TE OGH 1991/11/27 2Ob583/91

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Veröffentlicht am 27.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fritz W*****, vertreten durch Dr. Johannes Riedl und Dr. Gerold Ludwig, Rechtsanwälte in Haag, wider die beklagte Partei Ingrid K*****, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen

S 2,680.698,39 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1991, GZ 11 R 98/91-63, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 15. Februar 1991, GZ 3 Cg 25/88-57, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Geschwister. Ihre Eltern waren Eigentümer der Liegenschaft EZ 9, KG Z***** und zwar der Vater zu 2/3 und die Mutter zu 1/3. Mit Schenkungsvertrag vom 19. Juni 1951 schenkten die Eltern dem Kläger den zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehörenden "Waldhof". Der Kläger verkaufte den "Waldhof" mit Kaufvertrag vom 3. Februar 1961 um den Preis von S 300.000,--. Der Wert dieser Liegenschaft betrug ohne das Zubehör im Jahr 1951 S 232.000,--, 1961 S 315.000,-- und 1985 S 2,370.000,--. Bei letzterem Wert sind die in der Zwischenzeit erfolgten Umwidmungen, durch die sich eine beträchtliche Erhöhung des Grundwertes ergab, berücksichtigt, nicht aber die vom neuen Liegenschaftseigentümer vorgenommenen Investitionen. Auf Grund eines am 25. September 1964 abgeschlossenen Vergleiches erhielt der Kläger das lebenslängliche unentgeltliche Wohnrecht an einer im ersten Stock des "Marienhofes" (EZ 9 KG Z*****) gelegenen Wohnung. Mit Vertrag vom 8. April 1974 schenkte der Vater der Beklagten einen Drittelanteil der Liegenschaft EZ 9, KG Z***** (Marienhof). Mit Übergabsvertrag vom 17. Dezember 1974 schenkte die Mutter ihren Drittelanteil an dieser Liegenschaft dem Kläger. Nach dem Tod der Mutter am 12. April 1975 machte die nunmehrige Beklagte wegen dieser Schenkung gegen den nunmehrigen Kläger einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gerichtlich geltend. In diesem Verfahren ermittelte ein Sachverständiger den Wert des Marienhofes auf der Preisbasis 15. Dezember 1974 mit S 35,550.000,--. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich beendet, in welchem sich der nunmehrige Kläger zur Zahlung eines Betrages von S 1,715.625,-- sowie der Prozeßkosten verpflichtete. Mit Kauf- und Leibrentenvertrag vom 1. Juli 1976 übergab der Vater dem Kläger seinen verbliebenen Drittelanteil am Marienhof sowie eine ihm allein gehörende Fischereiberechtigung zum Barkaufpreis von S 500.000,-- zuzüglich einer monatlichen wertgesicherten Leibrente von S 15.000,-- ab 1. Juli 1976. Außerdem räumte der Kläger seinem Vater ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an der Wohnung im Parterre des Marienhofes ein und verpflichtete sich, dem Vater jährlich eine bestimmte Menge Holz, ein Reh sowie Edelobst für seinen Bedarf zu liefern und ihm eine Jahreslizenz für das mitübertragene Fischrevier auszustellen. Schon vor Abschluß dieses Kauf- und Leibrentenvertrages war das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater schlecht, es gab zwischen ihnen häufig Auseinandersetzungen. Der Vater verübelte dem Kläger vor allem die Umstände, unter denen er im Jahre 1974 die Mutter dazu gebracht hatte, ihm ihren Liegenschaftsanteil zu schenken. Im Zuge der Vertragsverhandlungen konnte der Kläger unter Hinweis auf den schlechten Bauzustand der auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude eine Herabsetzung der ursprünglichen Leibrentenforderung des Vaters erreichen. Auf Verlangen des Vaters übernahm die Raiffeisenkasse W***** die Haftung für die Bezahlung der Leibrente. Diese Verpflichtung ging die Raiffeisenkasse erst nach interner Schätzung der Liegenschaft und nur im Hinblick auf die guten Geschäftsbeziehungen zu beiden Vertragsteilen gegen Einräumung eines Pfandrechtes über S 3,4 Mill. auf der Liegenschaft ein. Mit Kaufvertrag vom 29. April 1977 verkaufte der Kläger das im Kauf- und Leibrentenvertrag übernommene Fischereieigenrevier zum Kaufpreis von S 1 Mill. In einem zwischen den Streitteilen anhängig gewesenen Rechtsstreit über die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft, der mit einem Anerkenntnisurteil über das Realteilungsbegehren endete, ergab ein Schätzungsgutachten zum Stichtag 24. August 1979 einen Gesamtwert der Liegenschaft von S 57,319.800,-- bzw. von S 56,903.300,-- ohne das Jagdrecht, das durch die Realteilung verloren ging.

