Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Paul N*****, geboren am *****, und Johannes N*****, geboren am *****, Schüler, in Obsorge ihrer Mutter Marina N*****, in Verfolgung der Unterhaltsansprüche vertreten durch die BH F***** als Jugendwohlfahrtsträger, wegen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen auf die vom außerehelichen Vater Wolfgang B*****, ***** Berlin *****, zu zahlenden Unterhaltsbeträge, infolge Revisionsrekurses der vorschußwerbenden Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17. Mai 1991, AZ 1 R 178, 183/91(ON 22), womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Feldbach vom 14. März 1991, GZ P 44/89-16 und 17, abgeändert wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung:
Der ältere der beiden pflegebefohlenen Brüder ist 11 Jahre, der jüngere 10 Jahre alt. Sie leben in der Obsorge der Mutter in der Steiermark. Sie erwarben gemeinsam mit ihrer Mutter die österreichische Staatsangehörigkeit. Der außereheliche Vater lebt in Berlin. Er hatte seinerzeit vor dem Rat der Stadt Frankfurt/Oder jeweils seine Vaterschaft zu den beiden Kindern anerkannt und sich zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet. Diese Zahlungspflichten wurden durch die Rechtsmittelentscheidung vom 12. Februar 1990 (ON 13) für die Zeit ab 1. August 1989 mit 1.300 S monatlich je Kind neu festgesetzt. Der außereheliche Vater ist seit Sommer 1988 arbeitslos. Ihm steht seit 1. Januar 1991 Arbeitslosenhilfe in der wöchentlichen Höhe von 340 DM zu. Er ist für seinen 1970 geborenen Sohn aus erster Ehe sowie für seine 1984 geborene Tochter aus zweiter Ehe sorgepflichtig.
Die beiden in Österreich bei ihrer Mutter wohnhaften Kinder beantragten die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen auf die titelmäßige Verpflichtung ihres Vaters gemäß § 3, § 4 Z 1 UVG. Zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 4 Z 1 UVG führten die Antragsteller lediglich aus, die Exekutionsführung scheine aussichtslos, "weil der Unterhaltsschuldner in der BRD wohnhaft ist und eine Exekution äußerst langwierig ist".
Das Pflegschaftsgericht beschloß antragsgemäß die Gewährung der Vorschüsse in der Höhe der monatlichen Titelverpflichtung für die Zeit vom 1. März 1991 bis 28. Februar 1994.
Das Rekursgericht änderte in Stattgebung eines vom Unterhaltsschuldner erhobenen Rekurses die erstinstanzlichen Beschlüsse im Sinne einer Abweisung der Anträge auf Vorschußgewährung ab. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht folgte im Anschluß an die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 648/90 (= NRsp 1991/49), 8 Ob 627/90 und 7 Ob 646, 647/90 (= RZ 1991/23) der Auslegung, daß § 4 Z 1 UVG mit der Wendung "besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist" keine gesetzliche Vermutung dafür darstelle, daß in diesen Fällen die Exekutionsführung aussichtslos scheine, sondern daß im Einzelfall die Erfolgsaussichten einer Exekution im Aufenthaltsstaat des Unterhaltsschuldners nach den jeweiligen zwischenstaatlichen vertraglichen Grundlagen und den Erfahrungen über die Behördenpraxis abzuschätzen seien. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland bestünden geordnete Rechtshilfebeziehungen.
Rechtliche Beurteilung
Der von den vorschußwerbenden Kindern erhobene Revisionsrekurs ist zwar im Hinblick auf die inzwischen zu 3 Ob 529/91 ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. Mai 1991 zulässig, das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat die in der zu 2 Ob 582/90 ergangenen Entscheidung vom 11. Juli 1990 entwickelte Auslegung des § 4 Z 1 UVG unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut in den vom Rekursgericht zitierten Folgeentscheidungen nicht übernommen, sondern die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland lediglich als Indiz dafür gewertet, daß die gebotene rasche Einbringlichkeit der zu bevorschussenden Unterhaltsforderung in Zweifel gezogen werden müsse, bei Unterhaltsschuldnern in der Schweiz und in der BRD aber angenommen, daß typischerweise keine erheblich größeren Schwierigkeiten bei der Einbringlichmachung von Unterhaltsforderungen zu erwarten seien als bei einer Exekutionsführung im Inland, zur Darlegung der Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG daher konkrete Umstände zu behaupten und zu beweisen wären.
Dieser grundsätzlichen Auslegung wurde auch in der zu 3 Ob 529/91 im Falle eines in den Niederlanden wohnhaften Unterhaltsschuldners nicht widersprochen.
Der erkennende Senat hält an der dargelegten Auslegung des § 4 Z 1 UVG fest. Der Umstand, daß der Unterhaltsschuldner in Berlin lebt, reicht zur Erfüllung des Tatbestandes nicht hin. Nach dem Akteninhalt bezieht der Unterhaltsschuldner in der Bundesrepublik Deutschland eine - für Unterhaltsforderungen pfändbare - Rente aus dem Titel der Arbeitslosenhilfe. Objektiv begründete Bedenken des Fehlschlagens eines Exekutionsversuches hätten daher konkret dargetan werden müssen. Die Revisionsrekursbehauptung, daß die Vollstreckung inländischer Unterhaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland eine durchschnittliche Zeit von zwei Jahren benötige, ist nicht belegt und kann auch keinesfalls als gerichtsbekannt unterstellt werden.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E27494European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00620.91.1107.000Dokumentnummer
JJT_19911107_OGH0002_0060OB00620_9100000_000