TE OGH 1991/11/20 9ObA196/91

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Veröffentlicht am 20.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProfDr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** M*****, Monteur, ***** vertreten durch Mag. E***** G*****, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei E***** C*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 89.023,85 brutto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 1991, GZ 13 Ra 10/91-26, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25. September 1990, GZ 8 Cga 52/89-17, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem stattgebenden Teil als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

2. den Beschluß

gefaßt:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im übrigen - das ist im Umfang der Abweisung durch das Berufungsgericht und im Kostenpunkt - aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte überläßt die von ihr angeworbenen Arbeitskräfte verschiedenen Beschäftigerbetrieben. Der Kläger, der den Beruf eines Bauspenglers erlernt hat, war vom 3. September 1987 bis 28. April 1989 bei der Beklagten beschäftigt und während der gesamten Dienstzeit an die B***** Gesellschaft mbH in S***** (kurz: B*****-S*****) als Leiharbeitnehmer überlassen. Es war von Anfang an klar, daß der Kläger an B*****-S***** als Arbeitskraft überlassen werden sollte. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung seitens des Klägers. Vereinbart war ab 1. Juli 1988 ein Stundenlohn von 63,55 S brutto, eine Montagezulage von 4,70 S pro Stunden und eine Auslöse von 160 S täglich. Der ständige Wohnsitz des Klägers ist in S*****, auswärtige Dienstverrichtungen für B*****-S***** hatte der Kläger nicht durchzuführen. Bei der Lohnvereinbarung orientierte sich die Beklagte am Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie (im folgenden kurz: KV) und der Lohngruppe 5 des Art IX Z 1 dieses KV. Der Kläger war bei B*****-S***** als Fertigungslöhner (zum Großteil im Gruppenakkord) im Schichtbetrieb tätig.

Er verrichtete im wesentlichen folgende Arbeiten: 1. September bis 22. September 1988 Ölwannen (des Motors M 40) Entgraten und Waschen, vom 23. September bis 29. September 1988 Entgraten und Dichtprüfen des Motors M 40, Bearbeiten der Wasserpumpen, vom 3. Oktober bis 14. Oktober 1988 Bearbeiten der Ölwannen, vom 17. Oktober bis 28. Oktober 1988 Bearbeiten der Wasserpumpe des Motors M 40, vom 2. November bis 4. November 1988 Bearbeiten der Ölwannen, Bearbeiten von Thermostatgehäusen, vom 7. November 1988 bis 20. Jänner 1989 Bearbeiten von Wasserpumpen des Motors M 40, vom 23. Jänner 1989 bis 3. März 1989 Dichtprüfen und Bearbeiten von Wasserpumpen des Motors M 40, Dichtprüfen von Ölwannen und seit 6. März 1989 bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses Mithilfe am Aufbau der Anlage zur Erzeugung des Motors M 50.

Die einzelnen Arbeitsplätze werden nach einer zwischen dem Arbeiterbetriebsrat und B*****-S***** abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über das Lohn- und Leistungssystem bewertet.

Danach wird zwischen Zeitlohn für nicht direkt produktive Arbeitskräfte und Fertigungslohn für direkt produktive Arbeitskräfte unterschieden. Es sind 26 Lohnstufen im innerbetrieblichen Leistungssystem (ILS) vorgesehen, wobei die einzelnen Arbeitsplätze nach einem Bewertungssystem in diese Lohnstufen eingeordnet werden. Hiebei werden mehrere Lohnstufen in Lohngruppen zusammengefaßt, und zwar ILS 4 - 6 in Lohngruppe I, ILS 7 - 9 in Lohngruppe II, ILS 10 - 12 in Lohngruppe III, ILS 13 - 15 in Lohngruppe IV und ILS 16 - 18 in Lohngruppe V. Für die Feststellung des Grundlohnes wird jeweils der höchste ILS der Lohngruppe herangezogen. Davon abweichend erfolgt die Zuordnung der ILS zu den im Kollektivvertrag vorgesehenen Lohngruppen nach einem gesonderten Verfahren.

Die Lohnstufen nach ILS sind wie folgt den Lohngruppen des KV zuzuordnen:

ILS       Lohngruppen laut KV

1 - 5        7 (Arbeiter ohne Zweckausbildung)

6 - 8        6 (Arbeitnehmer mit Zweckausbildung)

9 - 11       5 (qualifizierter Arbeitnehmer)

12 - 14      4 (besonders qualifizierter Arbeitnehmer)

15 - 17      3 (Facharbeiter)

18 - 20      2 (qualifizierter Facharbeiter)

21 - 26      1 (Spitzenfacharbeiter)

Abgesehen von der Entlohnung bei B*****-S***** schwankt die Überzahlung der kollektivvertraglichen Mindestentgelte in der Fahrzeugindustrie in Österreich für die Lohngruppe 5 zwischen 57,6 % (September 1987) und 54,4 % (April 1988).

