TE OGH 1991/11/27 3Ob543/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Milka Z*****, ***** vertreten durch Dr. Walter Schlick, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josip Z*****, ***** vertreten durch Dr. Peter Bartl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhaltsleistung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 21. März 1991, GZ 2 R 98/91-71, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Dezember 1990, GZ 35 C 10/90t-33, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und der Beklagte sind Staatsangehörige der jugoslawischen Teilrepublik Kroatien. Ihre am 9. August 1975 in M***** geschlossene Ehe wurde im Heimatstaat mit Urteil vom 30. Mai 1989 nach den Artikeln 56 und 54 des Ehe- und Familiengesetzes der Teilrepublik Kroatien geschieden. Das gemeinsame Kind ist der Klägerin zur Pflege und Erziehung anvertraut. Der Beklagte leistet für das Kind monatlich S 3.500,-- Unterhalt. Im Scheidungsverfahren erfolgte keine Unterhaltsregelung. Die geschiedenen Eheleute haben seit langem ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Am 10. Juli 1989 erhob die Klägerin gegen den Beklagten die auf Leistung eines monatlichen Unterhalts von S 5.000,-- gerichtete Klage. Sie könne aus gesundheitlichen Gründen nur ein geringes Einkommen erzielen.

Der Beklagte trat dem Unterhaltsbegehren entgegen.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge von S 1.200,-- vom 10. Juli 1989 bis 30. April 1990 und von S 3.700,-- ab dem 1. Mai 1990. Es stellte im wesentlichen noch fest, daß sich die Klägerin seit 1971 in Österreich aufhält und ihre Beschäftigung nach der Geburt der Tochter am 12. August 1975 auf Wunsch des Beklagten aufgab und den gemeinsamen Haushalt führte, in dem sie das Kind betreute. Seit 1979 verdiente die Klägerin als Aufräumerin S 2.400,-- und S 1.700,-- im Monat. Im Jahr 1987 nahm die Klägerin eine Beschäftigung auf, aus der sie im Monat ein Einkommen von rund S 2.700,-- erzielte. Ab dem Jahr 1989 verdiente sie bei einem Beamten als Aufräumerin S 1.600,-- im Monat und für stundenweise Bedienung noch S 1.000,-- monatlich.

Am 1. Juni 1990 verunglückte die Klägerin, die schon seit acht Jahren an einem Wirbelsäulenleiden erkrankt ist und bei Belastung starke Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Beine hat, und erlitt schwere Verletzungen. Sie war bis zum 4. Juli 1990 im Unfallkrankenhaus aufgenommen und leidet seither zusätzlich an Schmerzen im Schulterbereich und im Kopf. Im Jahr 1990 verdiente die Klägerin im Durchschnitt monatlich netto S 4.627,--. Der Beklagte hatte als Fahrlehrer im Jahr 1989 ein Nettoeinkommen von knapp S 19.900,-- einschließlich der Familienbeihilfe und im Jahr 1990 von knapp S 19.600,-- ohne Familienbeihilfe. Er hat noch für die gemeinsame Tochter zu sorgen. Die Klägerin konnte bis zum 30. April 1990 in der Eigentumswohnung des Beklagten wohnen.

Das Erstgericht meinte, nach dem anzuwendenden fremden Recht könne die Klägerin vom Beklagten Unterhalt verlangen, wenn seit der Beendigung der Ehe nicht mehr als ein Jahr verstrichen sei und sie zur Zeit der Verhandlung im Streitverfahren wegen der Scheidung ununterbrochen bis zum Schluß der Verhandlung im Unterhaltsprozeß keine ausreichenden Mittel zum Leben habe, oder arbeitsunfähig sei oder keine Beschäftigung annehmen könne. Gründe zur Annahme, der Unterhalt werde rechtsmißbräuchlich geltend gemacht, lägen nicht vor. Bis zum 30. April 1990 habe die Klägerin noch in der Ehewohnung wohnen können, seither müsse sie auch für die Wohnungskosten aufkommen. Sie habe daher Anspruch auf einen monatlichen Unterhalt von der Klageerhebung bis zum 30. April 1990 von S 1.200,-- und seither S 3.700,-- im Monat.

Das Berufungsgericht minderte über die nur vom Beklagten erhobene Berufung den Zuspruch an Unterhalt für die Zeit ab dem 1. Mai 1990 auf S 3.000,-- und gab der Berufung im übrigen nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des kroatischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen im Anlaßfall mangels einer inländischen Rechtsprechung von "grundsätzlicher Bedeutung" sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und legte sie der Entscheidung zugrunde. Anzuwenden sei das kroatische Gesetz über die Ehe- und Familienbeziehungen vom 10. März 1978 in der Fassung des Gesetzes Gesetzblatt Nr. 51 vom 27. November 1989, wonach zwar der Antrag auf Unterhalt nicht gestellt werden könne, wenn die Ehe aufgrund des Einvernehmens der Ehegatten geschieden wurde (Art 250 Abs 3 iVm Art 57); die Ehe sei aber nicht nach Art 57 geschieden worden. Art 250 Abs 3 finde keine Anwendung. Es treffe auch nicht zu, daß die Klägerin die Voraussetzung des Art 249 (Art 248 alt) nicht erfülle, weil sie nicht vermögenslos und arbeitsunfähig sei. Das jugoslawische Recht stelle zwar strengere Maßstäbe bei der Beurteilung der Fähigkeit der Frau auf, ihren Unterhalt selbst zu verdienen. Es liege aber bei ihr auf Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zumindest eine geminderte Arbeitsfähigkeit vor und sie habe Anspruch auf ergänzenden Unterhalt (IPRAX 1990, 104). Die Klägerin habe alles Zumutbare unternommen, um ihren Unterhalt durch eigenen Erwerb zu erlangen, doch reichten ihre Einkünfte nicht aus. Bei der Leistungsfähigkeit des Beklagten und den eigenen Einkünften der Klägerin sei ein Unterhaltsbeitrag von S 1.200,-- monatlich für die Zeit, in der sie noch keine Wohnkosten tragen mußte, und seither von S 3.000,-- angemessen, weil nach der Regelung der §§ 259 ff als Untergrenze der Beitrag zu gewähren sei, der einer völlig erwerbslosen Person in der Wohngemeinde der Berechtigten zustehe. Der Ausgleichszulagenrichtsatz nach dem ASVG liege bei S 5.500,--, der Richtsatz nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz bei S 4.600,--.

