TE OGH 1991/11/11 2Ob584/91

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Veröffentlicht am 11.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta L*****, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner und Dr. Walter Müller, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Hubert L*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Unterhalt (Streitwert im Revisionsverfahren S 45.108,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 17. Juli 1991, GZ R 671/91-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 30. April 1991, GZ 1 C 83/90-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.018,24 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten Umsatzsteuer von S 503,04, keine Barauslagen) sowie die mit S 6.123,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten Umsatzsteuer von S 603,84 und Barauslagen von S 2.500,--) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 15.10.1990 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Die Klägerin begehrte für November 1990 restlichen Unterhalt von S 5.000 und ab Dezember 1990 Unterhalt von S 12.000 pro Monat und brachte vor, der Beklagte verdiene monatlich mindestens 34.000 S netto, während sie nur eine Sonderunterstützung des Arbeitsamtes in der Höhe der fiktiven Berufsunfähigkeitspension von S 2.985 netto monatlich beziehe. Ermittle man das fiktive Familieneinkommen und errechne man den auf die Klägerin entfallenden angemessenen Anteil von 40 % und ziehe davon ihr Eigeneinkommen ab, so verbleibe ein rechnerischer Unterhaltsanspruch von mindestens 12.000 S. Davon müsse die Klägerin als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft ***** T*****, verschiedene anteilige Lasten tragen.

Der Beklagte bestritt und wendete ein, im Einverständnis mit der Klägerin die laufenden Betriebskosten des Hauses in der Höhe von 6.058 S zu tragen, der Anteil der Klägerin daran betrage zumindest monatlich 3.000 S. Die Klägerin benütze die bisherige Ehewohnung alleine und verursache die verbrauchsabhängigen Betriebskosten zu 90 bis 95 %. Die anfallenden Fixkosten würden ohnehin geteilt. Die in natura erbrachten Unterhaltsleistungen seien sohin auf den zu ermittelnden Unterhaltsbetrag anzurechnen. Unter Berücksichtigung des monatlichen Nettoeinkommens des Beklagten ergebe sich ein maximaler Unterhaltsanspruch der Klägerin in der Höhe von 10.000 S pro Monat. Darüber hinaus verfüge die Klägerin über beträchtliche Ersparnisse, von denen monatliche Zinsen in der Höhe von S 3.000 bis 4.000 anfielen. In der mündlichen Streitverhandlung vom 19.12.1990 anerkannte der Beklagte eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von 10.000 S, worüber ein Teilanerkenntnisurteil erging.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von je S 1.727 für die Monate November und Dezember 1990 sowie von S 1.253 monatlich ab 1.1.1991. Das Mehrbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen.

Das Erstgericht ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beklagte bezog als Angestellter in der Zeit zwischen März 1990 und Februar 1991 ein monatliches Durchschnittseinkommen von rund S 34.600 netto einschließlich der Sonderzahlungen und der Hälfte der Reisediäten. Er besitzt eine Eigentumswohnung in der Bundesrepublik Deutschland, worauf er S 630.000 einbezahlt und die restlichen DM 70.000 mit Kredit finanziert hat. Sein sonstiges Vermögen wirft S 175 pro Monat ab.

Die Klägerin bezieht eine Arbeitslosenunterstützung von S 2.985 pro Monat, das in ihrem Eigentum stehende Kapital wirft monatlich S 1.450 ab.

Der Beklagte zahlte der Klägerin für November und Dezember 1990 je S 7.000 und ab Jänner 1991 monatlich S 10.000. Daneben trug er die Betriebskosten des von der Klägerin bewohnten Hauses.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, der Unterhaltsanspruch der Klägerin betrage 40 % des gemeinsamen Einkommens abzüglich ihres eigenen Einkommens. Dies ergebe einen Betrag von S 11.253 pro Monat, für die Monate November und Dezember 1990 seien noch je S 1.727 offen.

