TE OGH 1991/11/5 4Ob120/91

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Veröffentlicht am 05.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) K***** Gesellschaft mbH & Co KG; 2) M*****-Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, *****; 3) M***** Anzeigengesellschaft mbH & Co KG; 4) M***** Zeitungsbeilagen-Verlagsgesellschaft mbH & Co KG; 5) B*****gesellschaft mbH, *****, sämtliche vertreten durch Dr.Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "D*****" Zeitschriftengesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 480.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27.Juni 1991, GZ 5 R 174/90-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.September 1990, GZ 37 Cg 467/90-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 42.142,52 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 7.023,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "N*****-Zeitung". Die Zweitklägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "K*****" und "N*****-Zeitung". Die Drittklägerin ist mit der Inseratenaquisition für die genannten Tageszeitungen beauftragt. Die Viertklägerin ist Medieninhaberin der Programmzeitschrift "F*****woche", die den Freitagausgaben der Tageszeitungen "K*****" und "N*****-Zeitung" beigelegt wird. Die Fünftklägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "B*****journale".

Die Beklagte ist die Universalrechtsnachfolgerin der "D***** Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG", welche bis zum 30.3.1990 die Medieninhaberin der Wochenzeitung "D*****" war.

In der linken unteren Ecke der Titelseite der Nr 10 der "D*****" vom 8.3.1990 erschien folgende Ankündigung:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Seiten 56 bis 60 im Blattinneren hatten folgendes Aussehen:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Klägerinnen begehren zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unentgeltliche Zugaben - insbesondere in Form eines Gesundheits-Tests, verbunden mit einer individuellen Auswertung und/oder individuellen Gesundheitsempfehlungen, insbesondere wenn ein Fragebogen zu allgemeinen Gesundheitsfaktoren und/oder speziellen Gesundheitsstörungen aus der periodischen Druckschrift "D*****" auszufüllen und einzusenden ist, der in Form individualisierter gesundheitsbezogener Empfehlungen beantwortet wird - anzukündigen, anzubieten oder einem größeren Personenkreis zu gewähren, wenn der Erhalt der Zugabe vom Erwerb der periodischen Druckschrift "D*****" abhängig ist oder abhängig erscheint; in eventu: im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der periodischen Druckschrift "D*****" einen "persönlichen Gesundheits-Test" anzukündigen, wenn der Teilnahmebogen lediglich mit allgemeinen, nicht auf individuelle Daten des Einsenders bezogenen Belehrungen und/oder Ratschlägen beantwortet wird.

Von dem auf Seite 1 als "gratis" angekündigten, nur in kaum leserlichem Kleinstdruck als "Werbung" gekennzeichneten "Gesundheitstest" erfahre der Leser im Blattinneren, daß es sich dabei (auch) um eine Initiative der "D*****" handelt; die Aktion verstoße somit entweder gegen das ZugG oder gegen das UWG. Ganz abgesehen von der Ankündigung auf der Titelseite, könne die von der Beklagten mitgetragene Aktion bewirken, daß ihre Wochenzeitung nur wegen der unentgeltlichen Nebenleistung, also aus sachfremden Gründen, gekauft wird. In der Zeitung sei nur ein Fragebogen abgedruckt, so daß weitere Mitglieder des Haushalts eines Zeitungskäufers im Bestreben, ihren eigenen Gesundheitstest zu erlangen und an der Verlosung der wertvollen Preise teilzunehmen, zum Erwerb weiterer Zeitungsexemplare veranlaßt würden. Sollten aber mit dem Gesundheitstest den Einsendern der Fragebögen nur allgemeine, mehr oder minder für jedermann geltende Ratschläge für ein gesünderes Leben erteilt worden sein, dann sei die Ankündigung eines persönlichen, auf die individuellen Daten des Einsenders bezogenen Gesundheitstests irreführend im Sinne des § 2 UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Eine Zugabe liege nicht vor, weil der beanstandeten Aktion jede Eignung zur Förderung des Verkaufes der Wochenzeitung "D*****" fehle. Die Einschaltung auf der Titelseite sei nach Gestaltung und Anordnung sowie infolge der ausdrücklichen Kennzeichnung als "Werbung" unverkennbar ein bezahltes Inserat und daher nicht dem Medieninhaber zuzurechnen. Die Verwendung des Testbogens im Blattinneren sei nicht Bedingung für den Gesundheitstest, weil die Fragebögen nach dem Inhalt der Ankündigungen auch gratis in jeder Apotheke erhältlich waren. Der Wunsch einer vielköpfigen Familie, alle Mitglieder testen zu lassen, könne daher höchstens zu einem Weg in die Apotheke veranlassen, nicht aber zum Kauf eines weiteren Zeitungsexemplars um 8 S. Da weder die Auswertung des Tests noch das Ergebnis des Gewinnspiels für eine künftige Nummer der Zeitschrift angekündigt würden, fehle auch der Anreiz zum Kauf einer Folgenummer. Die Aktion diene offenkundig der Werbung für die Apotheken und nicht für die Zeitschrift "D*****". Da die Klägerinnen keine Apotheke betreiben, fehle ihnen insoweit auch die Aktivlegitimation.

