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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geboren 1977), vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 13/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. September 2005, Zl. SD 696/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. September 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen (angeblichen) sudanesischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels Dokumenten nicht geklärt sei, sei am 12. August 1997 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, das diesbezügliche Verfahren sei anhängig.
Bereits mit Bescheid der Erstbehörde vom 2. September 2003 sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden. Diesem habe zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Jänner 2003 nach den §§ 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 SMG, 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden sei.
Doch weder diese Verurteilung noch das Aufenthaltsverbot hätten den Beschwerdeführer zu einem nunmehr rechtskonformen Verhalten bewegen können. Zur Finanzierung seines Lebensunterhalts habe er von einem unbekannten Dritten eine nicht mehr feststellbare Menge Heroin und Kokain übernommen und diese zu zumindest insgesamt 30 Kugeln Suchtgift verpackt. Dieses habe er einem Bekannten zum Verkauf übergeben. Der Beschwerdeführer sei deshalb mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. März 2005 gemäß § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, gleichzeitig sei die bedingte Strafnachsicht der Vorverurteilung widerrufen worden.
Solcherart könne kein Zweifel daran bestehen, dass der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht sei, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann wiederholt dem Suchtgifthandel nachgehe, lasse eine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Dazu komme, dass der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern eine hohe Wiederholungsgefahr anhafte, was sich im Fall des Beschwerdeführers als bestätigt erweise. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass der Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch als nicht besonders gewichtig, sei doch der Beschwerdeführer lediglich auf Grund eines Asylantrags zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das wiederkehrende strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Auch angesichts des Fehlens jeglicher familiärer Bindungen in Österreich sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Demgegenüber stehe jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und von diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.
Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen. Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung dazu gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Das anhängige Asylverfahren stelle einen solchen besonderen Grund nicht dar, erweise sich das Aufenthaltsverbot doch auch im Sinn des AsylG als zulässig und komme eine vorzeitige Vollstreckung desselben vor Abschluss des Asylverfahrens ohnedies nicht in Betracht.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots betreffe, so erscheine der unbefristete Ausspruch durch die Erstbehörde auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Angesichts des dargelegten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Im Hinblick auf die unstrittigen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers bestehen keine Bedenken gegen die - nicht bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster, zweiter und vierter Fall) FrG verwirklicht sei.
1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, den besagten Verurteilungen zugrunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers besteht auch gegen die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Fehlverhalten gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr hat sich beim Beschwerdeführer dadurch manifestiert, dass er sich durch seine Verurteilung im Jahr 2003 nicht davon abhalten ließ, neuerlich straffällig zu werden. Dabei hat der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten sogar noch beträchtlich gesteigert, hat er doch das seiner zweiten Verurteilung im Jahr 2005 zugrunde liegende Suchtgiftdelikt - wie die dadurch verletzten im Bescheid genannten Bestimmungen des SMG zeigen - gewerbsmäßig in Bezug auf eine "große Menge" iSd § 28 Abs. 6 leg. cit. begangen, d. i. eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0397.)
Dass sich der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des strafrechtlich relevanten Sachverhaltes bereits fünf Jahre lang in Österreich aufgehalten und bis zur Begehung dieser beiden Straftaten stets wohlverhalten und weder strafrechtlich noch verwaltungsrechtlich verpönter Handlungen schuldig gemacht habe, und dass es "einmal beim Versuch" geblieben ist, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich auch im Grund des § 37 FrG gegen den angefochtenen Bescheid und bringt vor, dass er in Österreich privat in hohem Maß integriert sei, während er in seiner ursprünglichen Heimat nur über geringe Bindungen verfüge. Er sei durch seine engagierte und ehrenamtliche Tätigkeit als Chorleiter in einer katholischen Pfarre in Wien sozial vollständig integriert, dadurch hätten sich Freundschaften und familienähnliche Beziehungen zu anderen Mitgliedern der Pfarre entwickelt, diese seien für den Beschwerdeführer bereits seit langem zu einer Art "Familienersatz" geworden.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich angenommen. Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Schutz der Rechte Dritter und Schutz der Gesundheit) dringend geboten.
Vor diesem Hintergrund kann auch das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 2 FrG getroffenen Beurteilung, dass die Auswirkungen dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen fehlen dem Beschwerdeführer familiäre Bindungen in Österreich, weshalb ihm familiäre Interessen im Sinn des § 37 FrG (die durch den von ihm geltend gemachten "Familienersatz" nicht substituiert werden können) an einem Verbleib in Österreich nicht zukommen. Ferner hat der Beschwerdeführer durch sein wiederholtes Fehlverhalten das Gewicht seiner privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich in der für sie maßgeblichen sozialen Komponente erheblich relativiert. Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in seiner ursprünglichen Heimat nur geringe persönliche Bindungen, ist entgegenzuhalten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet und ferner mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2004/18/0401, mwH).
3. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe mit Blick auf § 36 und § 37 FrG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, sein Recht auf Parteiengehör verletzt und den angefochtenen Bescheid nicht hinreichend begründet, als nicht zielführend. Fehl geht ferner auch seine Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihn zu veranlassen, entsprechende Angaben über seinen bisherigen "sozialen Werdegang" zu machen, und dadurch gegen die Manuduktionspflicht verstoßen, war doch die belangte Behörde nach § 13a AVG nicht gehalten, dem Beschwerdeführer Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten sei, damit seinem Standpunkt von der Behörde allenfalls Rechnung getragen werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0114, mwH).
4. Entgegen der Beschwerde bestand für die belangte Behörde auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 36 Abs. 1 FrG von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, ist doch bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer der im § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG genannten strafbaren Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr das Vorliegen der Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots eindeutig, und würde eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/18/0571, mwH).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 17. Jänner 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180001.X00Im RIS seit
10.02.2006