TE OGH 1991/11/26 5Ob45/91

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Veröffentlicht am 26.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Michael T*****,

2.)

Ing. Franz B*****, 3.) Josef B*****, 4.) Marianne H*****,

5.)

Dieter B*****, 6.) Milada H*****, 7.) Erich S*****, 8.) Wanda M***** und 9.) Helga S*****, ***** alle vertreten durch Elisabeth Herndl, Sekretärin der Mietervereinigung Österreichs, Erdbergstraße 22, 1030 Wien, wider die Antragsgegnerin Herta M*****, Hauseigentümerin, ***** vertreten durch Dr. Kurt Kreissl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20. Dezember 1990, GZ 48 R 689/90-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1. August 1990, GZ 42 Msch 79/89-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsteller, Mieter des Hauses Wien *****, W*****gasse 8, begehren - nach vorausgegangenem Verfahren bei der Schlichtungsstelle - zuletzt (AS 22), die Antragsgegnerin als Eigentümerin dieses Hauses zu verpflichten, einem der Stand der Technik entsprechenden Behindertenaufzug (§ 4 Abs 5 MRG) in diesem Haus zu errichten.

Das Erstgericht wies diesen Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges zurück.

Das Erstgericht begründete seine Entscheidung unter Hinweis auf die in der Literatur vertretenen Meinungen (Geuder, Zweifelsfragen um den Behindertenaufzug, ImmZ 1986, 63 f; Popper/Teufelhart, Immobilienrecht 24) mit Schwierigkeiten bei der Formulierung des entsprechenden Exekutionstitels sowie damit, daß die Durchsetzung des im außerstreitigen Verfahren ergangenen Beschlusses nach § 6 Abs 2 MRG die Aufnahme erforderlichen Kapitals durch einen bestellten Verwalter zu Lasten des Vermieters zuließe, obgleich der antragstellende Mieter zum Kostenersatz verpflichtet sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache selbst unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht erachtete das außerstreitige Verfahren nach § 37 MRG zur Durchsetzung des Anspruches nach § 4 Abs 5 MRG auf Grund folgender Erwägungen für zulässig:

Grundsätzlich gehörten alle Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg (vgl. SZ 54/129 = EvBl. 1981/61 = MietSlg. 33.504/19; Würth-Zingher, Miet- und WohnR19 Rz 2 zu § 37 MRG). Eine solche ausdrückliche Anordnung der Verweisung ins außerstreitige Verfahren finde sich in § 37 Abs 1 Z 2 MRG, wonach über Anträge in Angelegenheiten betreffend die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten im Sinne der §§ 3, 4 und 6 MRG im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden ist. Darunter seien auch Anträge auf Einbau eines Behindertenaufzuges im Sinne des § 4 Abs 5 MRG zu verstehen, wofür vor allem der Gesetzeswortlaut spreche. Einerseits habe der Gesetzgeber in § 4 Abs 5 MRG ausdrücklich das Wort "Antrag" verwendet, andererseits erfasse die Verweisung des § 37 Abs 1 Z 2 MRG die "Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten" unter ausdrücklicher Anführung der §§ 3, 4 und 6 MRG im Klammerausdruck, ohne daß hinsichtlich des § 4 Abs 5 MRG eine Einschränkung gemacht worden wäre. Auch wenn die erst durch die Novelle 1985 zu § 4 MRG als Absatz 5 eingefügte Regelung des Behindertenaufzuges völlig außerhalb des sonstigen Systems nützlicher Verbesserungen stehe (vgl. Würth-Zingher, Miet- und WohnR19 Rz 5 zu § 4 MRG), weil ein derartiges Begehren auf völlig anderen Anspruchsvoraussetzungen fußt als die Verbesserungen nach § 4 Abs 2 MRG, wurden doch beide Tatbestände vom Gesetzgeber unter dem Titel nützlicher Verbesserungen durch bautechnische Maßnahmen zusammengefaßt, wobei auch der Wortsinn der Überschrift zu § 4 MRG den Einbau eines Behindertenaufzuges nach § 4 Abs 5 MRG durchaus decke.

