TE OGH 1991/11/26 5Ob131/91

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Veröffentlicht am 26.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Lattenmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Leopold U***** und 2) Anita U*****, beide *****, beide vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wegen 116.499 S sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 5. September 1991, GZ 13 R 149/91-21, womit der Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28.Juni 1991, GZ 20 Cg 55/91-17, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Gesellschaft begehrt als Wohnungseigentumsorganisator von den Beklagten den von ihr nach einer endgültigen Abrechnung ermittelten restlichen Kaufpreis für deren Eigentumswohnung. In einem ihr aufgetragenen Schriftsatz (ON 11 dA) führte die Klägerin ua sinngemäß aus, sie habe - obwohl eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die Grundkosten nicht bestehe - eine Geldflußrechnung der Grundkosten vorgenommen; die jeweiligen Beträge für die Zeit vom 31.12.1970 bis 31.12.1975 könnten aus der Bilanz entnommen werden. Die Vorlage der Bilanzen bot die Klägerin nicht an.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und stellten in einem Zwischenschriftsatz den Antrag, der klagenden Gesellschaft gemäß § 82 Abs 1 ZPO die Vorlage ihrer Bilanzen seit 1970 samt Prüfungsberichten des Revisionsverbandes aufzutragen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Klägerin sich auf die gegenständlichen Urkunden niemals ausdrücklich als Beweismittel bezogen, sondern lediglich als Vorbringen (zum Teil) erwähnt habe.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Beklagten zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Inzidenzentscheidung prozeßleitender Natur im Sinne des § 82 Abs 1 ZPO sei nicht nur dann unanfechtbar, wenn sie auf Niederlegung der Urkunde vor Gericht lautet, sondern auch dann, wenn ein darauf gerichteter Antrag abgewiesen werde. Das ergebe sich aus einem Größenschluß aus dem von Lehre und Rechtsprechung einhellig eingenommenen Standpunkt, daß der Vorlagebeschluß wegen der zwingenden Anordnung im § 82 Abs 1 ZPO nicht anfechtbar sei. Die Nichtbefolgung eines derartigen Auftrages unterliege keiner unmittelbaren Sanktion; sie sei - anders als die Nichtbefolgung eines Auftrages zur Vorlage einer Urkunde im Rahmen des Urkundenbeweises - auch nicht vom Gericht frei zu würdigen. Berücksichtige man, daß die meisten im Rahmen des Urkundenbeweises ergehenden Entscheidungen überhaupt nicht oder doch nicht abgesondert anfechtbar seien, so sei auch jede Entscheidung über einen Antrag nach § 82 Abs 1 ZPO als unanfechtbar anzusehen. Zumindest müsse aber aus § 186 ZPO abgeleitet werden, daß die Entscheidung über einen Antrag nach § 82 Abs 1 ZPO als eine den Anordnungen nach § 181 Abs 2 und § 183 Abs 1 Z 2 ZPO entsprechende prozeßleitende Verfügung nicht abgesondert anfechtbar sei.

Der dagegen von den Beklagten erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehlt, ob die Abweisung eines Antrages nach § 82 Abs 1 ZPO angefochten werden kann; er ist auch im Sinne seines Zurückverweisungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei Beurteilung der Berechtigung des vorliegenden Rechtsmittels ist vorerst davon auszugehen, daß die Beklagten den in ihrem Zwischenschriftsatz gestellten Antrag ausdrücklich auf § 82 ZPO gestützt haben und von ihnen im Zuge ihres Prozeßvorbringens lediglich die Behauptung der Klägerin, die Richtigkeit ihrer Geldflußrechnung bezüglich der Grundkosten ergebe sich aus den Bilanzen, bestritten wurde. Die Beklagten haben sich somit gar nicht zum Beweis der Richtigkeit einer in ihre Beweislast fallenden Tatsache auf die - in Händen der Klägerin befindlichen - Bilanzen berufen (§ 303 ZPO). Das von den Beklagten gestellte Begehren ist daher ausschließlich auf der Grundlage des § 82 ZPO zu prüfen.

