteilungsverfahren ein, mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. 6. 1988 wurde ihr die gesamte Ehewohnung, umfassend top. Nr. 35, 36 und 37, zugesprochen. Dipl.Ing. Georg M***** wurde aufgrund der am 22. 11. 1987 eingebrachten und am 23. 12. 1987 ihm zugestellten Klagen wegen Nichtzahlung des Mietzinses (§ 1118 ABGB) mit Urteil des Erstgerichtes vom 26. 6. 1989 zur Räumung der Wohnungen top. 35 und top. 37 verpflichtet. Der klagenden Partei wurde aufgrund dieses Urteils mit Beschluß vom 10. 11. 1989 die Räumungsexekution bewilligt. Die Beklagte brachte gegen die Hauseigentümer am 2. 1. 1990 eine Exszindierungsklage ein.

Mit der vorliegenden Klage begehren die klagenden Parteien, die Beklagte für schuldig zu erkennen, die Wohnungen top. Nr. 35 und 37 geräumt von ihren Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben.

Sie brachten dazu vor, Mieter dieser Wohnungen sei

Dipl.Ing. M***** gewesen. Da dieser den vereinbarten Mietzins nicht bezahlt habe, sei gegen ihn Räumungsklage eingebracht worden. Die Beklagte benutze die Wohnungen titellos. Zum Zeitpunkt der Zuteilung der Wohnungen im Aufteilungsverfahren sei das Mietverhältnis zu Dipl.Ing. M***** bereits aufgelöst gewesen.

Die Beklagte bestritt und wendete ein, zunächst die Wohnung top. Nr. 35 gemietet zu haben. In der Folge habe sie Dipl.Ing. M***** geheiratet. Die Wohnungen top. Nr. 35 und 37 seien hinzugemietet und die Mietverträge auf Dipl.Ing. M***** ausgestellt worden. Anläßlich der "Dazumietung" der Wohnungen top. Nr. 35 und 37 sei auch das Recht eingeräumt worden, alle Wohnungen durch Herstellung von Verbindungstüren zusammenzulegen. Dies sei in der Folge auch geschehen. Nach der Ehescheidung im Jahre 1985 sei ein Aufteilungsverfahren eingeleitet worden, in diesem sei der Beklagten die Ehewohnung, umfassend top. 35 bis 37, zugewiesen worden. Seit diesem Zeitpunkt zahle die Beklagte regelmäßig für sämtliche Objekte den gesamten Mietzins.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es folgende wesentliche Feststellungen:

Nach Anmietung der Wohnungen top. Nr. 35 und 37 durch Dipl.Ing. M***** wurde von den Hauseigentümern gestattet, daß diese Wohnungen und die von der Beklagten gemieteten Wohnung top. Nr. 36 durch Herstellung von Verbindungstüren zusammengelegt werden. In der Folge wurden die vormals getrennten Wohneinheiten als gemeinsame Ehewohnung von der Beklagten und ihrem Ehegatten benutzt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, mit Rechtskraft der Entscheidung im Aufteilungsverfahren seien die Hauptmietrechte bezüglich der Objekte top. Nr. 35 und 37 auf die Beklagte übergegangen, sodaß sie diese Wohnungen nicht titellos benütze. Der gegen Dipl.Ing. M***** ergangene Räumungstitel könne an der Zuteilung im Aufteilungsverfahren nichts ändern, da zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Räumungsklage bereits eine rechtskräftige Übertragung der Mietrechte an die Beklagte vorgelegen sei.

Aufgrund der Berufung der klagenden Parteien gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Auflösung eines Bestandverhältnisses nach § 1118 ABGB erfolge bereits durch eine berechtigte Aufhebungserklärung, hingegen wirke die Zuweisung einer Ehewohnung nach § 87 Abs.2 EheG ex nunc. Ein schon wirksam aufgelöstes Bestandverhältnis könne daher nicht mehr übertragen werden. Da das Bestandverhältnis gegenüber Dipl.Ing. M***** mit Zustellung der Räumungsklage am 23. 12. 1987 aufgelöst worden sei, sei eine Übertragung auf die Beklagte nicht mehr möglich gewesen. Mit der im Jahre 1988 ergangenen Entscheidung zu 6 F 7/85 habe das Familiengericht daher der Beklagten lediglich die bereits wirksam aufgelösten Bestandrechte an den Wohnungen top. Nr. 35 und 37 zugesprochen.