Der Kläger war während der gesamten Beschäftigung bei B*****-S***** fest in das Arbeitszeitsystem dieses Beschäftigerbetriebes eingebunden.

Mit der zwischen Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat und B*****-S***** abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit wurde die wöchentliche betriebliche Arbeitszeit mit 41,5 Stunden (8,3 Stunden täglich) festgelegt. Die Differenz zur kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden (7,7 Stunden täglich) war in ganzen freien Tagen (Freischichten) auszugleichen. Dabei ergaben sich rechnungsmäßig 18,87 freie Tage pro Kalenderjahr, die auf 19 Freischichten aufgerundet wurden.

Der Kläger hat im Zeitraum ab 1. September 1988 folgende für die Entlohnung maßgebliche Leistungen erbracht:

1. September 1988:

22 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 5,5 Stunden Nachtarbeit,

38,1 Stunden Schichtarbeit, 1,7 Überstunden,

169,4 Stunden Montagetätigkeit;

2. Oktober 1988:

22 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 161,7 Stunden Montagearbeit, 1,1 Stunden Nachtarbeit und 76,2 Stunden Schichtarbeit;

3. November 1988:

22 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 3,33 Stunden Nachtarbeit, 22,86 Stunden Schichtarbeit, 169,4 Stunden Montagearbeit und 1,7 Überstunden;

4. Dezember 1988:

16 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, 5 Freischichten zu 7,7 Stunden, 177,1 Stunden Montagearbeit, 2,4 Stunden Nachtarbeit;

5. Jänner 1989:

17 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, 1 Arbeitstag Freischicht zu

7,7 Stunden, 160,7 Stunden Montagearbeit;

6. Februar 1989:

21 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 38,1 Stunden Schichtarbeit,

5,5 Stunden Nachtarbeit;

7. März 1989:

22 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 2,3 Überstunden,

161,7 Stunden Montagearbeit;

8. April 1989:

17 Arbeitstage zu 7,7 Stunden, davon 146,3 Stunden Montagearbeit

und 29,6 Überstunden;

an zwei Tagen war der Kläger krank.

Die Beklagte hat an den Kläger folgende Bruttozahlungen für den strittigen Zeitraum geleistet:

September 1988 13.619,35 S; Oktober 1988 12.726,25 S;

November 1988 13.504,50 S; Dezember 1988 12.428,08 S;

Jänner 1989 13.077,45 S; Februar 1989 15.036,70 S;

März 1989 15.250,89 S; April 1989 16.045,08 S;

Weihnachtsremuneration 1988 10.456,92 S; Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration 1989 je 3.262,24 S; Urlaubsabfindung 14.189,04 S.

