Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria G*****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Salzburg), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Juni 1991, GZ 5 Rs 69/91-4, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14.Februar 1991, GZ 43 Cgs 63/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei auf Grund des Bescheides vom 11.12.1989 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer von monatlich 3.033,30 S (ab 1.12.1989), (richtig) 3.124,30 S (ab 1.1.1990), (3.155,50 S ab 1.7.1991) und (richtig) 3.313,30 S (seit 1.1.1991). Die am 1.6.1968 geschlossene Ehe der Klägerin mit Bernhard Karl G***** ist, nachdem die Ehegatten schon seit 1975 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt gelebt hatten, seit 3.4.1990 rechtskräftig nach § 55 a EheG geschieden. Auf Grund eines Vergleiches vom selben Tag hat der geschiedene Ehemann der Klägerin ab Mai 1990 einen monatlichen Unterhalt von 1.200 S zu zahlen, welcher Pflicht er bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (14.2.1991) regelmäßig nachkam.
Mit Bescheid vom 27.2.1990 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin (vom 7.2.1990) auf Ausgleichszulage zur genannten Pension ab, weil sie den Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den getrennt lebenden Ehegatten mit 3.102,80 S berücksichtigte.
In der rechtzeitigen Klage begehrte die Klägerin eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ab Antragstellung, und zwar unter Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches gegen den getrennt lebenden Ehegatten nur in der tatsächlich einbringlichen monatlichen Höhe von 1.700 S. In der Tagsatzung vom 14.2.1991 gestand die Klägerin zu, seit 7.1.1991 zweimal wöchentlich zwei Stunden für einen vereinbarten Nettostundenlohn von 80 S als Aufräumerin zu arbeiten und dafür im Jänner 1991 900 S erhalten zu haben.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.5.1990 zur vorzeitigen Alterspension die Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe zu gewähren (Punkt 1.) und wies das auf diese Leistung für die Zeit von der Antragstellung bis 30.4.1990 gerichtete Mehrbegehren ab (Punkt 2.). Den stattgebenden Teil seines Urteilsspruches begründete es damit, daß der auf einer Vereinbarung der Ehegatten über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen iS des § 55 a Abs. 2 EheG beruhende Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten nicht wie ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch (nach § 294 Abs. 1 lit. b ASVG) zu berücksichtigen sei, sondern im tatsächlich geleisteten monatlichen Ausmaß von 1.200 S als Nettoeinkommen iS des § 292 Abs. 1 und 3 leg cit. Dazu berief sich das Erstgericht ua auf die E des erkennenden Senates SSV-NF "15/1988" (richtig 2/15). Weil bei einer Scheidung nach § 55 a EheG kein (gesetzlicher) Unterhaltsanspruch bestehe, könne auf einen solchen auch nicht zu Lasten eines Dritten verzichtet werden.
Die Klägerin ließ die Abweisung ihres Mehrbegehrens unbekämpft.
Das Berufungsgericht gab der gegen den stattgebenden Teil wegen unzureichender Feststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf (gänzliche) Abweisung der Klage gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge, sondern bestätigte den angefochtenen Urteilspunkt 1. mit der Maßgabe, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin zur ... Alterspension ... vom 1.5. bis 30.6.1990 eine Ausgleichszulage von 1.109,70 S, vom 1.7. bis 31.12.1990 eine Ausgleichszulage von 1.218,50 S und ab 1.1.1991 eine vorläufige Ausgleichszulage von monatlich 586,70 S zu gewähren.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und berief sich dazu auf die E des erkennenden Senates SSV-NF 2/28. Für die Zeit ab Mai 1990 sei der jeweiligen Bruttopension der Klägerin daher kein pauschalierter Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten iS des § 294 Abs. 1 lit. b ASVG, sondern bis 31.12.1990 nur der verglichene monatliche Unterhaltsbeitrag von 1.200 S, seit 1.1.1991 überdies das Nettoeinkommen der Klägerin als Aufräumerin nach § 292 Abs. 1 und 3 leg cit zuzurechnen. Weil die genaue Höhe dieses Arbeitseinkommens erst nachträglich ermittelt werden könne, sei unter Annahme des vom Erstgericht festgestellten (monatlichen) Mindesteinkommens von 900 S ab 1.1.1990 (richtig 1991) iS der E des erkennenden Senates SSV-NF 3/9 und 4/1 eine vorläufige Ausgleichszulage (Vorschußleistung) von monatlich 586,70 S aufzutragen.