Das Berufungsgericht wies aufgrund der Berufung des Beklagten das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Meinung, der jeweils konkret zustehende Unterhalt sei unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach freiem Ermessen innerhalb des von der Judikatur gezogenen Ermessensspielraumes zu ermitteln. Im vorliegenden Fall sei das Einkommen des Beklagten etwa 8mal höher als jenes der Klägerin. Es wäre widersinnig, die Klägerin deshalb, weil sie über ein geringes Einkommen verfüge, besser zu stellen, als sie stünde, wenn sie kein Einkommen hätte. Aufgrund der gravierenden Einkommensunterschiede sei daher so vorzugehen, als hätte die Klägerin überhaupt kein Einkommen, ihr Unterhaltsanspruch betrage daher 33 % des Nettoeinkommens des Beklagten. Ausgehend von einem Einkommen des Beklagten in der Höhe von rund S 35.000 errechne sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von nicht ganz 12.000 S. Stelle man diesen Betrag ihrem nunmehr zur Verfügung stehenden Einkommen von rund 14.500 S (S 10.000 rechtskräftig bestimmter Unterhalt zuzüglich S 4.500 eigenes Einkommen) gegenüber, so zeige sich, daß sie durch den vom Beklagten anerkannten Unterhalt ohnehin besser gestellt werde, als sie stünde, hätte sie kein Einkommen. Unter diesem Aspekt sei eine monatliche Unterhaltspflicht von S 10.000 ausreichend, um die Klägerin unter Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens angemessen am Lebensstandard des Beklagten teilhaben zu lassen. Jedes andere Ergebnis würde dem geringen eigenen Einkommen der Klägerin in unverhältnismäßiger Weise Rechnung tragen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Der Beklagte hat in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Wenngleich der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 50.000 nicht übersteigt, ist die Revision nicht jedenfalls unzulässig, da eine Streitigkeit über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt vorliegt (§ 502 Abs.2 und 3 ZPO iVm § 49 Abs.2 Z 2 JN). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt vor, weil von den Gerichten zweiter Instanz teils die Ansicht vertreten wird, bei geringem Einkommen des Unterhaltsberechtigten habe dieses außer Betracht zu bleiben und der Unterhaltsanspruch betrage 33 % des Nettoeinkommens des Verpflichteten (EFSlg. 50.246; 55.952); teils wird aber auch die Ansicht vertreten, es sei jedenfalls von 40 % des Familieneinkommens das Einkommen des Unterhaltsberechtigten abzuziehen (KG Steyr, 1 R 55/91, EFSlg. 60.314 ua). Gemäß Art. XLI Z 9 WGN 1989 sind daher die Voraussetzungen für die Zulassung der außerordentlichen Revision gegeben.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, ein Abgehen von der Berechnung des Unterhaltes mit 40 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen sei nur in solchen Extremfällen angebracht, in denen die Anrechnung des geringfügigen Einkommens des Unterhaltsberechtigten dazu führte, daß der Unterhaltsverpflichtete erhöht belastet werde; dies trete dann ein, wenn der Unterhaltsverpflichtete trotz Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten mehr zu leisten hätte, als dies der Fall sei, wenn der Unterhaltsberechtigte überhaupt kein Einkommen habe. Im vorliegenden Fall ergebe sich, ausgehend von einem Unterhaltsanspruch von 40 % des Einkommens beider Ehegatten abzüglich des Einkommens der Klägerin ein Betrag von monatlich S 11.253. Berechne man hingegen den Unterhaltsanspruch der Klägerin unter völliger Ausklammerung ihres Einkommens mit 33 % des Nettoeinkommens des Beklagten, so ergebe sich ein Betrag von monatlich S 11.480. Daraus folge, daß das geringfügige Einkommen der Klägerin bei der Unterhaltsbemessung nach den üblichen Prozentsätzen zu keiner erhöhten Belastung des Beklagten führe. Aber auch bei gänzlicher Ausklammerung des Einkommens der Klägerin hätte ihr das Berufungsgericht zumindest 33 % des Nettoeinkommens des Beklagten, das sind S 11.480, als monatlichen Unterhaltsbetrag zusprechen müssen.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Nach der - auch von der Lehre gebilligten (Pichler in Rummel2, Rz 3a zu § 94; Schwimann/Schwimann, ABGB I, Rz 25 zu § 94) - Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz wird der Unterhaltsanspruch des schlechter verdienenden Ehegatten mit 40 % des Familieneinkommens angenommen, wenn keine weiteren Sorgepflichten bestehen (7 Ob 503/91). Ist die Ehefrau einkommenslos, so entspricht der Zuspruch eines Unterhalts in der Höhe von 33 % des Einkommens des Ehemannes den allgemein üblichen Sätzen (3 Ob 1520/91). Wenngleich diese Prozentmethoden sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, so haben sie doch den Charakter einer Orientierungshilfe (3 Ob 1520/91) und können als Maßstab zur Gleichbehandlung gleichartiger Fälle herangezogen werden (7 Ob 503/91). Da der Höhe nach zwischen dem Unterhalt nach § 66 EheG und jenem nach § 94 ABGB kein Unterschied besteht (Schwimann/Zankl, ABGB I, Rz 4 zu § 66 EheG), sind die vorhin erwähnten Prozentsätze auch bei der hier zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen.