Mit Schreiben vom 16. Juni 1989 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche im Umfang der Klagsforderung geltend.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 89.023,85 S brutto sA als Differenz zwischen dem ihm nach § 10 AÜG gebührenden Lohnanspruch und den tatsächlich erhaltenen Zahlungen für die Zeit vom September 1988 bis April 1989. Er habe Anspruch auf angemessenes, ortsübliches Entgelt, für dessen Bemessung die Lohnverhältnisse des Beschäftigerbetriebes maßgeblich seien. Dem Kläger gebühre daher ein Entgelt wie einem mit vergleichbaren Tätigkeiten beschäftigten Arbeitnehmer bei B*****-S***** zuzüglich kollektivvertraglich festgelegter Zulagen. Die Beklagte habe es unterlassen, Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren- und Schichtzulage nach dem KV, dem B*****-S***** unterliege, zu zahlen. Sie habe auch die Zulagen nicht in das Entgelt für Freischichten, Feiertage und Sonderzahlungen einbezogen, lasse die kollektivvertragliche Berechnung von Überstunden unberücksichtigt und ignoriere die Arbeitszeiteinteilung und die kollektivvertraglichen Istlohnerhöhungen im Beschäftigerbetrieb. Die Verfallsbestimmungen des KV seien nicht anwendbar; überdies habe der Kläger seine Forderungen durch den Betriebsrat am 27. September 1988 geltend gemacht. Die Auslöse sei eine Aufwandsentschädigung und kein Entgelt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe während der gesamten Dienstzeit ein angemessenes, ortsübliches Entgelt erhalten. Die Beklagte unterliege keinem Kollektivvertrag. Das ausgezahlte Entgelt orientiere sich am kollektivvertraglichen Entgelt für Arbeitnehmer bei B*****-S***** in vergleichbaren Tätigkeiten. Der Kläger sei dort als Fließbandhelfer beschäftigt gewesen. Der gezahlte Lohn entspreche dem Lohnniveau sowohl in der Region des Überlassers als auch der des Beschäftigers. Nach dem KV sei der Klagsanspruch verfallen. Unter Berücksichtigung der täglich gezahlten Auslöse von 160 S, der keine Aufwendungen des Klägers gegenübergestanden seien, habe der Stundenlohn des Klägers tatsächlich 80 S betragen und damit dem Lohnniveau der Fahrzeugindustrie Österreichs entsprochen. Die Betriebsvereinbarung über das Lohn- und Leistungssystem bei B*****-S*****, auf die der Kläger seinen überkollektivvertraglichen Entgeltanspruch stütze, habe mangels kollektivvertraglicher Ermächtigung keine arbeitsverfassungsrechtliche Wirkung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 31.964,87 S sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger zwar nicht Anspruch auf das im Beschäftigerbetrieb tatsächlich gezahlte, aber doch auf das angemessene, ortsübliche Entgelt habe, und der für den Beschäftigerbetrieb geltende KV nur die unterste Richtschnur der Angemessenheit bilde. Der Begriff der Ortsüblichkeit konkretisiere den der Angemessenheit und ermögliche die Berücksichtigung des in der Branche tatsächlich gezahlten Entgelts. Das Erstgericht ging gemäß § 273 ZPO davon aus, daß in der Branche des Beschäftigerbetriebes die üblichen Stundenlöhne mindestens 50 % über dem kollektivvertraglichen Entgelt liegen, so daß der übliche Stundenlohn nach Lohngruppe 5 mit 89,85 S angenommen werde. Angemessen und üblich seien auch die im KV vorgesehenen Zuschläge, wie Nachtarbeit-, Schicht- und Montagezulage; ebenso die anteiligen Sonderzahlungen. Nach § 9 UrlG habe der Kläger Anspruch auf Urlaubsentschädigung. Auch die Arbeitszeitregelung des Beschäftigerbetriebes sei anzuwenden, so daß der Kläger Anspruch auf Entlohnung der in der Betriebsvereinbarung festgelegten Arbeitszeit mit allen Freischichten habe. Kollektivvertragliche Verfallsbestimmungen, die für den Beschäftigerbetrieb gelten, seien auf den Überlasser nicht anzuwenden. Die vereinbarte Auslöse habe keinen Aufwand abgegolten und sei daher als Entgeltbestandteil zu betrachten. Unter Zugrundelegung des Stundenlohnes von 89,85 S und der Zulagensätze für Nachtarbeit, Schicht und Montage nach dem - ab 1. November 1988 geltenden - KV und der von der Beklagten gezahlten Bruttoentgelte errechnete das Erstgericht lediglich für September 1988 einen sich zugunsten der Beklagten ergebenden Saldo von 221,47 S. Für Oktober 1988 bis April 1989 einschließlich der Weihnachtsremuneration 1988, aliquoter Sonderzahlungen für 1989 und der Urlaubsabfindung für 34 Werktage ergaben sich durchwegs Salden zugunsten des Klägers im Gesamtbetrag von 31.964,87 S.

Das Berufungsgericht gab lediglich der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil unter Bestätigung des Zuspruches von 10.556,43 S brutto sA im Sinne einer Abweisung des gesamten Mehrbegehrens von 78.467,62 S brutto sA ab.