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die beklagte Partei nur zu Leistung folgender monatlicher Ausgleichszulagenbeträge verpflichtet werde: vom 1.5. bis 30.6.1990 873,30 S, vom 1.7. bis 31.12.1990 982,10 S und vom 1. bis 31.1.1991 332 S; ab 1.2.1991 sei keine vorläufige Ausgleichszulagenzahlung aufzutragen; allenfalls sei das angefochtene Urteil aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs. 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Der erkennende Senat hat die von der beklagten Partei auch in der Revision vertretene Rechtsansicht, ein auf Grund einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG zustehender Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten wäre nach § 294 ASVG (pauschal) zu berücksichtigen, in der schon vom Berufungsgericht zit E SSV-NF 2/28 im wesentlichen deshalb abgelehnt, weil es sich dabei um keinen gesetzlichen, sondern um einen rein vertraglichen Unterhaltsanspruch handle. Daß § 294 ASVG auf (nur) vertragliche Unterhaltsansprüche nicht anzuwenden ist, hatte der erkennende Senat schon in der vom Erstgericht zit E SSV-NF 2/15 = ua SZ 61/26 ausführlich begründet. Er hat diese - in der Revision nicht
bekämpfte - Rechtsmeinung auch mehrfach wiederholt (zB SVSlg 35.775, 35.777, zuletzt 9.7.1991 10 Ob S 205/91). Daß der auf Grund einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG geschuldete Unterhalt, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist, nach § 69 a leg cit einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, ändert nichts daran, daß das EheG eine gesetzliche Unterhaltspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten nur bei Scheidung wegen Verschuldens (§§ 66 f) und aus den in den §§ 50 bis 52 und 55 bezeichneten Gründen (§ 69), nicht aber bei einer Scheidung im Einvernehmen nach § 55 a vorsieht (siehe auch Pichler in Rummel, ABGB II Rz 1 zu § 69 a EheG). Während durch eine Vereinbarung der Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung iS des § 80 EheG aus den §§ 66 f und 69 leg cit ableitbare, also gesetzliche Unterhaltsansprüche lediglich konkretisiert werden können, ist dies bei einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG nicht möglich, weil einvernehmlich geschiedenen Ehegatten gegenseitig kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehen kann. Dies ergibt sich auch aus § 69 a leg cit, der keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch festlegt, sondern nur bestimmt, daß der auf Grund einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG geschuldete Unterhalt, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist, einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, der vielfach privilegiert ist (zB Mänhart, Die Scheidung im Einvernehmen in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 125 (134); Pichler in Rummel, ABGB II Rz 2 zu § 69 a; Zankl in Schwimann, ABGB I Rz 1 zu § 69 a EheG; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts8 II 233; jeweils mwN).
Daß bei nur auf einer Vereinbarung beruhenden Unterhaltsansprüchen eine Pauschalanrechnung nicht stattfindet, ergibt sich auch aus folgender Überlegung:
Nach § 294 Abs. 3 Satz 2 ASVG in der seit 1.1.1990 geltenden, im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung erfolgt nämlich eine Zurechnung zum Nettoeinkommen (des Pensionsberechtigten) nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung, wenn die nach Abs. 1 und 2 der zit Gesetzesstelle berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos ist. Ist der geschiedene Ehegatte - wie hier - auf Grund einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG nur zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet, die geringer ist als die Pauschalanrechnung, dann wäre die Verfolgung eines diese vertraglich festgesetzte Unterhaltsleistung übersteigenden Unterhaltsanspruches mangels eines gesetzlichen Anspruches und damit mangels eines durchsetzbaren höheren Unterhaltstitels offensichtlich aussichtslos (SSV-NF 2/15).
Die der Klägerin von ihrem geschiedenen Ehegatten seit Mai 1990 erbrachten monatlichen Unterhaltsbeiträge von 1.200 S wurden daher vom Berufungsgericht iS der Rsp des erkennenden Senates richtigerweise in der genannten Höhe der Pension zugerechnet.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die monatliche Ausgleichszulage vom 1.1.1991 an zu bevorschussen ist, ist nach § 368 Abs. 2 iVm § 295 Abs. 1 leg cit richtig (§ 48 ASGG). Sie entspricht der Rsp des erkennenden Senates SSV-NF 3/9 und 4/1, deren Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind, in dem die Höhe des der Klägerin seit Jänner 1991 erwachsenden monatlichen Nettoarbeitseinkommens noch nicht geklärt ist.
Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E27838European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00274.91.1112.000Dokumentnummer
JJT_19911112_OGH0002_010OBS00274_9100000_000