TE OGH 1991/11/27 3Ob570/91

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Veröffentlicht am 27.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Werner M*****, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagte Partei Margit H*****, vertreten durch Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Juli 1991, GZ 2 a R 355/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 13. März 1991, GZ 2 C 717/90a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.264 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 544 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat der Beklagten mit Mietvertrag vom 1. 6. 1982 ein Geschäftslokal vermietet, das sich in einem nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Gebäude befindet.

Gemäß Punkt IV des Mietvertrages war vereinbart, daß das Mietverhältnis am 15. 7. 1982 beginnt und bis zum 31. 3. 1990 abgeschlossen werde, sodaß es zu diesem Zeitpunkt ohne Aufkündigung ende.

Nach dem Ablauf des 31. 3. 1990 räumte die Beklagte den Mietgegenstand nicht, sondern setzte die Benützung fort. Sie wurde weder vor diesem Zeitpunkt noch in den folgenden 14 Tagen zur Räumung aufgefordert.

Mit der am 18. 5. 1990 eingelangten Klage begehrt der Kläger die Räumung des Mietgegenstandes. Auf den Klagegrund, es liege eine Vermietung im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungsunternehmens oder ein vertragswidriger Gebrauch des Mietgegenstandes vor, kommt der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr zurück, sodaß das Räumungsbegehren jetzt nur mehr auf Zeitablauf iSd § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG gestützt wird.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es war der Auffassung, daß der Mietvertrag infolge Versäumung der Frist des § 569 ZPO stillschweigend verlängert worden sei. Aus einem befristeten Mietverhältnis mit unbedingtem Endtermin sei dadurch ein solches mit bedingtem Endtermin geworden. Die Beklagte benütze daher den Mietgegenstand nicht titellos. Um das Mietverhältnis zum Erlöschen zu bringen, müsse der Kläger vielmehr zum neuen Fristende kündigen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht lehnte die Entscheidung 6 Ob 541/85 ab, wonach die in § 29 Abs 1 Z 3 lit a bis d MRG geforderte Schriftlichkeit eines Zeitmietvertrages auch bei einer stillschweigend verlängerten Vertragsdauer gewahrt bleibe, und schloß sich der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in den Entscheidungen 3 Ob 532/87 und 5 Ob 599/87 an, wonach eine solche stillschweigende Verlängerung dem genannten Schriftformerfordernis nicht genüge. Damit komme aber gemäß § 33 Abs 1 MRG nur mehr eine gerichtliche Kündigung in Betracht.

Wegen der vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Revision zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hält an seiner zu 3 Ob 532/87 (JBl 1988,

450 = MietSlg 39/40 = SZ 60/182) ausgesprochenen Ansicht fest,

die auch von den Senaten 5 (5 Ob 599/87 = JBl 1988, 451 =

MietSlg 39.408 = SZ 60/263) und zuletzt 1 (1 Ob 628/88 =

JBl 1989, 177 = MietSlg 40.416) vertreten wurde, wobei die

letztgenannte Entscheidung gleichfalls einen Fall des § 29 Abs 1 Z 3 lit a 1. Fall MRG betraf, und im Einklang mit der herrschenden Lehre steht. Hingegen wird die Auslegung der jetzt doch schon als vereinzelt anzusehenden Entscheidung 6 Ob 541/85 (RdW 1987, 258 = JBl 1987, 659 = MietSlg 38/39) weiterhin abgelehnt.

Die Revision vermag die Argumente der Entscheidung 3 Ob 532/87 nicht zu entkräften:

Richtig ist zwar der Gedanke, daß bei einer stillschweigenden Verlängerung der Vertrag unter Fortbestand aller seiner Elemente der nämliche bleibt. In diesem Sinne können aber nur die im Vertrag schriftlich festgehaltenen Vertragspunkte als solche erhalten bleiben. Die erst durch das konkludente Verhalten eintretende Verlängerung der ursprünglichen Mietdauer, also die Fixierung eines neuen Endzeitpunktes für das Mietverhältnis, ist aber dann jedenfalls nicht mehr "schriftlich" festgehalten. Der in § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG genannte "Ablauf der bedungenen Zeit" ist also entgegen dem gesetzlichen Formerfordernis nicht mehr schriftlich fixiert, sondern er könnte nur aus dem ursprünglich schriftlich festgeschriebenen Endzeitpunkt einerseits und einer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verlängerung von Mietverträgen andererseits erschlossen werden.