Vom Vorliegen eines einheitlichen Mietobjektes hinsichtlichen der genannten Wohnungen sei nicht auszugehen. Die Beklagte habe gar nicht behauptet, daß bezüglich aller dreier Wohnungen ein einheitlicher Bestandvertrag zwischen den Vermietern und den Ehegatten M***** als Mitmietern zustandegekommen sei. Solches ergebe sich auch nicht aus den Feststellungen des Erstgerichtes. Das Vorliegen dreier verschiedener Mietverträge hinsichtlich der Wohnungen top. Nr. 35, 36 und 37, die jeweils zu anderen Zeitpunkten und mit anderen Zinsvereinbarungen und hinsichtlich top. Nr. 36 mit der Beklagten, hinsichtlich der gegenständlichen Wohnungen jedoch mit Dipl.Ing. M***** abgeschlossen wurden, verbiete trotz der Gestattung des Zusammenlegens der getrennten Wohnung durch Herstellung von Verbindungstüren die Annahme eines einheitlichen Bestandvertrages. Es sei ja auch nicht klar, mit wem dieser einheitliche Bestandvertrag bestehen sollte. Die objektive "Gemeinsamkeit" der Wohnungen lasse nur einen widerleglichen Schluß auf die Parteiabsicht zu. Mangels einer festgestellten oder auch nur konkludent ableitbaren Absicht aller Parteien, seien die Wohnungen top. Nr. 35 bis 37 trotz des von den Hauseigentümern genehmigten Zusammenschlusses und trotz jahrelanger Verwendung als gemeinsamer Ehewohnung rechtlich nicht als ein einziges einheitliches Bestandobjekt anzusehen.

Die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt, da sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stütze.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien haben in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat, wie im folgenden noch darzulegen sein wird, wohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs richtig wiedergegeben, sie aber auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet. Eine falsche Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter eine an sich richtig wiedergegebene Rechtsprechung stellt ebenso ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dar, wie wenn von dieser Rechtsprechung ausdrücklich und bewußt abgegangen worden wäre, sodaß die Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO erfüllt sind

(MietSlg. 37.770).

Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel unter anderem geltend, es sei aktenwidrig, wenn das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ausführe, es sei nicht vorgebracht worden, daß zwischen den Vermietern und dem Ehepaar M***** ein einheitlicher Bestandvertrag zustandegekommen sei. Vielmehr sei eine derartige Behauptung in der Verhandlung vom 3. 11. 1989 ausdrücklich aufgestellt worden. Das Erstgericht habe entsprechend dieser Behauptung auch in seiner Entscheidung festgestellt, die Hauseigentümer hätten die Zustimmung zur Zusammenlegung der Wohnungen erteilt.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend.

Ob ein Bestandobjekt eine wirtschaftliche Einheit bilden soll und daher als einheitlich anzusehen ist, bzw. ob mehrere in einem Vertrag in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt in erster Linie vom Parteiwillen ab. Objektive Gemeinsamkeit = Zusammenlegung aller Bestandobjekte zu einer Ehewohnung läßt einen Schluß auf die Parteiabsicht zu (MietSlg. 38.460/10 mwN). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hat die Beklagte bereits im Verfahren erster Instanz behauptet, daß anläßlich der "Dazumietung" der Wohnungen top. Nr. 35 und 37 auch das Recht eingeräumt wurde, alle Wohnungen durch Herstellung von Verbindungstüren zusammenzulegen und daß dies auch in der Folge geschah. Dem Vorbringen der Beklagten ist daher die Behauptung eines einheitlichen Bestandvertrages hinsichtlich der Wohnungen top. Nr. 35 bis 37 durchaus zu entnehmen. Entsprechend dieser Behauptung hat das Erstgericht festgestellt, daß die Hauseigentümer gestatteten, die drei bis dahin getrennten Wohnungen top. Nr. 35 bis 37 durch Herstellung von Verbindungstüren zusammenzulegen und daß diese drei Wohnungen in der Folge als gemeinsame Ehewohnung von der Beklagten und ihrem Ehegatten benutzt wurden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 3 Ob 7/91 ausgeführt hat, ist es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich, daß bei genehmigter Zusammenlegung der drei Wohnungen ein dadurch geschaffenes einheitliches Wohnobjekt partiell verschiedene Mieter haben sollte. Anhaltspunkte dafür, daß im vorliegenden Fall trotz der nach Abschluß der Mietverträge genehmigten Zusammenlegung das nunmehr einheitliche Wohnobjekt verschiedene Mieter haben sollte, sind den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen. Der Umstand, daß die Wohnungen top. Nr. 35 und 37 später gemietet und andere Zinsenvereinbarungen geschlossen worden waren als mit der Beklagten, verbietet, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes, keinesfalls das spätere Zustandekommen eines einheitlichen Bestandvertrages. Aus der genehmigten Zusammenlegung der Wohnungen und der Benutzung des dadurch geschaffenen einheitlichen Wohnobjektes durch die Beklagte und Dipl.Ing. M***** als gemeinsamer Ehewohnung ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte und Dipl.Ing. M***** gemeinsam Mieter des einheitlichen Wohnobjektes, umfassend die Wohnungen top. Nr. 35 bis 37, sein sollten.

Daraus folgt, daß die Beklagte die Wohnungen top. Nr. 35 und 37 nicht titellos benützt, sodaß das Räumungsbegehren der Kläger abzuweisen war.

Auf die in der Revision weiters aufgeworfene Frage, ob Personen, die Rechte an dem zu räumenden Bestandgegenstand vom Bestandnehmer ableiten, direkt auf Räumung geklagt werden können, braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00629.91.1031.000

Dokumentnummer

JJT_19911031_OGH0002_0080OB00629_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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