Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Claudine B*****, Moritz B*****, Caroline B*****, und Tobias B*****, infolge Revisionsrekurses des Widerstreitsachwalters *****
Johann Sch*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 22. Juli 1991, GZ 2 R 313/91-99, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 12. Juni 1991, GZ 13 P 207/80-95, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Schenkungsvertrag vom 21. August 1980 samt Nachtrag vom 12. Oktober 1981 räumte der Vater seinen vier ehelichen Kindern zu gleichen Teilen ein Fruchtgenußrecht an den Liegenschaften EZ 614 und 650 KG ***** G***** ein. Auf diesen Liegenschaften befinden sich 29 vermietete Garagenboxen und ein Abstellplatz für PKWs.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22. März 1985, ON 15, wurde Gernot N***** zum Sachverständigen bestellt. Er wurde ersucht, ein Gutachten darüber zu erstellen, wie hoch das Einkommen der Kinder ab Wirksamwerden des Schenkungsvertrages im Jahre 1980 einschließlich des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres gewesen sei. In seinem Gutachten vom 13. November 1985, ON 21, führte der Sachverständige aus, der Vater und dessen Steuerberater hätten ihm mitgeteilt, daß im Zuge einer abgabenbehördlichen Betriebsprüfung durch das Finanzamt G***** die steuerliche Konstruktion der Garagenvermietung und hiemit die Aufteilung der Einkünfte auf die mj. Kinder steuerrechtlich nicht anerkannt worden sei, Einkünfte sollten daher dem Einkommen des Vaters voll zugerechnet worden sein. Dagegen habe der Vater Berufung eingelegt, über die die Finanzlandesdirektion noch nicht entschieden habe. Nach Ansicht des Sachverständigen seien steuerrechtliche Auswirkungen für das Gutachten ohne Belang, da für das Zivilrecht die abgeschlossenen Schenkungsverträge Gültigkeit hätten. Deshalb sei die Einkommensteuer auch von den Einkommen der Kinder in Abzug gebracht worden.
Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 14. Mai 1986, ON 29, wurde dem Vater aufgetragen, die Reinerträge des Fruchtgenußrechtes der Jahre 1980 bis 1984 in der Höhe von je S 207.951 für die drei älteren Kinder und von S 155.645 für den mj. Tobias mündelsicher anzulegen. Es ging bei der Ermittlung dieser Erträgnisse von der Meinung des Sachverständigen aus, daß diese Einkünfte steuerrechtlich den Kindern und nicht dem Vater zuzuordnen seien. Rechtlich führte es aus, wenngleich Einkommen eines mj. Kindes zu seinem Unterhalt zu verwenden sei, so sei das Kind dennoch nicht verpflichtet, diesen Unterhalt aus dem Stamm des Vermögens zu bestreiten. Im vorliegenden Fall seien die Eltern der Kinder Ärzte. Es sei somit anzunehmen, daß sie über ein derartiges Einkommen verfügten, um für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen zu können. Auf diesen Betrag hat der Vater der Aktenlage nach bisher drei Sparbücher mit einem Stand per 18. Jänner 1990 von S 54.186,29, S 68.153,71 und S 147.614,28 bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Graz erlegt.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 15. Juni 1989, ON 71, wurde ***** Johann Sch***** zum Widerstreitsachwalter der Kinder zur Hereinbringung bzw. Exekutionsführung der den Kindern zustehenden Beträge aus dem Fruchtgenußrecht der Garagenvermietungen bestellt.
Am 30. Oktober 1989 teilte der Vater dem Gericht mit, daß entgegen dem früheren Vorgehen der Finanzbehörde steuermäßig die Einnahmen aus dem Fruchtgenußrecht seinem und nicht dem Einkommen der Kinder zugerechnet worden seien. Die Berufung gegen diese Abgabenbescheide sei erfolglos geblieben. Das Gutachten des Sachverständigen habe ausschließlich auf Bruttoeinnahmen beruht, seine steuerliche Belastung sei nicht miteinbezogen worden. Außerdem habe ihm der zuständige Rechtspfleger zugesichert, daß er monatlich zwischen S 3.200 und S 4.500 je nach Alter der Kinder ohne Nachweis der tatsächlichen Ausgaben als Unterhalt von den Fruchtgenußbeträgen abziehen könne. Daraus ergebe sich für die Jahre bis 1987 ein Überschuß von höchstens S 100.000. Er habe einen Betrag von ca. S 120.000 schon vor Jahren auf ein Sparbuch zu Handen der Kinder eingelegt, so daß er glaube, daß das vom Sachverständigen erstellte Gutachten revidiert werden müsse.
