TE OGH 1991/11/14 7Ob609/91

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Veröffentlicht am 14.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien KommRat Franz S***** und Maria S*****, beide vertreten durch Dr. Erwin Hoffmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verein "J*****", ***** vertreten durch Dr. Christian Burghardt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 500.000,-- s.A. (Rekursstreitwert S 345.371,25 s.A.), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1991, GZ 41 R 336/91-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13.Februar 1991, GZ 30 C 1208/90d-11, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, daß das Ersturteil zur Gänze bestätigt wird. Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 58.712,09 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 10.040,-- Barauslagen und S 8.112,01 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren je zur Hälfte Eigentümer eines Kurhotels und hatten dieses samt Inventar der beklagten Partei im Jahre 1979 in Bestand gegeben. Das Bestandverhältnis wurde im Jahre 1988 aufgelöst und das Bestandobjekt den Klägern am 25.2.1989 übergeben. Ob es sich um Pacht oder um Miete handelte, ist strittig, für den vorliegenden Rechtsstreit aber bedeutungslos.

Die Kläger behaupten in der am 25.10.1990 eingebrachten Klage eine erhebliche Beschädigung des Bestandobjektes und des Inventars sowie das Fehlen von Inventar und begehren den Ersatz ihres Schadens von insgesamt S 500.000,-- s.A.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Ansprüche infolge Nichteinhaltung der einjährigen Frist des § 1111 ABGB verfristet seien. Die Präklusivfrist des § 1111 ABGB gelte auch für Schadenersatzansprüche wegen Fehlens von Inventargegenständen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang der Abweisung eines Teilanspruchs von S 154.628,75 s.A., hob es im übrigen jedoch auf und trug dem Erstgericht im Umfang der Aufhebung eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes gelte die Frist des § 1111 ABGB nicht für Ansprüche auf Ersatz des Interesses des fehlenden Inventars.

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes gerichtete Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist davon, daß nach nunmehr herrschender Ansicht der § 368 EO nur Verfahrensvorschriften enthält und eine im materiellen Recht begründete Forderung des Gläubigers auf das Interesse voraussetzt. Ein materiellrechtlicher Anspruch wird durch diese Gesetzesstelle nicht begründet (EvBl. 1990/7;

JBl. 1983, 604; EvBl. 1977/231; SZ 43/113; SZ 24/55; 7 Ob 654/84;

1 Ob 716/81; vgl. auch Heller-Berger-Stix4 III 2621; Reischauer in Rummel2 Rz 4 a zu § 918). Nach Beendigung des Bestandvertrages hat der Bestandgeber gemäß § 1109 ABGB Anspruch auf Rückstellung der Bestandsache gemäß dem errichteten Inventar. Dieser Anspruch ist primär auf Besitzverschaffung gerichtet (vgl. Würth in Rummel Rz 3 f zu den §§ 1109, 1110). Er kann sich in einen Anspruch auf Geldersatz wandeln, wenn der Bestandnehmer die Rückstellung schuldhaft vereitelt. Für mangelndes Verschulden trifft gemäß § 1298 ABGB den Bestandnehmer die Beweislast. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich bei dem Anspruch des Bestandgebers auf Geldersatz im Vereitelungsfalle, den der Bestandgeber zu beweisen hat (vgl. Reischauer aaO Rz 11 zu § 920), um einen Schadenersatzanspruch wegen Vertragsverletzung handelt. Der Anspruch der Kläger auf Ersatzleistung wegen fehlender Inventargegenstände ist daher auch dann, wenn man mit dem Berufungsgericht die Klage insoweit als solche auf Ersatz des Interesses ansieht, materiellrechtlich ein Schadenersatzanspruch. Schadenersatzansprüche des Bestandgebers wegen fehlender Gegenstände unterliegen aber nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Frist des § 1111 ABGB (SZ 60/229; SZ 37/165). Nach dem Zweck des § 1111 ABGB, möglichst rasch zu klären, ob dem Bestandgeber Ansprüche wegen Beschädigung oder mißbräuchlicher Abnützung der Bestandsache gegen den Bestandnehmer zustehen (1 Ob 23/91), kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Bestandnehmer Gegenstände bloß beschädigt oder diese gänzlich zerstört, entfernt oder sonst ihre Rückstellung vereitelt.

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben und in der Sache selbst zu erkennen, da die Streitsache zur Entscheidung reif ist (§ 519 Abs. 2 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27785

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00609.91.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19911114_OGH0002_0070OB00609_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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