Daraus folgt, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin grundsätzlich mit 40 % des gemeinsamen Einkommens beider Streitteile abzüglich ihres eigenen Einkommens zu bemessen ist. Dies bedeutet, wie das Erstgericht bereits zutreffend errechnet hat, einen Unterhaltsanspruch der Klägerin in der Höhe von S 11.253 pro Monat. Die Berechnung des Unterhalts mit 40 % des gemeinsamen Einkommens gilt grundsätzlich auch bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des besser verdienenden Eheteils (Schwimann/Schwimann, ABGB I, § 94 Rz 25). Bei exorbitanten Einkommensunterschieden (insbesonders bei verschwindend geringem Einkommen des Berechtigten) kann die Ermittlung des Unterhaltsanspruches mit 40 % des gemeinsamen Einkommens aber zu einer Verzerrung führen. In den Fällen, in denen die Berücksichtigung des (geringen) Einkommens des Unterhaltsberechtigten dazu führen würde, daß der Unterhaltspflichtige mehr zu bezahlen hätte, als dann, wenn man das Einkommen des Unterhaltsberechtigten außer Betracht läßt und den Unterhalt mit 33 % des Einkommens des Verpflichteten bemißt, hat das Einkommen des Berechtigten außer Betracht zu bleiben, da sich ja die Unterhaltspflicht nicht dadurch erhöhen kann, daß der Unterhaltsberechtigte über ein Einkommen verfügt. Diese Voraussetzungen für die Berechnung des Unterhaltes mit 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen sind aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Während nämlich die Berechnung des Unterhaltes nach der sogenannten "40 %-Methode" zu einem Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 11.253 führt, betragen 33 % des Nettoeinkommens des Beklagten S 11.596. Der Beklagte hätte also, ließe man das Einkommen der Klägerin außer Betracht, einen höheren Unterhalt zu leisten als bei Berücksichtigung dieses Einkommens. Keinesfalls aber kann bei der Berechnung des Unterhalts zunächst davon ausgegangen werden, der Unterhaltsberechtigte verfügte über kein Einkommen und von dem auf diese Weise ermittelten Betrag das tatsächlich erzielte Einkommen wieder abgezogen werden. Diese Vorgangsweise würde zu einer zweimaligen Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten führen. Es ist zwar richtig, daß dem Unterhaltsberechtigten mit eigenem Einkommen mehr Geld zur Verfügung steht als jenem, der über kein Einkommen verfügt, doch kann das Einkommen des Berechtigten nicht ausschließlich zur Entlastung des Verpflichteten verwendet werden und tritt diese Folge allgemein bei Anwendung der von Lehre und Rechtsprechung gebilligten "40 %-Methode" ein. Geht man etwa von einem Einkommen des Unterhaltspflichtigen von 10.000 S und einem solchen des Unterhaltsberechtigten von 5.000 S aus, so ergibt sich daraus unter Anwendung der "40 %-Methode" ein Unterhaltsanspruch in der Höhe von 1.000 S (40 % von 15.000 S = 6.000 S - 5.000 S = 1.000 S). Dem Unterhaltsberechtigten stehen daher insgesamt S 6.000 pro Monat zur Verfügung. Hätte der Unterhaltsberechtigte aber kein Einkommen, so wäre sein Anspruch mit 33 % des Einkommens des Verpflichteten zu berechnen und stünden ihm monatlich nur S 3.333 zur Verfügung.

Unzutreffend ist der in der Revisionsbeantwortung vom Beklagten erhobene Einwand, das Erstgericht hätte auch den Zeitraum September 1989 bis August 1990 berücksichtigen müssen, in diesem Zeitraum habe er monatlich netto nur S 33.344,90 verdient. Das Erstgericht hat zur Unterhaltsbemessung das Durchschnittseinkommen des Beklagten in der Zeit von März 1990 bis Februar 1991 herangezogen. Ein derartig langer Zeitraum rechtfertigt die Annahme, daß auch das künftige Einkommen des Beklagten in dieser Höhe sein werde (Schwimann/Zankl, ABGB I, § 66 EheG Rz 34).

Weiters vertritt der Beklagte die Ansicht, es sei zu berücksichtigen, daß der Klägerin die ehemals gemeinsame Ehewohnung überlassen wurde und sie nur die Betriebskosten zu bezahlen habe. Die Klägerin habe sich allfällige Mietkosten, Anschaffungs- und Abstattungskosten erspart. Dem ist entgegenzuhalten, daß, wie der Beklagte ja selbst zugibt, die Klägerin die Betriebskosten zu tragen hat, sodaß eine erhebliche Verminderung des Unterhaltsbedarfs nicht eintritt.

Es war daher der Revision Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Da das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes abänderte, mußte es auf die Berufung im Kostenpunkt nicht eingehen. Dies ist nunmehr nachzuholen. Der Beklagte machte diesbezüglich geltend, das Erstgericht hätte ihm die Kosten der Äußerung zum Antrag auf einstweilige Verfügung zusprechen müssen, da der Sicherungsantrag von vornherein unbegründet war und von der Klägerin zurückgezogen wurde. Dem ist entgegenzuhalten, daß im Falle des Unterliegens der gefährdeten Partei das Provisorialverfahren als ein vom Hauptverfahren losgelöster Zwischenstreit anzusehen ist, bezüglich dessen nicht die Bestimmung des § 393 EO, sondern die Kostenregelung nach den §§ 402, 78 EO, 40 ff ZPO zur Anwendung kommt (MGA, EO12, E 7 zu § 393). Daraus folgt, daß über die Kosten der Äußerung zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu erkennen war, sodaß das Urteil des Erstgerichtes auch im Kostenpunkt zutrifft.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27695

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00584.91.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19911111_OGH0002_0020OB00584_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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