Im Berufungsverfahren wurde außer Streit gestellt, daß die Tätigkeit des Klägers im Beschäftigerbetrieb nach dem KV in Lohngruppe 4 einzustufen war und der Urlaubsrest bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 30 Werktage betrug.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß § 10 Abs 1 AÜG einen entlassungsunabhängigen Entgeltgrundanspruch sichere und den Überlasser überdies verpflichte, für die Dauer der konkreten Überlassung mehr zu zahlen, soweit sich aus § 10 Abs 1 dritter Satz AÜG ein höherer Anspruch ergebe. Der nach § 11 Abs 1 Z 1 AÜG vertraglich zu fixierende Entgeltgrundanspruch sei die dauernde Untergrenze des Entgeltes. Dieses habe gemäß § 10 Abs 1 erster Satz AÜG angemessen und ortsüblich zu sein. Liege für den Überlasserbetrieb eine gültige kollektivvertragliche Rechtsgestaltung vor, sei diese zugleich das angemessene, ortsübliche Entgelt. Nur bei dieser Auslegung blieben die Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen sei, im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 2 AÜG "unberührt" und komme es zu keinem Gegensatz zwischen dem gesetzlichen und dem kollektivvrechtlichen Entgeltgrundanspruch. Wenn der Überlasser keinem Kollektivvertrag unterworfen sei, dann sei das angemessene Entgelt auf andere Weise zu ermitteln, und zwar aus den möglichst sacheinschlägigen Kollektivverträgen, wobei aus Gründen der gebotenen Wertungsharmonie mit den Anordnungen im zweiten und dritten Satz des § 10 Abs 1 AÜG (offenbar zu ergänzen: nicht) auf die Istentgelte sacheinschlägiger Kollektivverträge abzustellen sei. Die für die Dauer der Überlassung vorgesehene Bedachtnahme auf das kollektivvertragliche Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer für vergleichbare Tätigkeiten im Beschäftigerbetrieb gebe keinen Anspruch auf das im Beschäftigerbetrieb für vergleichbare Tätigkeiten gezahlte Istentgelt. Wäre eine Gleichstellung zwischen Stammarbeitern und überlassenen Arbeitskräften bezüglich des Entgeltes angestrebt worden, wäre dies vom Gesetzgeber ganz einfach zu formulieren gewesen, ohne auf das kollektivvertragliche Entgelt verweisen zu müssen. Auch mit den in § 2 AÜG festgeschriebenen Gesetzeszwecken lasse sich eine derartige Gleichstellung nicht begründen, weil sich der Entgeltanspruch aus § 10 AÜG ergebe und diese besondere Bestimmung der allgemeinen Bestimmung über den Gesetzeszweck vorgehe. Die in § 10 Abs 1 AÜG getroffene Entgeltregelung sei offenbar ein Kompromiß, durch den zwar "Schundlohnvereinbarungen" durch die Bedachtnahme auf das kollektivvertragliche Entgelt ausgeschlossen worden seien, aber eine vollständige Verwirklichung des Grundsatzes "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nicht erzielt worden sei. Aus einem Einsatz im Beschäftigerbetrieb könne daher der überlassene Arbeitnehmer keinen Anspruch auf überkollektivvertragliches Entgelt ableiten; er habe aber Anspruch auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt des für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrages, wenn dieses höher sei als das ihm nach § 10 Abs 1 Satz 1 und 2 AÜG zustehende überlassungsunabhängige Grundentgelt. Durch Betriebsvereinbarung im Beschäftigerbetrieb festgelegte Entgelte fielen nicht unter dem Begriff "kollektivvertragliche Entgelte" im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG, zumal der Gesetzgeber in Satz 2 und 3 dieser Bestimmung zwischen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung und Kollektivverträgen unterschieden habe.

Im vorliegenden Fall sei zu prüfen, ob das zwischen den Streitteilen vereinbarte und von der Beklagten gezahlte Entgelt dem kollektivvertraglichen Entgelt eines Arbeitnehmers in der Lohngruppe 4 des KV entspreche. Ein Vergleich mit einem gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG gebührenden entlassungsunabhängigen Grundentgelt könne unterbleiben, weil dieser KV einer der führenden sacheinschlägigen Kollektivverträge für die vereinbarte Tätigkeit des Klägers als Monteur sei und die Mindestentgelte anderer sacheinschlägiger Kollektivverträge - wie die des Kollektivvertrages für das eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Gewerbe - nicht höher seien als jene dieses KV. Außerdem sei ein Vergleich mit einem entlassungsunabhängigen Entgeltanspruch deshalb nicht zielführend, weil der Kläger während der gesamten Dienstzeit bei der Beklagten an B*****-S***** überlassen worden sei.

Es erübrigten sich daher die vom Kläger als fehlend gerügten Feststellungen über die durchschnittlichen Verdienste in der Fahrzeugindustrie in der Region S*****, ebenso ein Eingehen auf die Beweisrüge der beklagten Partei, betreffend die festgestellten Überzahlungen.

Zutreffend sei der Einwand des Klägers, daß in die Urlaubsentschädigung auch die Sonderzahlungen anteilig einzubeziehen seien sowie der Einwand der Beklagten, daß dem Kläger nach Punkt XIV Z 7 KV eine Montagezulage nicht zustehe, weil der Kläger während der ganzen Arbeitszeit nicht außerhalb des ständigen Betriebes von B*****-S***** eingesetzt gewesen sei, und nach Punkt XIV Z 5 und 6 eine Schichtzulage für jene Arbeitsstunden nicht gebühre, für die Anspruch auf Nachtarbeitszulage bestehe. Hingegen sei auch auf den Kläger, der in die Betriebsorganisation des Beschäftigerbetriebes längere Zeit gänzlich integriert gewesen sei, die Betriebsvereinbarung über die Verteilung der Arbeitszeit anzuwenden; der Kläger habe daher einen Entgeltanspruch für die als Ausgleich für die täglich geleistete überkollektivvertragliche Arbeitszeit gewährten Freischichten.

