TE OGH 1991/11/12 5Ob106/91

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin GEMEINNÜTZIGE *****SIEDLUNGS-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die Antragsgegner 1.) Ursula T*****, 2.) Traude K*****, 3.) Ernst L*****, 4.) Ingeborg K***** und 5.) Claudia L*****, alle Mieter des Hauses R*****gasse 8, ***** wegen § 14 WGG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 28. 6. 1991, GZ R 507/91-6, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 19. März 1991, GZ Msch 10/91-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden aufgehoben, soweit sie sich auf die Abweisung des Begehrens auf vorläufige Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung um weitere S 1,68 pro m2 Wohnnutzfläche beziehen.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Hauses K*****, R*****gasse 8, in dem sich die Bestandobjekte der Antragsgegner befinden. Die Bestandverhältnisse unterliegen dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG).

Die Antragstellerin begehrt, die im Mietzins enthaltene Bauerneuerungsrückstellung von S 2,08 pro m2 Wohnnutzfläche auf S 50,89 pro m2 monatlich zu erhöhen. Aus dem Vorbringen im Antrag ist erkennbar, daß die Antragstellerin ein auf endgültige Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung gerichtetes Verfahren anstrebt, in dessen Verlauf die Grundsatzentscheidung und die vorläufige Erhöhung bewilligt werden mögen (s 5 Ob 65/91). In der Berechnung des Gesamterfordernisses machte die Antragstellerin 3 % Bauverwaltungskosten (S 42.535,80), 2 % für Bauaufsicht (S 21.855,66) und an Kosten für Büroleistungen gemäß der GOA S 53.218,53 geltend. Sie versteht unter dem letztgenannten Posten im wesentlichen Planungsarbeiten im Vorfeld der Anbotseinholung.

Das Erstgericht stellte diesen Schriftsatz jedem Antragsgegner zu eigenen Handen mit der Aufforderung zu, binnen 14 Tagen eine schriftliche Äußerung zu erstatten, widrigenfalls angenommen würde, daß keine Einwendungen gegen den Antrag bestünden.

Die Antragsgegner erstatteten keine Äußerung.

Daraufhin gab das Erstgericht dem Begehren der Antragstellerin mit Ausnahme des für Büroleistungen nach den Tarifen der GOA begehrten Betrages statt (Grundsatzentscheidung und vorläufige Erhöhung) und wies das darauf gestützte Mehrbegehren (Erhöhung um weitere S 1,68 pro m2 Wohnnutzfläche) ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses nicht Folge und sprach die Zulässigkeit des Revisionsrekurses aus.

Das Rekursgericht umschrieb die Begriffe Verwaltungskosten, Bauverwaltung, örtliche Bauaufsicht sowie Büroleistungen (notwendige Entwürfe, Einreichung, Kostenberechnung und Erstellen von Ausführungszeichnungen sowie die technische und geschäftliche Oberleitung; s Anm 11 zu § 5 GRV in Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG, Kommentar und Handbuch, in Verbindung mit § 33 lit a und § 34 lit a bis g GOA). Da in der Entgeltrichtlinienverordnung (EntgRV) von den Büroleistungen nirgends die Rede sei, könnten diese bei Errechnung des für die Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung maßgebenden Gesamterfordernisses nicht berücksichtigt werden. Die von der Antragstellerin unter diesem Titel geltend gemachten Beträge seien daher vom Erstgericht zutreffend nicht berücksichtigt worden.

Da zu der hier maßgebenden Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Begehren, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß auch ihrem Mehrbegehren Folge gegeben werde; in eventu mögen die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Die Antragsgegner beteiligten sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne seines Eventualantrages berechtigt.

Bei der sachlichen Erledigung des Erhöhungsbegehrens ist von folgenden Grundsätzen auszugehen (vgl 5 Ob 92/91 ua):

Die Entscheidung über ein Erhöhungsbegehren nach § 22 Abs 1 Z 8 WGG ist rechtsgestaltender Natur. Die Pflicht der Mieter zur Zahlung des erhöhten Entgeltes wird erst durch die Rechtskraft dieser Entscheidung konstitutiv bewirkt. Dies hat zur Folge, daß das Gericht bei der Entscheidung über das Erhöhungsbegehren von dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Normenbestand auszugehen hat, in diesem Fall daher auch von der EntgRV 1986 idF BGBl 1991/292, deren § 8 a und neu formulierter § 9 Abs 4 gemäß § 16 Abs 8 der genannten Verordnung am 1. Juli 1991 in Kraft traten. Dagegen bestehen umso weniger Bedenken, als dem Erhöhungsbegehren erst in Zukunft zu erbringende, bei der Entgeltberechnung zu berücksichtigende Leistungen zugrundeliegen.

Gemäß § 8 a EntgRV gehören zu den Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten unter anderem auch die Kosten der Planung und örtlichen Bauaufsicht sowie die Bauverwaltungskosten gemäß § 9 Abs 4 EntgRV.