Darüber hinaus hänge eine solche Maßnahme nach § 4 Abs 5 MRG von der billigen Abwägung aller Interessen ab. Es liege die Annahme nahe, daß damit nicht bloß die Interessen des antragstellenden Mieters und des Vermieters, sondern auch jene der übrigen Hauptmieter gemeint sind. Bei Durchsetzung des Anspruches im streitigen Rechtsweg, also einem reinen Zweiparteienverfahren, hätten die übrigen Hauptmieter keine Möglichkeit, ihre allfälligen begründeten Bedenken und Einwände vorzubringen. Vernünftigerweise bestehe aber dazu eine Notwendigkeit, weil durch den Einbau eines Behindertenaufzuges in der Regel allgemeine Teile des Hauses verändert werden, woraus sich eine Einschränkung der Benützungsmöglichkeiten, beispielsweise eine Verkleinerung des Stiegenhauses, ergeben könnte, sodaß dadurch unmittelbar in die vertraglichen Benützungsrechte der übrigen Hauptmieter eingegriffen wird. Nur in einem außerstreitigen Verfahren könne ihnen Gelegenheit gegeben werden, ihre allenfalls entgegengesetzten berücksichtigungswürdigen Interessen durch eine Beteiligung am Verfahren darzulegen.

Die Argumente Geuders (ImmZ 1986, 63), der für eine Durchsetzung des Anspruches auf Einbau eines Behindertenaufzuges im streitigen Verfahren plädiert, vermögen nicht zu überzeugen;

Popper-Teufelhart (Immobilienrecht 24) gäben für ihre Ansicht der Durchsetzung des Anspruches im Klageweg überhaupt keine Begründung. Geuder sei zwar durchaus beizupflichten, daß § 4 Abs 5 MRG eine Fülle nur schwer lösbarer Probleme aufwirft, vor allem was die Sicherstellung der Finanzierung und insbesondere der Erhaltungskosten, die Situation bei Beendigung des Mietverhältnisses des antragstellenden Mieters nach Einbau des Aufzuges etc. anlangt. Diese begründeten Bedenken gegen die Regelung vermögen aber die Frage, in welchem Verfahren der Anspruch durchzusetzen ist, nicht zu lösen. Daß § 6 Abs 1 MRG auf den erst durch die Novelle 1985 eingefügten Abs 5 des § 4 MRG nicht Bedacht nimmt, erscheine als offensichtliches Redaktionsversehen. Für seine Befürwortung des streitigen Rechtsweges führe er im wesentlichen die Bestimmung des § 6 Abs 2 MRG über die Exekution eines Auftrages zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten ins Treffen, wonach der Mieter berechtigt ist, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter bestellen zu lassen, der dann befugt wäre, zur Finanzierung der aufgetragenen Arbeit namens des Vermieters ein Hypothekardarlehen aufzunehmen. Daraus schließe Geuder auf eine Unanwendbarkeit des § 6 Abs 2 MRG auf die Durchsetzung eines Anspruches nach § 4 Abs 5 MRG, weil danach ja der Mieter zum Kostenersatz zu verhalten sei. Dem sei entgegenzuhalten, daß § 6 Abs 2 MRG bloß eine Ermächtigung des zu bestellenden Verwalters zur Aufnahme von Hypothekardarlehen beinhaltet. Sei zur Durchführung einer Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeit die Aufnahme eines Darlehens gar nicht erforderlich, weil die Finanzierung anderweitig sichergestellt ist, so bedeute dies ja keineswegs, daß § 6 Abs 2 MRG nicht anwendbar wäre, wenn sich der Vermieter weigert, einem rechtskräftigen Auftrag nachzukommen. Dies führte zu dem absurden Ergebnis, daß der Exekutionstitel entweder gar nicht oder nur nach den Bestimmungen der EO vollstreckbar wäre, wenn sich beispielsweise die betreibenden Mieter bereitfänden, die Kosten der Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeit einstweilen vorzustrecken. Eine vernünftige Auslegung müsse zu dem Ergebnis führen, daß die Exekution eines Auftrages im Sinne des § 4 Abs 5 MRG jedenfalls unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs 2 MRG zu erfolgen habe.