Das Erstgericht beauftragte mit Beschluß vom 2. April 1990 den Sachverständigen, ein Gutachten über die Einkommen der Kinder ab 1. Jänner 1985 bis einschließlich 1988 zu erstatten. Dabei sollen die Resultate des früheren Gutachtens überprüft werden, da der Vater nach seinen Behauptungen die dort ermittelten Erträgnisse nachträglich habe versteuern müssen.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen habe auf Grund der abgabenrechtlichen Prüfung vom 15. Oktober 1985 für die Jahre 1980 bis 1982 des Finanzamtes G***** das Finanzamt die erklärten Einkünfte aus der Garagenvermietung dem Fruchtgenußgeber, somit dem Vater zugerechnet, da das Fruchtgenußrecht in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht eingeräumt worden sei. Die dagegen vom Vater erhobene Berufung sei als unbegründet abgewiesen worden.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses zusätzlich zu den mit Beschluß ON 29 festgestellten Beträgen S 58.498, S 58.500, S 58.498 und S 65.359 zu Handen des Widerstreitsachwalters bei sonstigem Zwange zu bezahlen. Für die Jahre 1980 bis 1984 entfielen dabei auf die drei älteren Kinder insgesamt S 135.000 (statt S 207.951), auf den mj. Tobias S 90.275 (statt S 155.645). Aus finanztechnischen Gründen sei das Gutachten vom 13. November 1985 für die Jahre 1980 bis 1984 neuerlich durchgerechnet und geprüft worden. Da der Widerstreitsachwalter bereits Exekutionsschritte in Gang gesetzt habe, sei der Beschluß ON 29 nicht außer Kraft gesetzt worden, es sei vielmehr auf diesem Beschluß aufgebaut worden, so daß nur mehr eine Verpflichtung zum Erlag der Differenzbeträge auferlegt worden sei.
Gegen diesen Beschluß erhob der Vaters Rekurs mit dem Antrag, es möge festgestellt werden, daß die im Beschluß angeführten Beträge bereits zur Abdeckung des Unterhaltes der mj. Antragsteller verwendet worden seien und somit dem Antragsgegner keine weitere Zahlungsverpflichtung, wie im bekämpften Bescheid ausgeführt, zugunsten der Kinder unter Bezug auf den Notariatsakt vom 12. Oktober 1981 auferlegt werde.
Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den es entschieden habe, S 50.000 übersteige. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig. Die Bestimmungen der §§ 230 bis 230 e ABGB über die Anlegung von Mündelgeld gelten auch für die Eltern. Sie hätten das Vermögen des Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Hielten sie das Maß der ihnen zumutbaren Sorgfalt nicht ein, verletzten sie damit ihre Pflichten. Das könne als Gefährdung des Kindeswohles angesehen werden und berechtige das Gericht, den Eltern entsprechende Aufträge zu erteilen. Auch das Vorenthalten eines dem mj. Kind zukommenden Vermögens gelte als Mißbrauch der Elternrechte und stelle einen solchen Gefährdungstatbestand dar. Bei den Erträgnissen des Fruchtgenusses handle es sich allerdings nicht um den Vermögensstamm, der nicht zur Deckung des Unterhaltes der Kinder herangezogen werden dürfe. Es sei daher gemäß § 149 ABGB nach Abzug der Kosten der Erhaltung und Verwaltung des Vermögens, der Unterhalt der Minderjährigen daraus zu bestreiten und erst der verbleibende Rest mündelsicher anzulegen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zumindest durch Einvernahme beider Elternteile zu klären haben, ob und inwieweit der Unterhalt der Kinder aus den Einnahmen des Fruchtgenusses gedeckt worden sei. Schließlich habe das Erstgericht bei seinen Erlagsaufträgen nicht darauf Bedacht genommen, daß offenbar in teilweiser Entsprechung dieser Aufträge bereits Sparbücher mit diversen Beträgen an den Widerstreitsachwalter übergeben worden seien. Es wäre daher die Widmung dieser Sparbücher zu klären und allenfalls dementsprechend eine Anrechnung auf die noch zu erlegenden Beträge vorzunehmen sein.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Widerstreitsachwalters ist nicht berechtigt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre, daß nach § 18 AußStrG nachträgliche Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes von der Rechtskraftwirkung einer früheren Entscheidung nicht erfaßt werden (RZ 1991/34 mwN). Dem Erstgericht war zwar bei seiner Beschlußfassung ON 29 bekannt, daß die Steuerbehörde die Einkünfte aus der Vermietung der Garagenboxen dem Vater zurechnen wollte. Endgültig war aber darüber bei Ermittlung der Reineinkünfte für die Jahre 1980 bis 1984 noch nicht entschieden worden. Steht aber nunmehr fest, daß in der Folge rechtskräftig für die Jahre 1980 bis 1984 die Erträgnisse der Garagenvermietung dem Einkommen des Vaters zugerechnet wurden, berechtigte dies die Vorinstanzen auf dieser Basis, die Reinerträgnisse für diesen Zeitraum neu zu erheben und festzustellen.
