TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/17 2005/18/0721

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Veröffentlicht am 17.01.2006
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61986CJ0012 Demirel VORAB;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
MRK Art8;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2005/18/0722 E 17. Jänner 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der A, (geboren 1980), vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. April 2005, Zl. 142.023/2- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 29. April 2005 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe am 10. Oktober 2001 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Ankara und am 9. Oktober 2002 durch ihren Rechtsvertreter an den Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft gestellt. Die Erstbehörde habe diese Anträge gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei ihrem Antrag um einen weiteren Antrag handle und dazu auf das zwischen der EWG und der Türkei abgeschlossene Assoziationsabkommen sowie den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 verwiesen.

Die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 15. Oktober 2001 bis zum 13. Jänner 2002 gültigen Visum der Kategorie C, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Ankara, nach Österreich eingereist und seit dem 19. Oktober 2001 in 1030 Wien gemeldet. Ihr Ehemann verfüge seit dem 2. Februar 1998 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.

Der Beschwerdeführerin sei bislang kein Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet erteilt worden, beim genannten Visum der Beschwerdeführerin handle es sich um einen Einreisetitel und nicht um einen Aufenthaltstitel. Die genannten Anträge seien daher als solche auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sei die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden solle. Der von der Beschwerdeführerin angestrebte Aufenthaltstitel solle zeitlich an ein Visum anschließen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sei daher die Erteilung dieses Aufenthaltstitels zu versagen.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin, als Angehörige eines türkischen Staatsangehörigen auf das Assoziationsabkommen, sei nicht zielführend, weil dieses Abkommen nur dann Anwendung finde, wenn die Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates gestanden habe. Die Beschwerdeführerin habe aber als Angehörige ihres Mannes noch keinen Aufenthaltstitel erhalten und überdies sei das Abkommen nur auf jene Angehörigen anwendbar, die die Genehmigung erhalten hätten, zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, was im Fall der Beschwerdeführerin nicht gegeben sei. Im Urteil des EuGH vom 17. April 1997, C-351/95, werde ebenfalls ausgeführt, dass durch Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaats nicht berührt werde, Genehmigungen zum Zuzug von Familienangehörigen von türkischen Arbeitnehmern zu erteilen.

Aus den angeführten Gründen sei daher der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG abzuweisen gewesen. Ferner habe in einem solchen Fall keine Ermessensausübung unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 3 FrG genannten Kriterien zu erfolgen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Mit ihrem Vorbringen, der Beschwerdeführerin komme - so wie ihrem Ehemann - ein Aufenthaltsrecht unmittelbar aus dem Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei zu, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach Art. 7 erster Gedankenstrich des auf Grundlage des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei (aus 1963) gefassten Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 (ARB) haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitsnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass der ARB nicht den Familiennachzug regelt, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des EuGH vom 30. September 1987, C 12/86, in der Rechtssache Demirel und auf dessen Urteil vom 17. April 1997, C 351/95, in der Rechtssache Selma Kadiman hingewiesen, in denen der Gerichtshof betont, dass durch Art. 7 ARB die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates nicht berührt wird, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Das der Beschwerdeführerin unstrittig erteilte Visum C mit einer Gültigkeitsdauer vom 15. Oktober 2001 bis zum 13. Jänner 2002 stellt keine Genehmigung des Zuzuges im Sinn des Art. 7 ARB dar. Da die Beschwerdeführerin somit nicht die Genehmigung erhalten hat, zu ihrem Ehemann zu ziehen, kann sie aus dem ARB keine Rechte ableiten. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2003/18/0139, mwH.) Entgegen der Beschwerdeführerin kommt ihr damit auf der Grundlage des ARB kein Nachzugsrecht zu. Bei einer Sachlage wie im Beschwerdefall ist vom Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung - anders als die Beschwerde vermeint - kein aus dem ARB ableitbares Nachzugsrecht angenommen worden.

1.2. Entgegen der Beschwerdemeinung kann angesichts des auf Art. 7 ARB gegründeten Erfordernisses der Genehmigung zum Zuzug für Familienangehörige von türkischen Arbeitnehmern, denen Art. 6 ARB zugute kommt, - eine solche hat die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, bislang nicht erhalten - nicht gesagt werden, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin "gegenüber anderen unselbständigen Erwerbstätigen aus dem Gemeinschaftsgebiet" mit Blick auf Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG (direkt oder zumindest indirekt) diskriminiert würde. Auf dem Boden der Regelung des Art. 7 ARB erweist sich auch der Hinweis auf das zum freien Dienstleistungsverkehr im Sinn des Art. 49 EG ergangene Urteil des EuGH vom 11. Juni 2002 in der Rs C- 60/00 (Mary Carpenter) als nicht zielführend, zumal in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall eine Regelung, wie sie Art. 7 ARB enthält, nicht von Relevanz war, und sich daher die beiden Fälle hinsichtlich der maßgeblichen Rechtslage entscheidend voneinander unterscheiden. Da für Österreich die vorliegend maßgebliche Bestimmung des Art. 7 ARB jedenfalls schon mit dem Beitritt zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 unmittelbar anzuwenden war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088), gehen schließlich auch die Einwände fehl, die Regelung des § 10 Abs. 1 Z 2 FrG würde eine Verschlechterung gegenüber der Rechtslage zum Zeitpunkt des Beitritts darstellen, und Art. 7 ARB wäre zudem in Österreich (dem Legalitätsprinzip zuwider) noch nicht umgesetzt.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 FrG können Fremden auf Antrag Einreise- und Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12 FrG). Gemäß § 10 Abs. 1 FrG ist die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn (Z. 2) der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll. Für die Beurteilung der Frage, ob dieser Versagungsgrund vorliegt, ist ausschließlich maßgeblich, ob sich der Fremde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Anschluss an eine mit einem Reisevisum erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2005/18/0063).

Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass sie nach Österreich mit dem besagten Visum C eingereist und bislang in Österreich keinen Aufenthaltstitel erteilt erhalten habe. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG verwirklicht worden sei, keinen Bedenken.

Ist der absolute Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG aber wirksam geworden, so ist die Erteilung einer Bewilligung nach § 8 Abs. 1 FrG ausgeschlossen. Schon das Vorliegen eines einzigen Versagungsgrundes steht gemäß § 8 Abs. 1 FrG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen. Eine Ermessensübung durch die belangte Behörde (unter Berücksichtigung der im § 8 Abs. 3 FrG genannten Kriterien) kommt bei den im § 10 Abs. 1 FrG genannten Versagungsgründen nicht in Betracht. Auch eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin ist bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG gestützten Entscheidung nicht geboten. (Vgl. nochmals das genannte Erkenntnis Zl. 2005/18/0063.)

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 2006

Gerichtsentscheidung

EuGH 61986J0012 Demirel VORAB
EuGH 61995J0351 Kadiman VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180721.X00

Im RIS seit

15.02.2006

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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