Ausgehend von einem kollektivvertraglichen Entgelt in Lohngruppe 4 von 60,50 S (bis einschließlich Oktober 1988) bzw 63,10 S (für den Zeitraum ab November 1988), einer Nachtarbeitszulage von 10,50 S bzw 11 S und einer Schichtzulage von 2,50 S bzw 2,60 S gelangte das Berufungsgericht zum Ergebnis, daß der Kläger für den Zeitraum September 1988 bis April 1989 sowie an Sonderzahlungen für 1988 mehr an Entgelt erhalten habe, als ihm nach diesem KV zustehe. Bezüglich der anteiligen Sonderzahlungen für 1989 ergebe sich ein Saldo zugunsten des Klägers von 397,16 S brutto; die Urlaubsentschädigung für 30 Werktage errechne sich mit 24.348,31 S brutto, so daß sich unter Berücksichtigung einer Zahlung von 14.189,04 S brutto an "Urlaubsabfindung" ein Saldo zugunsten des Klägers von 10.159,27 S brutto aus diesem Titel ergebe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung, die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Der Kläger beantragt Abänderung des Berufungsurteils im Sinne des Klagebegehrens; die Beklagte Abänderung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Vom Kläger wird hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Nur die Revision des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der Beklagten:

Soweit die Revisionswerberin davon ausgeht, die an den Kläger gezahlten Auslösen seien Aufwandsentschädigungen und bei der Berechnung der Urlaubsentschädigung nicht zu berücksichtigen, setzt sie sich nicht nur in Widerspruch zu den Feststellungen der Vorinstanzen, mit den Auslösen sei kein konkreter Aufwand des Klägers abgegolten worden, sondern auch zu ihrem Vorbringen in der Tagsatzung vom 28. Mai 1990, der dem Kläger unter dem Titel "Auslöse" gezahlte Betrag von 160 S pro Tag sei Entgelt gewesen.

Auch eine Verrechnung der vom Berufungsgericht errechneten Überzahlungen in den vorangegangenen Monaten mit dem Anspruch auf anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht zulässig, weil die Beklagte der Annahme eines gutgläubigen Verbrauches durch den Kläger entgegenstehende Umstände weder behauptet noch bewiesen hat.

2. Zur Revision des Klägers:

Die Entgeltansprüche der überlassenen Arbeitskraft sind in § 10 Abs 1 AÜG geregelt. Nach Satz 1 dieser Bestimmung hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen ist. Gemäß Satz 2 bleiben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, unberührt. Schließlich ist gemäß Satz 3 bei der Beurteilung der Angemessenheit für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Mit Satz 1 und 2 dieser Bestimmung wird der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Entgeltgrundanspruch inhaltlich geregelt, während Satz 3 eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft.

Zu einer umfassenden Berurteilung der hier strittigen Rechtsfragen ist eine Analyse sämtlicher Teile der in § 10 Abs 1 AÜG getroffenen Entgeltregelung erforderlich.

Betrachtet man die in § 10 Abs 1 AÜG enthaltene Entgeltregelung

insgesamt, dann fällt auf, daß in Satz 1 mit den Begriffen

"angemessen, ortsüblich" auf im allgemeinen nur für den Fall des

Fehlens einer einzel- oder kollektivrechtlichen Entgeltregelung

heranzuziehende Kriterien (siehe §§ 1152 ABGB und 6 Abs 1 AngG)

abgestellt wird, während in Satz 2 und 3 auf kollektivrechtliche

bzw kollektivvertragliche Entgeltregelungen Bedacht genommen

wird. Zieht man in Betracht, daß unter bloßer Berufung auf

§ 1152 ABGB kein höheres Entgelt als das vereinbarte begehrt

werden kann, auch wenn dieses nicht angemessen ist (siehe

Spielbüchler in Spielbüchler Floretta-Strasser Arbeitsrecht I3

186 mwH; Martinek, Grundrecht auf angemessene Arbeitsbedingungen,

FS Floretta 237 ff [256 f]; Ziniel in DRdA 1988, 178 f) und

berücksichtigt man weiters, daß es auch der Zweck des AÜG war,

den einer Vereinbarung unangemessenen Entgelts begegnenden, den

überlassenen Arbeitskräften aber in der Regel fehlenden Schutz

durch kollektivvertragliche Arbeitsbedingungen und Löhne

auszugleichen und der überlassenen Arbeitskraft insbesondere auch

für die überlassungsfreie Zeit einen angemessenen Entgeltanspruch

zu sichern (siehe EB zur RV 450 BlgNR 17.GP 13), dann ist Satz 1

des § 10 Abs 1 AÜG im Zusammenhalt mit Satz 2 der zitierten

Gesetzesstelle dahin zu verstehen, daß die mangels ausreichender

Bestimmtheit wenig praktikable Orientierung an der Angemessenheit

und Ortsüblichkeit im Falle der Arbeitskräfteüberlassung nicht

erst bei Fehlen einer Einzel- oder kollektivvertraglichen

Entgeltregelung, sondern bereits bei Fehlen der letztgenannten

Regelung zum Tragen kommen sollte. Diese Auslegung - Vorrang der

kollektiven Rechtsgestaltung und damit Subsidiarität der

gesetzlichen Entgeltregelung in Satz 1 - entspricht darüber

hinaus nicht nur dem Gesetzeswortlaut "Normen der kollektiven

Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben

unberührt", sondern auch dem Grundsatz der Tarifautonomie, wonach

die Regelung von Mindestentgelten in erster Linie Sache der

Tarifparteien ist (siehe Marhold in Mayer-Maly-Marhold

Österreichisches Arbeitsrecht II 39; Strasser in

Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht II3 158; Cerny

Arbeitsverfassungsgesetz 85). Entgegen der Auffassung von Geppert

(AÜG, 113), Leutner-Schwarz-Ziniel

(Arbeitskräfteüberlassungsgesetz 107) und Mazal

(Arbeitskräfteüberlassung 40) ist daher für das Grundentgelt in

erster Linie eine für den Überlasserbetrieb geltende

kollektivvertragliche Regelung maßgebend (siehe auch Kerschner,

Rohrverlegung in "Subauftrag", DRdA 1989, 134 ff [137 f];