Soweit der Rekurswerber auf die neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweist (VwSlg 6082/F), in der er die Aussagen seines Erkenntnisses VwSlg 3936/F, Einkünfte aus einem Fruchtgenuß wären keine originären Einkünfte des Berechtigten, wenn der Fruchtgenuß in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht eingeräumt werde, in dieser allgemeinen Form nicht mehr aufrecht zu erhalten vermochte (vgl. dazu Heidinger-Kamper, Handbuch der Familienverträge 645 ff), führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung: Die Berufung des Vaters war erfolglos geblieben, so daß diesem und nicht den Kindern für die Bemessung der Einkommensteuer rechtskräftig die Erträgnisse aus der Garagenvermietung zugerechnet worden sind. Dies führte aber infolge der den Vater treffenden Steuerprogression zu geringeren Nettoerträgnissen der Kinder. Die im § 149 Abs 1 ABGB normierte Erhaltungs- und Vermehrungspflicht des Vermögens der Kinder besteht nur innerhalb der rechtlichen Grenzen (Pichler in Rummel2 Rz 1 zu §§ 149, 150 ABGB). Diese wurden aber durch den rechtskräftigen Bescheid der zuständigen Steuerbehörde aufgezeigt.
Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung RZ 1990/111 mwN bereits ausführte, ergebe sich aus § 193 AußStrG, daß die Stellung der Eltern als Verwalter des Vermögens ihrer Kinder im allgemeinen freier als die des Vormundes oder eines sonstigen gesetzlichen Vertreters ist. Eltern sind im Einzelfall nur dann der gerichtlichen Überwachung unterworfen, wenn das Wohl des Minderjährigen gefährdet ist. Mißbräuchliche Verwendung des Vermögens durch die Eltern zugunsten anderer aber auch zu ihren eigenen Gunsten stellt einen solchen Gefährdungstatbestand dar. Ob eine solche mißbräuchliche Verwendung weiterhin zu befürchten ist, kann, da das Erstgericht, das auf Grund der neu hervorgekommenen Tatsachen, nicht den Kindern, sondern dem Vater selbst sei das Einkommen aus der Vermietung der Garage steuerlich zugerechnet worden, die Erträgnisse des Fruchtgenußrechtes ab dessen Einräumung neu berechnete, noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Widerstreitsachwalter gesteht selbst zu, daß die Einkünfte aus der Garagenvermietung Erträgnisse des Vermögens der Kinder sind, die gemäß § 140 Abs 3 ABGB ihren Unterhaltsanspruch mindern. Nur die Ertägnisse, die die Unterhaltskosten übersteigen, fielen unter die Rechnungslegungspflicht der Eltern nach § 150 ABGB (Pichler aaO Rz 4). Das Rekursgericht hat dazu ohne zeitlich zu differenzieren, dem Erstgericht den Auftrag gegeben, zumindest durch Einvernahme beider Elternteile zu klären, ob und inwieweit der Unterhalt der Kinder aus den Einnahmen des Fruchtgenusses gedeckt werden konnte. Für die Verrechnung der Einkünfte der Jahre 1980 bis 1984 steht auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes ON 29 aber rechtskräftig fest, daß nicht die um den angemessenen Unterhalt der Kinder geminderten Erträgnisse, sondern die Gesamterträgnisse mündelsicher anzulegen sind. In diesem Umfang liegt eine nachträgliche Änderung des rechtserzeugenden Sachverhaltes nicht vor. Eine Verrechnung des Unterhaltes mit den Reinerträgnissen der Jahre 1980 bis 1984 ist daher wegen rechtskräftig entschiedener Sache nicht möglich.
Soweit das Rekursgericht schließlich ausführt, das Erstgericht habe bei seinen Erlagsaufträgen nicht darauf Bedacht genommen, daß der Vater bereits Sparbücher mit diversen Beträgen an den Kollisionskurator übergeben habe, übersieht es, daß der Erstrichter dem Vater nur neue Erlagsaufträge erteilte. Der Beschluß ON 29 wurde dadurch nicht außer Kraft gesetzt. Der Vater hat sich mit seinem Rekurs auch nur gegen den Auftrag gewendet, weitere Beträge dem Kollisionskurator zu bezahlen. Gegen die Aufrechterhaltung der ihm mit Beschluß ON 29 auferlegten Pflicht zur mündelsicheren Anlegung der dort ziffernmäßig genannten Beträge wendete sich sein Rechtsmittel nicht. Inwieweit der Vater seinen Verpflichtungen aus dem damit auch ungeachtet der Änderung der Sachverhaltsgrundlage rechtskräftig gewordenen erstgerichtlichen Beschluß nachgekommen ist, bedarf daher keiner Erörterungen und Feststellungen.
Dem Revisionsrekurs des Widerstreitsachwalters ist der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E27988European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00607.91.1120.000Dokumentnummer
JJT_19911120_OGH0002_0010OB00607_9100000_000