Darüber hinaus bestimme § 4 Abs 5 MRG keineswegs, daß die Anlage auf Kosten des Mieters herzustellen und zu erhalten ist, sondern vielmehr, daß der Mieter, der den Antrag gestellt hat, dem Vermieter diese Kosten zu ersetzen hat. Das bedeute, daß die Kosten vorerst jedenfalls vom Vermieter zu tragen sind, der dann bloß einen Ersatzanspruch gegen den antragstellenden Mieter hat. Zweifelhaft könnte höchstens sein, in welchem Verfahren dieser Ersatzanspruch des Vermieters gegen den Mieter durchzusetzen ist. Die Problematik der Kostentragung würde schließlich in keiner Weise durch die Verweisung der Durchsetzung des Anspruches in das streitige Verfahren vereinfacht.

Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage der Verfahrensart, in welcher ein Anspruch nach § 4 Abs 5 MRG geltend zu machen sei, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß wiederherzustellen.

Die Antragsteller begehren, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Rechtsmittelausführungen, die sich größtenteils auf die Wiederholung der schon vom Erstgericht dargestellten Fragen der Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit des zu schaffenden Exekutionstitels beschränken, für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte Begründung des Rekursgerichtes sowohl dem Ergebnis als auch der juristischen Ableitung nach für zutreffend. Der Oberste Gerichtshof kann sich daher gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528 a und 510 Abs 3 Satz 2 ZPO darauf beschränken, auf die Richtigkeit der rekursgerichtlichen Begründung zu verweisen und diese seine Beurteilung kurz wie folgt zu begründen:

§ 37 Abs 1 Z 2 MRG sieht vor, daß auch über Anträge nach § 4 MRG vom Bezirksgericht im Verfahren Außerstreitsachen

(§ 37 Abs 3 MRG) zu entscheiden ist. Daran ändert auch die spätere Ergänzung des § 4 MRG durch dessen Absatz 5 ("Behindertenaufzug") nichts, weil der Gesetzgeber dennoch § 37 Abs 1 Z 2 MRG in der ursprünglichen Fassung beließ. Diese Auslegung wird auch durch den Gebrauch des für Rechtsschutzbegehren im Verfahren Außerstreitsachen gebräuchlichen Ausdruckes "Antrag" in § 4 Abs 5 MRG bekräftigt.

Die Ausgestaltung des Exekutionstitels ist von der Verfahrensart, in der er geschaffen wird, unabhängig.

Die Durchsetzung des Exekutionstitels im Wege des § 6 Abs 2 MRG und die damit verbundene allfällige Kapitalsaufnahme zu Lasten des Vermieters führt zu keiner anderen Beurteilung, weil auch im Falle der Durchsetzung eines im streitigen Verfahren geschaffenen Exekutionstitels die Durchführung der Arbeiten dem Vermieter - und damit dem von ihm beauftragten Unternehmen gegenüber auf seine Kosten - obläge. Inwieweit der Vermieter Anspruch auf Sicherstellung seines Ersatzanspruches hat, ist unabhängig von der Verfahrensart ein im Titelverfahren zu lösendes materiell-rechtliches Problem, das die zulässige Verfahrensart nicht beeinflußt und daher in dieser Entscheidung nicht zu behandeln ist. Dies gilt auch für die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Aktivlegitimation der Antragsteller, also, welcher Art die Behinderung eines Mieters sein muß, die ihm den Anspruch auf Errichtung eines Aufzuges im Sinne des § 4 Abs 5 MRG gibt.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E26847

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00045.91.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19911126_OGH0002_0050OB00045_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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