B.Schwarz, Ausgewählte Rechtsfragen aus dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, DRdA 1988, 428 ff [431];

Schrank, Grundfragen des Entgeltanspruches überlassener Arbeitnehmer nach § 10 Abs 1 AÜG, ZAS 1991, 41 ff [50] sowie Martinek-Schwarz AngG7 151). Lediglich dann, wenn wie im vorliegenden Fall, kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb besteht, ist der Grundanspruch nach Satz 1 zu bestimmen.

Die Subsidiarität gegenüber einer normativ anzuwendenden kollektivvertraglichen Regelung würde nun ein Verständnis von Satz 1 im Sinne einer bloßen Orientierung an möglichst sacheinschlägigen Kollektivverträgen nahelegen, wie dies Schrank aaO, 51, fordert. Dies ist aber mit dem Wortlaut von Satz 1 "angemessenes, ortsübliches Entgelt" nicht vereinbar; es ist daher bei Festsetzung des Grundentgeltes nach Satz 1 nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes zu berücksichtigen (siehe Mazal aaO, 41;

Leutner-Schwarz-Ziniel aaO 104 f; Geppert aaO 114 f; B.Schwarz aaO 430; Grillberger, Neuerungen durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, WBl 1988, 313 ff [317];

Kerschner aaO 137). Entgegen der von Schrank aaO 51 vertretenen Ansicht gebietet die Wertungsharmonie mit den Anordnungen von Satz 2 und 3 nicht die Berücksichtigung nur der kollektivvertraglichen Mindestentgelte, wenn man davon ausgeht, daß Satz 1 gegenüber einer normativ anzuwendenden kollektivvertraglichen Regelung nur subsidiär ist und zur Regelung der materiellen Arbeitsbedingungen in erster Linie die Kollektivvertragsparteien berufen sind. Erscheint dem Gesetzgeber die im übrigen auch wesentlich praktikablere Regelung durch Kollektivverträge im Sinne des Vorranges der Tarifautonomie wünschenswert, dann kann ihm auch unterstellt werden, daß er durch eine entsprechende Höhe des subsidiären Entgeltanspruches insbesondere für die Arbeitgeber (Überlasser) einen Anreiz zum Abschluß von unmittelbar anzuwendenden Kollektivverträgen im Sinne des Satzes 2 geben wollte.

Sind aber auch ortsübliche, überkollektivvertragliche Istentgelte zu berücksichtigen, ergibt sich die weitere Frage, welcher örtliche Bereich bei Bemessung des Grundentgeltes heranzuziehen ist. Hiefür kämen insbesondere der Arbeitsmarkt am Sitz des Überlassers, am Sitz des Beschäftigers sowie am vereinbarten Beschäftigungsort in Betracht. Die Bestimmung des § 5 Abs 2 AÜG bietet keine Hilfe, weil sie - wie sich aus dem Zitat des § 30 ASVG im Zusammenhalt mit den EB (18) ergibt - nur den Beschäftigungsort im Sinn des ASVG festlegt und nicht, wie sich aus der Überschrift des § 5 AÜG "Arbeitgeberpflichten" erschließen ließe, bezüglich der Arbeitgeberpflichten ganz allgemein eine örtliche Anknüpfung vornimmt (siehe auch Geppert aaO 70 f). Geht man nun davon aus, daß das Grundentgelt gemäß § 11 Abs 1 Z 1 AÜG im vorhinein unabhängig von der einzelnen Überlassung festzulegen ist und sich der Bereich der vereinbarten Beschäftigung gemäß § 11 Abs 1 Z 5 AÜG auch auf (ganze) Bundesländer oder gar auf fremde Staaten erstrecken kann, wobei in der Folge der Ort der (tatsächlichen) Arbeitsleistung einem steten Wechsel unterworfen sein kann (siehe auch Geppert aaO 138 f), dann kann der Begriff "ortsüblich" in § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG nur auf den Standort des Betriebes des (inländischen) Überlassers bezogen werden (so auch Uhlenhut, Arbeitskräfteüberlassung und Sozialversicherung, SoSi 1988, 518 ff [524]; Mazal aaO 41; widersprüchlich Geppert aaO 114 f; entgegengesetzt Leutner-Schwarz-Ziniel aaO 104 f und B.Schwarz aaO 430 f). Hiebei ist im Hinblick darauf, daß es dort allenfalls gar keine Betriebe gibt, die die zwischen Überlasser und Arbeitskraft vereinbarten Dienste in Anspruch nehmen, nicht auf das in der Ortsgemeinde übliche Lohnniveau, sondern auf das Lohnniveau der betreffenden als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region abzustellen (siehe Mazal aaO 41). Dem Einwand, der Überlasser werde allenfalls einen Sitz in einer Region mit besonders niedrigem Lohnniveau wählen, um den Grundanspruch gering zu halten, ist zu erwidern, daß sich nach § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG der Entgeltanspruch während der Dauer der Überlassung ohnehin zusätzlich am allenfalls höheren kollektivvertraglichen Lohnniveau des Beschäftigerbetriebes orientiert. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, daß dann, wenn der in einer Region mit niedrigem Lohnniveau ansässige Überlasserbetrieb Arbeitskräfte ausschließlich oder ganz überwiegend an Betriebe (oder einen Betrieb) in einer bestimmten Region mit hohem Lohnniveau überläßt, aus dem Gesichtspunkt einer Umgehung der in § 2 AÜG ausdrücklich normierten Ziele des Gesetzes ausnahmsweise auch eine andere Anknüpfung in Betracht kommen könnte.