Der Vater errichtete am 7. Februar 1980 vor einem Notar ein Testament, in dem er eine Frau und unter Hinweis, diese habe ihn seit dem Tod seiner Ehefrau betreut und gepflegt, als Alleinerbin einsetzte. In diesem Testament ist unter anderem ausgeführt:

"Diese Pflege und Betreuung ist umso notwendiger, da mich meine Kinder Friedrich W***** und Ingrid K***** völlig vernachlässigen und trotz meines hohen Alters hilflos gelassen haben. Dazu kommt, daß im Zuge der verschiedenen Vermögensauseinandersetzungen ständig Rechtsstreitigkeiten entstanden sind. Ich habe zur Festsetzung meiner Ansprüche aus dem Rechtstitel der Besitzübergabe ständig Klagen einbringen müssen. Von einer liebevollen Begegnung seitens meiner Kinder, welche von mir ausreichend bedacht wurden, war nie die Rede. Aus diesen Gründen enterbe ich meine Kinder und halte ausdrücklich fest, daß ohnehin ihre Pflichtteilsansprüche durch Vorausempfänge gedeckt sind. Mein Sohn Friedrich W***** erhielt, abgesehen von verschiedenen geldlichen Zuwendungen, welche nachweislich sind, den Gutsbesitz "Waldhof" mit rund 27 ha. Überdies habe ihm ein Drittel des Gutsbesitzes "Marienhof" gegen ein bescheidenes Entgelt übergeben. Meine Tochter Ingrid K***** erhielt von mir schenkungsweise ein Drittel des Gutes "Marienhof" sowie nachweislich Geldbeträge zugewendet." Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater unterfertigten beide Streitteile vor einem Notar die schriftliche Erklärung, in der Verlassenschaft nach ihrem Vater keine Pflichtteilsansprüche zu stellen. Das im Verlassenschaftsverfahren errichtete Inventar ergab einen Reinnachlaß von S 175.735,47.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Ergänzung des Pflichtteiles. Er geht dabei davon aus, daß der vom Vater der Beklagten geschenkte Drittelanteil am Marienhof am 8. April 1974

S 11,850.000,-- wert gewesen sei, zuzüglich S 200.000,-- (Wert des 2/3 Anteiles des dem Kläger vom Vater geschenkten Waldhofes) und des Wertes des reinen Nachlasses ergäben sich

S 12,225.735,45. Ziehe man von einem Viertel dieses Betrages - da der Kläger gegen die Erbin keine Pflichtteilsansprüche stelle - den reinen Nachlaß sowie den Wert des 2/3-Anteiles des dem Kläger vom Vater geschenkten Waldhofes ab, ergebe sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von S 2,680.698,39. Diesen Betrag fordert der Kläger von der Beklagten.