Gemäß § 9 Abs 4 EntgRV darf nur bei umfangreichen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ein angemessener Betrag für die Bauverwaltung und Bauüberwachung angerechnet werden, wenn diese Tätigkeiten über die im Rahmen der ordentlichen Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen, so zB wenn die Durchführung der Arbeiten eine schwierige technische Vorbereitung oder die Koordinierung mehrerer Auftragnehmer erfordert. Für die Bauverwaltung und Bauüberwachung dürfen zusammen höchstens 5 vH der Baukosten angerechnet werden. Dieser Höchstsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der Kosten der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Die Abgrenzung dieser Kostenbereiche sowohl zueinander als auch von den Büroleistungen im Sinne der GOA, die von der Antragstellerin im Rahmen des Gesamterfordernisses geltend gemacht werden, ist - unter Berücksichtigung der in der Gebarungsrichtlinienverordnung 1979, BGBl 1979/523, insbesondere in deren Anhang A (für die Buchführung vorgeschriebener Kontenrahmen) und Anhang B (Gestaltung des Betriebsabrechnungsbogens zur Zuordnung der aufgelaufenen Kosten zu den einzelnen Kostenstellen) verwendeten, von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geprägten Terminologie (s dazu in Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG, Handbuch und Kommentar, die Anm 11 und 12 zu § 5 GRV) - wie folgt vorzunehmen:

Unter Bauverwaltung sind alle nicht technischen, also die organisatorischen, administrativen und kommerziellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten, unter Bauüberwachung die technischen Tätigkeiten in diesem Zusammenhang zu verstehen (MietSlg 37.691/40). Diese technischen Leistungen können örtliche Bauaufsicht oder Büroleistungen sein.

Zur örtlichen Bauaufsicht gehört die Überwachung der Herstellung des Werkes auf Übereinstimmung mit den Plänen, auf Einhaltung der technischen Regeln, der behördlichen Vorschriften und des Zeitplanes, die Abnahme von Teilleistungen und die Kontrolle der für die Abrechnung erforderlichen Abmessungen, die Führung des Baubuches etc (vgl Korinek-Funk ua, aaO, Anm 11), also alle jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Alle anderen zur Bauüberwachung gehörenden Tätigkeiten sind nicht örtliche Bauaufsicht.

Büroleistungen im Sinne der GOA sind a) der Vorentwurf, b) der Entwurf, c) die Einreichung, d) die Kostenberechnung, e) die Ausführungszeichnungen, f) die Teilzeichnungen, g) die künstlerische Oberleitung und h) die technische und geschäftliche Oberleitung (§ 34 GOA). Die unter a) bis f) genannten Tätigkeiten können dem Begriff "Planung" im Sinne des § 8 a EntgRV unterstellt werden, während die künstlerische und technische Oberleitung zur Bauüberwachung, die geschäftliche Oberleitung zur Bauverwaltung gehört.

Ausgehend von dem in § 13 Abs 1 WGG normierten Kostendeckungsprinzip dürfen den Mietern bzw Nutzungsberechtigten unter den genannten Titeln (Planung, örtliche Bauaufsicht, Bauverwaltung, Bauüberwachung) keine höheren als die den tatsächlichen Kosten entsprechenden angerechnet werden. Insbesondere darf eine bestimmte Leistung nur einmal, nicht aber mehrmals, zB einmal als Bestandteil eines Pauschalbetrages (Bauverwaltung und Bauüberwachung), das andere Mal unter dem Titel örtliche Bauaufsicht oder Planung verrechnet werden.

Die notwendigen Kosten für die durch eigene Leute der Antragstellerin durchgeführte Planung und örtliche Bauaufsicht dürfen nach § 8 a EntgRV ohne sonstige Beschränkung im Gesamterfordernis berücksichtigt werden. Ihre Höhe richtet sich - wie bei Fremdleistung - nach der GOA.

Die Kosten für Bauverwaltung und Bauüberwachung können im Gesamterfordernis bei Vorliegen der in § 9 Abs 4 EntgRV hiefür normierten Voraussetzungen (Vorliegen von Tätigkeiten, die über die im Rahmen ordentlicher Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen) mit ihrem tatsächlichen Ausmaß (MietSlg 37.691/40), höchstens aber mit 5 vH der Baukosten berücksichtigt werden. Dieser Prozentsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Eine gesetzesgemäße Entscheidung erfordert daher die konkrete Feststellung der von der Antragstellerin zu erbringenden Leistungen und der damit verbundenen Kosten, deren Zuordnung zu einer der oben genannten Kostengruppen und die Berücksichtigung jeder dieser Kostengruppen mit dem hiefür zulässigen Ausmaß im Gesamterfordernis. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten im tatsächlichen Bereich wird gegebenenfalls das Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einzuholen sein. Erst dann wird beurteilt werden können, ob zusätzliche, zu der bereits rechtskräftig bewilligten Erhöhung (um S 47,13 pro m2 Wohnnutzfläche) noch eine weitere Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung gerechtfertigt ist.

Dies alles erfordert eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz und demgemäß die Aufhebung der Sachbeschlüsse des Erstgerichtes und des Rekursgerichtes im Umfang der Anfechtung.

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht zur Vermeidung einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens eine Stellungnahme der Gemeinde im Sinne des § 38 MRG (§ 22 Abs 4 WEG) zu den beantragten Arbeiten und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen einzuholen haben.

Dem steht die Rechtskraft der Grundsatzentscheidung nicht entgegen, weil durch die Grundsatzsentscheidung über die Preisangemessenheit der Arbeiten nicht bindend abgesprochen ist.

Überdies wird vor der neuerlichen Entscheidung nach § 14 Abs 4 WGG auf die in dieser Gesetzesstelle geforderte Verpflichtungserklärung der Antragstellerin Bedacht zu nehmen sein (§ 14 Abs 4 Satz 1 WGG).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Es steht schon jetzt fest, daß die Voraussetzungen für den Zuspruch von - allein - verzeichneten Anwaltskosten nicht gegeben sind, so daß ein Kostenvorbehalt bezüglich der Kosten des Revisionsrekursverfahrens nicht auszusprechen war.

Anmerkung

E27450

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00106.91.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19911112_OGH0002_0050OB00106_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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