Es verbleibt daher zu prüfen, inwieweit das überlassungsunabhängige Grundentgelt für die Dauer der Überlassung gemäß § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG vom Lohnniveau des Beschäftigerbetriebes beeinflußt wird. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist bei der Beurteilung der Angemessenheit für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen wobei gemäß § 10 Abs 4 AÜG die Vergleichbarkeit nach der Art der Tätigkeit und der Dauer der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers sowie der Qualifikation der Arbeitskraft für diese Tätigkeit zu beurteilen ist. Weiters gelten gemäß § 10 Abs 3 AÜG die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften des im Beschäftigerbetrieb auf vergleichbare Arbeitnehmer anzuwendenden Kollektivvertrages auch für die überlassene Arbeitskraft.

Der klare Wortlaut des § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG "kollektivvertragliches Entgelt" sowie die EB (19) lassen eine Auslegung, diese Bestimmung sehe für die Dauer der Beschäftigung eine Angleichung an die im Beschäftigerbetrieb gezahlten überkollektivvertraglichen Istlöhne vor, nicht zu. Wie Schrank aaO 52 zutreffend ausführt, hat der Gesetzgeber eine derartige Anordnung weder gewollt noch getroffen, zumal er in anderen arbeitsrechtlichen Gesetzen, in denen er auf das Istentgelt abstellen will, andere und geeignetere Formulierungen wählt. Schrank ist auch darin beizupflichten, daß sich aus der allgemeinen Norm des § 2 Abs 3 AÜG nichts für eine dem klaren Wortlaut von § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG widersprechende Auslegung gewinnen läßt. Schwierigkeiten bereitet lediglich die sich aus der einleitenden Passage "Bei der Beurteilung der Angemessenheit......" abzuleitende Bezugnahme nur auf Satz 1 des § 10 Abs 1 AÜG. Dies hätte bei wörtlicher Auslegung zur Folge, daß dann, wenn zufolge eines auf den Überlasserbetrieb normativ anzuwendenden Kollektivvertrages nach Satz 2 dieser Bestimmung die subsidiäre Regelung des Satzes 1 nicht zum Tragen käme, auf den für den Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrag nicht Bedacht zu nehmen wäre, wie dies Mazal aaO 39 (Variante 2) zu bedenken gibt. Dieser nur am reinen Wortlaut orientierten Auslegung ist allerdings der Boden entzogen, wenn man berücksichtigt, daß nach herrschender Auffassung das Entgelt des einschlägigen Kollektivvertrages als angemessen gilt (Martinek-Schwarz AngG7 198; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 249; Martinek, Grundrecht auf angemessene Arbeitsbedingungen, FS Floretta 237 ff [257]). Geht man daher davon aus, daß der für den Überlasserbetrieb normativ geltende Kollektivvertrag die Angemessenheit des überlassungsunabhängigen Grundentgeltanspruches der Arbeitskraft konkretisiert (siehe auch B.Schwarz aaO 431), dann ist Satz 3 des § 10 Abs 1 AÜG auch auf ein nach Satz 2 dieser Bestimmung gebührendes kollektivvertragliches Grundentgelt im Sinne einer Bedachtnahme auf eine für den überlassenen Arbeitnehmer günstigere kollektivvertragliche Entgeltregelung des Beschäftigerbetriebes anzuwenden und der Ausdruck "bleiben unberührt" in Satz 2 nur auf Satz 1 dieser Bestimmung zu beziehen (siehe Grillberger aaO 318). Weiters ist, wie B.Schwarz aaO 432 zutreffend darlegt, der Ausdruck "Bedachtnahme" im Sinn eines Anspruches der überlassenen Arbeitskraft auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes zu verstehen, und zwar verpflichtend und nicht nur im Sinne einer Empfehlung, wobei ein höherer Grundentgeltanspruch unberührt bleibt. Mit den Worten "Bedacht nehmen" wird lediglich berücksichtigt, daß nicht alle Bestimmungen des Kollektivvertrages des Beschäftigerbetriebes, die sich auf den Entgeltanspruch der Arbeitnehmer