Die Beklagte wendete ein, beide Streitteile hätten auf Pflichtteilsansprüche verzichtet, überdies hätten beide auch deshalb keinen derartigen Anspruch, weil sie enterbt worden seien. Überdies wäre der Wert des Waldhofes mit S 4,500.000,-- zu berücksichtigen, der Wert des dem Kläger eingeräumten Wohnrechts betrage S 1 Mill., der Kauf- und Leibrentenvertrag vom 1. Juli 1976 stelle wegen des auffallenden Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zumindest eine gemischte Schenkung dar. Außerdem wendete die Beklagte Gegenforderungen ein und zwar S 500.000,--, weil sie hinsichtlich des Drittelanteiles der Mutter am Waldhof keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch gestellt habe, weiters S 629.000,--, weil es sich bei einem ihr im Teilungsverfahren zugewiesenen Baugrund in Wahrheit um ein Wiesengrundstück handle und S 1,509.000,--, weil ein ihr zugekommener Liegenschaftsteil in Grünland habe umgewidmet werden müssen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 2,680.698,39 zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und die Beklagte daher schuldig sei, den Betrag von S 2,680.698,39 sA zu bezahlen. Das Erstgericht beurteilte den oben wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, ein Enterbungsgrund nach § 768 Z 2 ABGB liege nicht vor. Da sich die Pflichtteilsentschlagung lediglich auf das Verlassenschaftsverfahren nach dem Tod des Vaters bezogen habe, liege ein Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruches gegen die Beklagte nicht vor. Wegen des schlechten Verhältnisses zwischen Vater und Sohn sei eine Schenkungsabsicht bei Abschluß des Kauf- und Leibrentenvertrages vom 1. Juli 1976 nicht anzunehmen, mangels einer Schenkungsabsicht könne dieser Vertrag selbst bei Vorliegen eines Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht als gemischte Schenkung angesehen werden. Für die Pflichtteilsberechnung sei vom Wert des 2/3-Anteiles am Waldhof zum Zeitpunkt des Todes des Vaters, somit von S 1,580.000,-- auszugehen. Zu berücksichtigen sei der Vorempfang der Beklagten hinsichtlich des Marienhofes von S 18,967.766,33 und die Bargeldschenkung von S 200.000,-- mit einem valorisierten Wert von S 575.752,50 sowie der reine Nachlaß von S 175.735,47. Insgesamt sei somit für die Pflichtteilsberechnung von einem Betrag von S 21,299.254,30 auszugehen. Ein Viertel hievon stelle den Pflichtteilsanspruch des Klägers in Höhe von S 5,324.813,57 dar. Abzüglich des zugewendeten Waldhofes von S 1,580.000,-- und des reinen Nachlasses von S 175.735,47 ergäbe sich ein Schenkungspflichtteil von S 3,569.078,10. Hiebei sei der Schätzwert des Marienhofes per August 1979 zugrunde gelegt worden und nicht zur Zeit des Erbanfalles im Dezember 1985. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers sei demnach berechtigt, selbst wenn dem Kläger das ihm mit Vergleich vom 25. September 1984 zugekommene Wohnrecht als weiterer Vorempfang berücksichtigt werden sollte. Soweit die Beklagte einen weiteren Pflichtteilsanspruch aus der Verlassenschaft nach der Mutter als Gegenforderung eingewendet habe, sei diese schon mit Rücksicht auf die vergleichsweise Bereinigung der Pflichtteilsansprüche gegenüber der Verlassenschaft nach der Mutter unberechtigt. Insoweit im Teilungsverfahren ihr ein Wiesengrundstück zugewiesen worden sei, sei dieses Verfahren durch ein Urteil rechtskräftig beendet worden. Dieses Urteil könne nicht im Wege der Kompensandoeinwendung angefochten werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, mit der "Pflichtteilsentschlagung" hätten die Streitteile lediglich auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegenüber dem der Erbin eingeantworteten Nachlaß verzichtet, ein Pflichtteilsverzicht des Klägers gegenüber der Beklagten komme darin nicht zum Ausdruck. Ein Enterbungsgrund im Sinne des § 768 Z 2 ABGB liege nicht vor, weil sich der Vater nicht in einer Notstandssituation befunden habe. Feststellungen über die Werte der Vorempfänge der Beklagten habe das Erstgericht ohnedies getroffen. Dabei sei davon auszugehen, daß die Ermittlung des Schenkungspflichtteiles bei unbeweglichen Sachen auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen sei. Im Fall der Veräußerung von Liegenschaften vor dem Erbfall habe die Bewertung hypothetisch unter Berücksichtigung des Wertes zu erfolgen, den die Sache bei normalem Verschleiß zum Zeitpunkt des Erbanfalles gehabt hätte (EvBl. 1986/155; SZ 57/90). Das Erstgericht sei daher bei Bewertung des "Waldhofes" richtig vorgegangen. Aus prozeßökonomischen Gründen habe das Erstgericht den Marienhof zum Tod des Erblassers nicht schätzen lassen, weil es die zum Stichtag 24. August 1979 erfolgten Schätzungsergebnisse bereits für ausreichend angesehen habe. Ein Antrag auf Schätzung des Marienhofes zum Erbfall sei auch nicht gestellt worden. Soweit die Berufung die Auffassung des Erstgerichtes bekämpfe, der Kauf- und Leibrentenvertrag vom 1. Juli 1976 stelle keine gemischte Schenkung dar, könne ihr Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach der Judikatur liege eine gemischte Schenkung vor, wenn aus dem Verhältnis der Personen zu vermuten sei, daß sie einen aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen Teil vermischten Vertrag schließen wollten. Entscheidend sei, daß die Parteien einen