Das Erstgericht wies sowohl den Haupt- als auch den Eventualsicherungsantrag ab. Die Einschaltung auf der Titelseite sei eindeutig als "Werbung" gekennzeichnet, so daß beim Leserpublikum nicht der Eindruck einer Gemeinschaftswerbung entstehen könne; durch die Textierung "Eine Apotheken-Initiative" sei überdies ausreichend klargestellt, daß die Beklagte mit der Aktion nichts zu tun habe. Im übrigen habe der Gesundheitstest weder einen Verkehrswert noch einen in Geld ausdrückbaren Wert, so daß ihm auch deshalb die Eignung fehle, als Zugabe und Lockmittel den Absatz der Wochenzeitung zu fördern. Ein Anreiz zum Erwerb weiterer Zeitungsexemplare sei nicht gegeben, weil weitere Testbögen in jeder Apotheke unentgeltlich erhältlich seien und weder die Auswertung des Gesundheitstests noch die Verständigung der Gewinner für eine Folgenummer angekündigt wurden. Im übrigen könnten die Erst-, die Dritt- und die Viertklägerin schon auf Grund vollstreckbarer Unterlassungsvergleiche wegen des vermeintlichen Zugabeverstoßes gegen die Beklagte Exekution führen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des Hauptbegehrens der Klägerinnen; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auf Grund der graphischen Gestaltung der Einschaltung auf der Titelseite könne ein durchschnittlicher Betrachter nicht sogleich erkennen, daß es sich dabei um eine Werbung handelt, sei doch die entsprechende Kennzeichnung so klein gehalten, daß sie einem flüchtigen Betrachter nicht auffallen werde. Aus der Ankündigung gehe auch nicht eindeutig hervor, daß der "Gratis-Gesundheitstest" im Zusammenhang mit der Apotheken-Initiative "PRO VITAL" gewährt wird. Jedenfalls gewinne der unbefangene Leser durch den Untertitel der Seiten 56 und 57 im Blattinneren den Eindruck einer von der Zeitung gemeinsam mit den Apotheken veranstalteten Werbeaktion. Da eine nach wissenschaftlichen Kriterien von einem medizinischen Expertenteam erarbeitete Auswertung eines gesundheitsbezogenen Fragebogens individuelle Antworten in bezug auf den derzeitigen Gesundheitszustand und die möglichen Risikofaktoren für jeden Teilnehmer erwarten lasse, sei eine derartige Auskunft in den Augen des angesprochenen Publikums zweifellos ein wirtschaftlicher Wert, ohne daß der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 lit c ZugG zum Tragen käme. Es liege daher ein Zugabenverstoß der Zeitung vor, weil die Ankündigung eines "Gratis-Gesundheitstests" als zusätzlicher Vorteil ein Werbe- oder Lockmittel sei, welches geeignet sei, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware Zeitung zu beeinflussen und ihn aus sachfremden Gründen zu deren Kauf zu veranlassen. Wenngleich auf die Möglichkeit des Gratisbezuges weiterer Testbögen in den Apotheken hingewiesen wurde, könne es doch schon vielfach aus örtlichen und zeitlichen Gründen vorkommen, daß ein Interessent den Kauf eines weiteren Zeitungsexemplars dem Weg in eine Apotheke vorzieht und dadurch eine weitere Steigerung des Absatzes der Zeitung herbeigeführt wird. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei auch das Rechtsschutzinteresse der Erst-, der Dritt- und der Viertklägerin zu bejahen, weil der vorliegende Zugabenverstoß der Beklagten von den bezogenen gerichtlichen Vergleichen nicht umfaßt werde.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Klägerinnen beantragen, das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Klägerinnen gemäß § 528 Abs 1 ZPO schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung des für die Bejahung eines Zugabenverstoßes erforderlichen "inneren Zweckzusammenhanges" zwischen der Haupt- und der unentgeltlichen Zusatzleistung in Ansehung der beanstandeten Titelblattankündigung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist und der von ihm bejahten Eignung der Ankündigungen im Blattinneren, das Publikum auch zum Ankauf weiterer Zeitungsexemplare zu veranlassen, eine auffallende Fehlbeurteilung zugrunde liegt, welche zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifen ist.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist auch berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß in aller Regel der Erwerber einer Zeitschrift vor dem Kauf, wenn überhaupt, nur ihre Titelseite sieht, nicht aber die erst im Blattinneren gemachten Ankündigungen (ÖBl 1989, 112; MR 1989, 65; ÖBl 1990, 168). Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes läßt schon die Gestaltung der Werbeeinschaltung auf dem Titelblatt der Nr 10/1990 der Wochenzeitung der Beklagten - ganz abgesehen davon, daß sie links unten in kleinem Druck als "Werbung" gekennzeichnet war -, keinen Zweifel daran, daß hier eine "Apotheken-Initiative" für einen "Gratis-Gesundheitstest" im Blattinneren wirbt, hier also "nicht die Zeitung, sondern ein Inserent zum Publikum spricht" (siehe dazu ÖBl 1964, 94; ÖBl 1991, 84). In der bloßen Annahme und Veröffentlichung eines - sei es auch wettbewerbswidrigen - Inserates eines Dritten liegt aber noch keine empfehlende Mitteilung des Zeitungsunternehmens (SZ 49/57; ÖBl 1991, 84). Da die Wochenzeitung der Beklagten somit auf ihrer Titelseite keinen "Gratis-Gesundheitstest" angekündigt hat, ist ihr auch der davon allenfalls ausgehende Anreiz zum Kauf eines Zeitungsexemplars nicht zuzurechnen.