Wenn eine Partei in einem Schriftsatz auf in ihren Händen befindliche Urkunden Bezug genommen hat, ist sie auf Verlangen des Gegners verpflichtet, diese Urkunden in Urschrift innerhalb von drei Tagen bei Gericht niederzulegen und den Gegner hievon zu benachrichtigen (§ 82 Abs 1 ZPO). Gegen einen die Frist von drei Tagen abkürzenden Beschluß findet kein Rechtsmittel statt (§ 82 Abs 2 ZPO). Diese Urkundenvorlagepflicht dient der Information des Gegners und - anders als die Vorlagepflicht im Rahmen eines Urkundenbeweises - nicht der Beweisführung gegenüber dem Gericht (Fasching II 546). Ob eine nach § 82 Abs 1 ZPO ergehende, dem diesbezüglichen Verlangen stattgebende gerichtliche Anordnung mit Rekurs angefochten werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt; aus der im Gesetz normierten unbedingten Vorlagepflicht wird jedoch die Unanfechtbarkeit einer solchen Entscheidung gefolgert (Neumann4 I 628 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Fasching aaO 546 und 548; SZ 7/372). Diese Begründung läßt sich aber - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - auf die Entscheidung, mit der ein Antrag nach § 82 Abs 1 ZPO abgewiesen wird, nicht übertragen. Die Frage, ob sich eine Partei in einem Schriftsatz auf eine in ihren Händen befindliche Urkunde bezogen hat oder nicht - woraus sich dann erst die unbedingte Pflicht zur Vorlage ergibt -, ist nach dem Gesetz nicht so eindeutig zu beantworten, wie die daraus folgende Vorlagepflicht; schon deshalb und mangels ausdrücklicher Anordnung im Gesetz bietet das Gesetz keine Handhabe, die Abweisung eines auf Niederlegung einer Urkunde im Sinne des § 82 Abs 1 ZPO gestellten Antrages als unanfechtbar zu beurteilen.

Auch mit der prozeßleitenden Natur des Beschlusses des Erstrichters läßt sich weder die Unzulässigkeit der Anfechtung noch die Unzulässigkeit einer abgesonderten Anfechtung begründen. Gemäß § 514 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen Beschlüsse nur dann unzulässig, wenn das Gesetz ihre Anfechtung ausschließt; das gilt auch für prozeßleitende Verfügungen (EvBl 1963/31 ua). Der Rekurs ist daher im Zweifel statthaft (Fasching LB2 Rz 1971). Aus dem Ausschluß der Anfechtung bloß vergleichbarer Beschlüsse darf auch nicht auf die - im Gesetz nicht ausdrücklich

vorgesehene - Unanfechtbarkeit anderer Anordnungen geschlossen werden. Die ZPO legt die Anfechtbarkeit von Beschlüssen entweder unmittelbar bei der sie näher regelnden Norm oder - für bestimmte zusammengehörende Gruppen von Beschlüssen - am Ende der sie betreffenden Gesetzesabschnitte fest. Im zweiten Abschnitt des ersten Teiles (Verfahren), in der die Regelung der Urkundenvorlage zu Informationszwecken enthalten ist, normiert das Gesetz keinen Rechtsmittelausschluß für Beschlüsse mit denen ein darauf gerichteter Antrag abgewiesen wird. Die Bestimmungen des 3.Abschnittes des ersten Teiles über die mündliche Verhandlung, insbesondere über die nicht abgesonderte Anfechtbarkeit von - im Rahmen der diskretionären Gewalt des Vorsitzenden ergangenen - Anordnungen sowie des 1.Abschnittes des zweiten Teiles über den Beweis durch Urkunden, insbesondere über die Anfechtbarkeit von Anordnungen im Rahmen des Urkundenbeweises, sagen daher nichts über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen die in anderen Abschnitten enthaltenen prozeßleitenden Beschlüsse aus.

Die Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten gegen den erstrichterlichen Beschluß erweist sich daher als verfehlt; das Rekursgericht wird vielmehr über den Rekurs der Beklagten meritorisch zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E27467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00131.91.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19911126_OGH0002_0050OB00131_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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