Teil als geschenkt ansehen wollten. Eine gemischte Schenkung liege jedoch nicht schon dann vor, wenn die Leistung der einen Seite objektiv wertvoller sei als die der anderen, weil das Entgelt für eine Leistung bewußt niedrig, unter dem objektiven Wert angesetzt worden sei (SZ 24/26, SZ 50/101 u.a.) oder weil sich ein Vertragspartner mit einer unter dem Wert seiner Leistung liegenden Gegenleistung begnügt habe oder sich die Partner des objektiven Mißverhältnisses der ausgetauschten Werte bewußt gewesen seien. Erforderlich sei vielmehr, daß sich die Parteien des doppelten Charakters der Leistung als teilweise entgeltlich, teilweise unentgeltlich bewußt gewesen seien, beide die teilweise Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht hätten (SZ 49/43 u.a.). Der Schenkungswille sei allerdings zu vermuten, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein so erhebliches Mißverhältnis bestehe, daß sich der Erblasser darüber im klaren gewesen sein müsse, daß er zum Teil unentgeltlich zuwende (SZ 44/30; Schubert in Rummel2, Rz 9 zu § 938). Ob die subjektive Voraussetzung des Schenkungstatbestandes im Einzelfall vorliege, gehöre in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen (SZ 50/101). Beweispflichtig sei jener, der das Vorliegen einer gemischten Schenkung als anspruchsbegründende Tatsache behaupte. Schenkungen seien grundsätzlich nicht zu vermuten. Weil aber versucht werden könne, die Schenkungsabsicht der Parteien bei gemischten Schenkungen dadurch zu verschleiern, daß eine in Wirklichkeit gewollte Schenkung nach außen hin mit dem Anschein der Entgeltlichkeit versehen werde, werde der Standpunkt vertreten, daß das Vorliegen der Schenkungsabsicht der Vertragsparteien auch aus den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles, zu denen unter anderem krasses Mißverhältnis der wechselseitigen Leistungen zählen könne, erschlossen werden könne. Für sich allein werde zwar das Vorliegen eines krassen Mißverhältnisses der wechselseitigen Leistungen in der Regel nicht ausreichend den Tatbestand der gemischten Schenkung zu erfüllen (SZ 49/43). In Fällen aber, in denen ein schutzwürdiges Interesse Dritter - wie etwa bei Übergabsverträgen und Vorhandensein anderer Pflichtteilsberechtigter - berührt werde, werde einem solchen krassen Mißverhältnis ein besonderer Indizwert für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zuerkannt werden müssen (Schubert aaO; SZ 53/167). Das Erstgericht habe ausgehend von den getroffenen Feststellungen eine Schenkungsabsicht nicht angenommen. Es habe insbesondere aus dem gespannten Verhältnis zwischen Vater und Sohn eine derartige Schenkungsabsicht verneint. Werde aber berücksichtigt, daß auch die Beklagte vom Vater im Jahre 1974 einen Drittelanteil des Marienhofes trotz eines ähnlich gespannten Verhältnisses zwischen ihnen geschenkt erhalten habe, so könne nicht ausgeschlossen werden, daß trotz des grundsätzlichen Entgeltcharakters des am 1. Juli 1976 abgeschlossenen Vertrages diesem nicht auch Merkmale der Unentgeltlichkeit zugekommen seien. Dies werde insbesondere dann anzunehmen sein, wenn ein krasses Mißverhältnis der wechselseitigen Leistungen gegeben sei. Im vorliegenden Fall lägen aber Anhaltspunkte für ein Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Etwa habe der Kläger die Fischereirechte kurz nach dem Tod des Vaters (richtig bereits 10 Monate nach Abschluß des Kauf- und Leibrentenvertrages, also lange vor dem Tod des Vaters) bereits um S 1 Mill. verkauft. Auch der Schätzwert des Marienhofes vom 15. Dezember 1974 (S 35,550.000,--) und zum 24. August 1979 (S 56,903.300,--) würden darauf hinweisen, daß dem Vertrag Elemente der Unentgeltlichkeit anhafteten. Zur Beurteilung einer gemischten Schenkung bedürfe es jedoch Feststellungen über den Wert von Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Das erstgerichtliche Verfahren sei deshalb mit einem Feststellungsmangel behaftet. Erst wenn zum Zeitpunkt 1. Juli 1976 der Wert des Marienhofes und insbesondere der Fischereirechte feststehe, könne beurteilt werden, ob ein Mißverhältnis zu den Gegenleistungen des Klägers, welche in einem Barkaufpreis von S 500.000,--, in einer lebenslangen wertgesicherten monatlichen Rentenleistung von S 15.000,-- sowie in der Erbringung gewisser Ausgedingsleistungen bestehe, gegeben sei. Nicht als Gegenleistung zu veranschlagen seien hingegen nicht aus dem Vermögen des Übernehmers erbrachte Leistungen, wie der Vorbehalt von Nutzungen und sonstigen Befugnissen eines Eigentümers, die dem Übergeber kraft seines Eigentums zugestanden seien und die er sich zum Teil über den Übergabszeitpunkt hinaus, etwa bis zu seinem Ableben, vorbehalte (5 Ob 502/90, 6 Ob 620/82, 5 Ob 589/89). Die Leibrente wäre nach versicherungstechnischer Wahrscheinlichkeit der Lebenserwartung des am 30. Juli 1900 geborenen Vaters zu bewerten (SZ 53/167). Sollte ein auffälliges krasses Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung den Schluß auf eine teilweise Schenkungsabsicht zulassen, so daß eine gemischte Schenkung angenommen werden könne, wäre der in dem gemischten Vertrag enthaltene Geschenkanteil als Vorempfang bei Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen. Dieser Vorempfang wäre allerdings zum Wert des Zeitpunktes des Erbanfalles zu berücksichtigen.