Der Beklagte strebt mit seiner Revision die Abänderung des stattgebenden Teiles der Entscheidung der Vorinstanzen und die Abweisung jedes Unterhaltsbegehrens der Frau an.

Die Klägerin beantragte, der Revision ihres Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Das zur Entscheidung über eine Scheidungsfolge angerufene inländische Gericht hat die hiefür maßgebende Rechtsordnung ohne Rücksicht auf das Recht zu ermitteln, das für die Entscheidung über die Ehescheidung tatsächlich angewendet wurde (SZ 59/124). Die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe sind nach § 20 Abs 1 IPRG nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Ehescheidungs- und Ehewirkungsstatut fallen demnach zusammen und bestimmen die Rechtsordnung, nach der nacheheliche Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehegatten zu beurteilen sind. Da beide Ehegatten das gemeinsame Personalstatut beibehalten haben und der jugoslawischen Teilrepublik Kroatien weiter angehören, kommt das dort geltende Recht zur Anwendung (§ 18 Abs 1 Z 1 IPRG). Dies haben die Vorinstanzen beachtet und auch die Parteien trugen keine Gründe vor, warum anderes gelten sollte.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Anwendung des nach dem interlokalen Recht Jugoslawiens bestimmten in Kroatien geltenden Ehescheidungs- und Unterhaltsrecht, das nach § 3 IPRG von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden ist und nach § 4 Abs 1 IPRG vom Erstgericht amtswegig ermittelt wurde. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das fremde Recht ist nicht erkennbar. Es wurden daher die Grundsätze des infolge der Staatsbürgerschaft der Streitteile zu beachtenden internationalen Privatrechts beachtet.

Für die Anwendung fremden Rechtes in dessen Geltungsbereich kommt der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine Leitfunktion zu. Ist nach kollisionsrechtlichen Normen fremdes Recht anzuwenden und hält sich das Berufungsgericht im Rahmen der durch die ausländische Lehre und Rechtsprechung abgesteckten Grenzen, fehlt es an der Erheblichkeit der Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung abhängt (Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 299; RZ 1984/88; EvBl 1985/172 ua). Es kann weder Aufgabe des Obersten Gerichtshofes sein, eine Rechtseinheit des fremden Rechtes zu wahren, noch das fremde Recht fortzuentwickeln (vgl dazu Kralik in FS Fasching, 298 ff.). Daß im Inland eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der nach fremden Recht zu beurteilenden Frage fehlt, führt daher allein nicht zur Zulässigkeit der Revision iSd § 502 Abs 1 ZPO. Der Ansicht, daß die Revision zur Auslegung ausländischer Rechtsnormen immer dann zulässig, wenn die Rechtsfrage erstmalig an den Obersten Gerichtshof herangetragen wird, folgt der erkennende Senat nicht (aM Fasching, ZPR2 Rz 1890). Der Revisionswerber zeigt nicht auf, inwieweit die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht von einer Rechtsanwendung im fremden Staat abgewichen wäre:

Das Berufungsgericht konnte sich zu der vom Revisionswerber herangetragenen Rechtsfrage nach der Auslegung des Art 250 des Gesetzes über Ehe- und Familienbeziehungen vom 10. März 1978 idgF und bei der Bemessung des Unterhalts auf die Darstellung der Rechtsprechung und Rechtsanwendung nach kroatischem Recht stützen, wonach einem Gatten, der nur eingeschränkt arbeitsfähig ist, Unterhalt in dem Umfang zugesprochen wird, der ihm mit den Mitteln, die er mit seiner Arbeit erwirbt, die Existenz ermöglicht (IPRAX 1990, 104). Der Revisionswerber entfernt sich von den zugrunde zu legenden Feststellungen, wenn er behauptet, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei zur Gänze erst nach Schluß der Verhandlung im Ehescheidungsverfahren eingetreten. Es ist davon auszugehen, daß die Klägerin schon Jahre vorher leidend und in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt war und durch den nach der Scheidung erlittenen Unfall nur noch weitere Beschwerden hinnehmen mußte. In der Annahme, daß daher die Voraussetzungen für das Unterhaltsverlangen vorlagen, kann keine gegen die Rechtssicherheit verstoßende Fehlbeurteilung nach dem maßgebenden fremden Recht erblickt werden.

Die Bemessung unter Zugrundelegung der im fremden Recht normierten Richtlinien hängt hingegen von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab, so daß auch in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird.

Die nach § 502 Abs 1 ZPO unzulässige Revision ist zurückzuweisen.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, sondern nur sachlich zu den Revisionsausführungen Stellung genommen hat, steht ihr ein Kostenersatzanspruch nach den §§ 41 und 50 ZPO nicht zu.

Anmerkung

E27720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00543.91.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19911127_OGH0002_0030OB00543_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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