beziehen - insbesondere soweit sie nicht ziffernmäßig bestimmte Mindestentgelte regeln - für überlassene Arbeitskräfte ohne Modifikation nach dem Sinn der Bestimmung angewendet werden können (siehe B.Schwarz aaO sowie Leutner-Schwarz-Ziniel 109).

Schließlich ist Schrank aaO 52 f darin zu folgen, daß im Hinblick uf die Bezugnahme auf das kollektivvertragliche Entgelt im Beschäftigerbetrieb weder in "freien", d.h. nicht auf gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Ermächtigung beruhenden und daher unzulässigen Betriebsvereinbarungen noch in zulässigen Betriebsvereinbarungen enthaltene Entgeltregelungen für die Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebes auf die überlassene Arbeitskraft anzuwenden sind, gleichgültig, ob man den in Satz 2 des § 10 Abs 1 AÜG enthaltenen Begriff "kollektive Rechtsgestaltung" als Hinweis nur auf die im ersten Teil des ArbVG genannten Entgeltregelungen bezieht oder mit Schrank entgegen der Systematik des ArbVG - aber wohl entsprechend dem Regelungszweck der das Mindestentgelt der zu überlassenden Arbeitskraft festlegenden Bestimmung - auch (günstigere) zulässige Betriebsvereinbarungen des Überlasserbetriebes diesem Begriff zuordnet.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß entgegen der von Uhlenhut aaO 524 vertretenen Auffassung auch für die Dauer der Überlassung nicht auf die im Beschäftigerbetrieb - sei es aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen oder von Betriebsvereinbarungen - gezahlte überkollektivvertragliche Istlöhne, sondern nur auf die Mindestentgelte des auf den Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrages Bedacht zu nehmen ist (siehe auch Geppert aaO 116 f;

Leutner-Schwarz-Ziniel aaO 109 f; Ziniel aaO 179; Grillberger aaO 318; B.Schwarz aaO 431; Kerschner aaO 138 sowie Schrank aaO 52 f; unklar Mazal aaO 42).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich folgendes:

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist für die sich mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses deckende Zeit der Überlassung weder auf die vom Beschäftiger B*****-S***** an seine Arbeitnehmer gezahlten Istlöhne noch auch - bezüglich des nach § 10 Abs 1 Z 1 AÜG zu bemessenden Grundentgeltes - auf die in der Region Bezirk S***** für die zwischen dem Kläger und der beklagten Partei vereinbarte Tätigkeit ortsüblichen (überkollektivvertraglichen) Entgelte abzustellen. Für den nach § 10 Abs 1 Z 1 AÜG zu bemessenden Grundentgeltanspruch des Klägers ist vielmehr das Lohnniveau in der Region maßgebend, in der die Beklagte ihren Sitz hat. Wurde eine ausdrückliche Vereinbarung über die Art der voraussichtlichen Arbeitsleistung nicht getroffen, käme im Hinblick auf die Qualifikation des Klägers als gelernter Bauspengler als für die Beurteilung der Angemessenheit des Grundentgeltes zu berücksichtigender Kollektivvertrag der von den Vorinstanzen ohnehin zugrundegelegte KV in Betracht und wäre auf das in der Region des Sitzes der Beklagten übliche Lohnniveau abzustellen. Auf das spezielle Istlohnniveau in der Fahrzeugindustrie wäre nur dann Bedacht zu nehmen, wenn schon bei Vertragsabschluß zwischen den Streitteilen festgestanden wäre, daß der Kläger ausschließlich in diesem Industriezweig zum Einsatz kommen werde. Für die vom Kläger im Gruppenakkord geleisteten Arbeiten wäre der Zuschlag nach Abschnitt XII Punkt 2 KV zu berücksichtigen, allerdings nur soweit ein derartiger Zuschlag nicht ohnehin schon im Istlohnniveau der Region des Überlassers enthalten sein sollte.

Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie nicht beachtet haben (SZ 50/35 = JBl 1978, 262 mit Anmerkung von König; JBl 1988, 467 mit Anmerkung von Pfersmann), ist den Parteien Gelegenheit zur Erörterung und damit zum Vortrag der für diese Rechtsansicht erheblichen Tatsachen in erster Instanz zu geben.

Der Revision des Klägers war daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Abweisung durch das Berufungsgericht aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27609

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00196.91.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19911120_OGH0002_009OBA00196_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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