Erst nach dem Kauf konnte man beim Durchblättern der Zeitung auf den Seiten 56 und 57 erfahren, daß der "Gratis-Gesundheitstest" eine "Gratis-Aktion der Apotheken-Initiative PRO VITAL und D*****" ist, sich also das Zeitungsunternehmen an der Werbemaßnahme der Apotheken-Initiative - etwa im Sinne einer Gemeinschaftswerbung - beteiligt hat (ÖBl 1990, 115; ÖBl 1991, 84). Diese erst nach dem Kauf der Zeitung erkennbare Beteiligung des Zeitungsunternehmens an dem in Aussicht gestellten "Gratis-Gesundheitstest" könnte aber der Beklagten im Sinne der Entscheidungen ÖBl 1989, 112 und MR 1989, 65 nur dann als Verstoß gegen § 1 ZugG zugerechnet werden, wenn von der Aktion auch noch ein Anreiz zum Kauf eines weiteren Exemplars der Wochenzeitung ausgehen konnte (vgl WBl 1990, 379; ÖBl 1990, 168). Das ist aber im vorliegenden Fall entgegen der Meinung des Rekursgerichtes zu verneinen, weil die ausgefüllten Testbögen nur in Apotheken abgegeben (und nicht eingesendet!) werden konnten und weitere Testbögen "natürlich gratis" in jeder Apotheke erhältlich waren. Da sich der Teilnehmer somit jedenfalls in eine Apotheke begeben mußte, bestand nicht der geringste Anreiz zur Beschaffung eines weiteren Testbogens im Wege des Ankaufes eines zusätzlichen Zeitungsexemplars um 8 S; dies umso weniger, als jeder Interessent den vorgedruckten Testbogen zum Zweck des Ausfüllens vorher durchlesen mußte und dabei erkennen konnte, daß der Fragenkatalog über allgemeine Fragestellungen nicht hinausging, so daß selbst eine Auswertung im Wege eines von einem "Expertenteam" erarbeiteten "Computertests" bestenfalls weiterführende allgemeine Ratschläge und Hinweise auf den Gesundheitszustand sowie mögliche Risikofaktoren erwarten ließ. In diesem Zusammenhang hat aber ein möglicher Anreiz zur Beteiligung an dem "Gratis-Gesundheitstest" durch die in Aussicht gestellten Gewinnstmöglichkeiten (1., 2. und 3. Preis und 200 weitere Preise je im Wert von über 500 S!) schon deshalb jedenfalls außer Betracht zu bleiben, weil ein allfälliger Verstoß der Beklagten gegen § 28 UWG im Begehren der Klägerinnen keine Deckung findet.

Da der beanstandete "Gratis-Gesundheitstest" somit nicht geeignet war, einen Anreiz zum Kauf eines weiteren Exemplars der Wochenzeitung "D*****" zu schaffen, fehlt es an einem Verstoß gegen § 1 Abs 1 ZugG. Aus demselben Grund ist der beanstandeten Aktion auch im Sinne des Eventualbegehrens die erforderliche Eignung abzusprechen, einen nach § 2 UWG beachtlichen Irrtum auszulösen, verstößt doch eine Angabe nur dann gegen § 2 UWG, wenn die durch sie bewirkte Täuschung geeignet ist, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot des Werbenden näher zu befassen, zugunsten dieses Angebotes zu beinflussen (ÖBl 1990, 162 mwN).

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher schon aus diesen Gründen der den Sicherungsantrag zur Gänze abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; ein näheres Eingehen auf die von der Beklagten noch weiter aufgeworfenen Rechtsfragen erübrigt sich daher.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E27425

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00120.91.1105.000

Dokumentnummer

JJT_19911105_OGH0002_0040OB00120_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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