Der Kläger bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt die Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes.

Die Beklagte stellt den Antrag, den Rekurs zu verwerfen, oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig aber nicht berechtigt.

Zunächst ist zu der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht, das Klagebegehren bestehe schon wegen der von beiden Parteien unterfertigten "Pflichtteilsentschlagung" nicht zu Recht, Stellung zu nehmen. Dieser Ansicht der Beklagten kann jedoch nicht gefolgt werden. Ein Verzicht auf das Erbrecht, der gemäß § 767 ABGB auch den Anspruch auf einen Pflichtteil ausschließt, ist nur der in Form eines erbrechtlichen Vertrages mit dem Erblassers abgegebene, nicht aber ein vor oder nach dem Tod des Erblassers gegenüber einem anderen Noterben oder dem Erben erklärter (Welser in Rummel2, Rz 2 zu § 767 mwN). Ein derartiger Erbverzicht liegt hier nicht vor. Da die Ausschließungsgründe des § 767 ABGB taxativ sind (Welser aaO Rz 5; EFSlg. 48.521), ist der Kläger pflichtteilsberechtigt, zumal Gründe für eine rechtmäßige Enterbung nicht vorliegen. Der Pflichtteilsberechtigte, der gegen den Erben ein Forderungsrecht auf Auszahlung eines Geldbetrages in der Höhe eines entsprechenden Anteiles am Reinnachlaß hat, kann allerdings auf diesen Anspruch verzichten. Ob ein gültiger Verzicht vorliegt, richtet sich nach der Vorschrift des § 1444 ABGB über den Schulderlaß. Die Verzichtserklärung bedarf der Annahme, die allerdings auch stillschweigend erfolgen kann (NZ 1977, 124 mwN). Aus der im Verlassenschaftsverfahren abgegebenen Erklärung, in der Verlassenschaft nach dem Vater keine Pflichtteilsansprüche zu stellen, ergibt sich nur, daß gegenüber der Erbin derartige Ansprüche nicht erhoben werden. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger mit dieser Erklärung auch auf Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der Beklagten verzichtete, besteht nicht.

Entscheidend ist daher die im Rekurs behandelte, von den Vorinstanzen unterschiedlich gelöste Frage, ob es sich beim Kauf- und Leibrentenvertrag vom 1. Juli 1976 um eine gemischte Schenkung handelt. Der Rekurswerber vertritt die Ansicht, die Überlegungen des Berufungsgerichtes gingen an den Feststellungen vorbei, nach denen bei Abschluß des Vertrages vom 1. Juli 1976 keine wie immer geartete Schenkungsabsicht vorhanden gewesen sei. Da für die Annahme einer gemischten Schenkung die Parteiabsicht entscheidend sei und ein Schenkungswille nicht bestanden habe, sei kein Platz für Schenkungsvermutungen.

Dazu ist folgendes zu erwägen:

Auszugehen ist davon, daß der auf die Vorschriften der §§ 785 und 951 ABGB über den Schenkungspflichtteil gegründete Anspruch des Klägers eine Vermögensverschiebung voraussetzt, die zumindest teilweise vom Tatbestand der Schenkung im Sinne des § 938 ABGB erfaßt wird. Ob der von der Vermögensverschiebung betroffene Wert zur Gänze oder doch teilweise Gegenstand einer Schenkung war, kann nicht einfach danach beurteilt werden, ob der Empfänger mangels Erbringung einer (entsprechenden) Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert ist. Es muß auch das ausdrücklich oder schlüssig erklärte Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorhanden sein. Sowohl der Zuwendende als auch der Empfänger der Zuwendung muß erkennbar damit einverstanden sein, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, daß ihr also keine oder doch keine wirtschaftlich beachtliche Gegenleistung gegenüberstehen soll (SZ 49/43; 7 Ob 547/90). Dies gilt auch für die gemischte Schenkung. Hier ist entscheidend, ob die Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollen. Eine gemischte Schenkung liegt nicht schon dann vor, wenn die Leistung der einen Seite objektiv wertvoller ist als die der anderen und sich die Vertragspartner des objektiven Mißverhältnisses der ausgetauschten Werte bewußt waren (7 Ob 547/90). Erforderlich ist vielmehr, daß sich die Parteien des doppelten Charakters der Leistung als teilweise entgeltlich, teilweise unentgeltlich bewußt gewesen sind, beide die teilweise Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und ausdrücklich oder

schlüssig - "erkennbar" - zum Ausdruck gebracht haben (Schubert in Rummel2, Rz 9 zu § 938 mwN). Ob die subjektive Voraussetzung des Schenkungstatbstandes im Einzelfall vorliegt, gehört in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen (SZ 50/101). Beweispflichtig ist jener, der das Vorliegen einer (gemischten) Schenkung als anspruchsbegründete Tatsache behauptet; bei der Schenkungspflichtteilsklage also der Pflichtteilsberechtigte. Schenkungen sind grundsätzlich nicht zu vermuten (6 Ob 3/83). Weil aber aus verschiedenen Gründen - wie etwa zum Zweck der Verkürzung des Pflichtteils eines Erben des Schenkers - versucht werden kann, die Schenkungsabsicht der Parteien bei reiner oder gemischter Schenkungen dadurch zu verschleiern, daß eine in Wirklichkeit gewollte Schenkung nach außen hin mit dem Anschein der Entgeltlichkeit versehen wird, wird der Standpunkt vertreten, daß das Vorliegen der Schenkungsabsicht der Vertragsparteien auch aus den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles erschlossen werden kann (7 Ob 547/90). Der Schenkungswille ist zu vermuten, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein so erhebliches Mißverhältnis besteht, daß sich der Erblasser darüber im klaren gewesen sein muß, daß er zum Teil unentgeltlich zuwende (3 Ob 527, 528/91). Die Schenkungsabsicht läßt sich aus einem krassen Mißverhältnis erschließen (SZ 49/43, SZ 53/167, SZ 59/6). Für einen solchen Schluß ist es von erheblicher Bedeutung, ob den vertragschließenden Teilen das krasse, objektiv bestehende Mißverhältnis zwischen Wert der übergebenen Liegenschaft und der vereinbarten Gegenleistung auch subjektiv bewußt war (1 Ob 532/91).

Das Erstgericht hat eine Schenkungsabsicht nicht als erwiesen angenommen und hat Feststellungen darüber unterlassen, nach denen beurteilt werden kann, ob ein krasses Mißverhältnis der wechselseitigen Leistungen gegeben ist, obwohl diesem Umstand - wie oben ausgeführt - eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Verfahren als ergänzungsbedürftig angesehen.

Der Rekurswerber bekämpft schließlich die Ausführungen des Berufungsgerichtes, für die Ermittlung des Schenkungspflichtteiles sei auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen, er meint, maßgebend sei der Wert im Zeitpunkt der Schenkung. Die Ansicht des Berufungsgerichtes entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach für die Ausmittlung des Schenkungspflichtteiles der Zeitpunkt des Erbanfalles maßgebend ist, es also nicht darauf ankommt, um welchen Wert das Vermögen des Erblassers durch den Vorempfang seinerzeit vermindert wurde, sondern darauf, welchen Wert die Verlassenschaft besäße, wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben (SZ 57/7). Wertveränderungen seit dem Empfangszeitpunkt sind bei Berechnung der Pflichtteilsverkürzung zu berücksichtigen (SZ 59/6).

Aus diesen Gründen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27691

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00583.91.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19911127_OGH0002_0020OB00583_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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