Der Zweck der für Zeitmietverträge iSd MRG vorgeschriebenen Schriftform liegt zum einen in einer Warn- und Aufklärungsfunktion für den Mieter, aber zum andern auch in der Erleichterung und Sicherung des Beweises für die Befristung (Böhm, JBl 1987, 660). Beide Zwecke werden bei einer Zulassung nicht schriftlicher Verlängerungen weitgehend verfehlt. Der Mieter, der nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Mietzeit nicht sofort auf Räumung belangt wird (§ 569 ZPO), wüßte dann nicht, ob die Verlängerung auf unbestimmte Zeit gilt oder nur für die in § 1115 ABGB genannten jeweiligen Verlängerungszeiträume. Dazu kommt der schon in 3 Ob 532/87 genannte Umstand, daß - abgesehen von der strittigen Auslegung des § 1115 ABGB über den Verlängerungszeitraum - auch über die Frage, ob überhaupt eine stillschweigende Verlängerung stattfand, Unklarheit bestehen kann.

Sicherlich könnte der Mieter kurz vor dem Ablauf der ursprünglich vereinbarten bestimmten Mietdauer an den Vermieter herantreten und mit ihm über eine Vertragsverlängerung verhandeln. Das Gesetz sieht aber dies nicht vor, sondern gemäß § 1114 ABGB tritt auch ohne eine solche Aktivität des Mieters nur durch die Fortsetzung der Benützung die Verlängerung ein, wenn es der Vermieter dabei bewenden läßt, und gemäß § 569 ZPO steht dem Vermieter zur Realisierung des ursprünglich vereinbarten Endzeitpunktes nur eine Frist von 14 Tagen zur Verfügung. Natürlich liegt bei einer Untätigkeit des Vermieters keine schriftliche Vereinbarung über die Verlängerung vor; daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, der Vermieter verdiene nach einem Versäumen der Frist des § 569 ZPO einen besonderen Schutz.

Im vorliegenden Fall lag die Einbringung der Räumungsklage zwar noch in einem zeitlichen Nahebereich des ursprünglich vereinbarten Endes des Mietverhältnisses. Aber es sind auch Fälle denkbar, in denen der Vermieter erst nach einem Jahr oder auch nach mehreren Jahren, wenn sich der Mieter längst gesichert glaubt, ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes nur auf das durch wiederholte stillschweigende Verlängerung um die in § 1115 ABGB genannten Fristen aufrecht gebliebene Recht der Auflösung des Mietvertrages pochen könnte. Die relativ kurze Frist des § 569 ZPO mag für den Vermieter hart sein (siehe den Hinweis von Hanel, JBl 1988, 453); sie hat aber im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob der Mietvertrag beendet oder auf unbestimmte Zeit verlängert wird, durchaus ihren Sinn.

Die Ansicht, durch die stillschweigende Fortsetzung des Mietvertrages habe sich das befristete Mietverhältnis mit unbedingtem Endtermin in ein solches mit bloß bedingtem Endtermin verwandelt, das durch Aufkündigung beendet werden könne, ist vertretbar. Daraus folgt aber im Anwendungsbereich der Kündigungsbeschränkungen des MRG nicht, in welcher Weise die Aufkündigung möglich ist.

§ 29 MRG ist trotz der letzten Novelle nach wie vor eine Ausnahmebestimmung. Nur wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen voll erfüllt sind, also auch die Schriftlichkeit gewahrt wurde, kann daher der Vermieter die Auflösung des Mietvertrages durch bloße Geltendmachung des Zeitablaufes iSd § 29 Abs 1 Z 3 MRG herbeiführen. Im Bereich des Kündigungsschutzes des MRG kann hingegen die zur Vertragsauflösung jetzt erforderlich gewordene Aufkündigung nur gerichtlich erfolgen (§ 33 Abs 1 MRG) und vom Vermieter nur beim Vorliegen wichtiger Kündigungsgründe (§ 30 MRG) vorgenommen werden (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 1114).

Das rechtspolitische Argument, bei einer solchen Auslegung drohe dem Mieter stets die sofortige Räumungsklage, während er sonst den Mietgegenstand noch eine gewisse Zeit über die ursprünglich vereinbarte Mietdauer hinaus benützen könne, ist angesichts der derzeitigen Gesetzeslage nicht zielführend. Die Rechtsvermutung des § 1114 ABGB kann übrigens nach herrschender Ansicht nicht nur durch die im § 569 ZPO vorgesehene rechtzeitige Klagseinbringung widerlegt werden (SZ 60/182), und auch der Abschluß eines Räumungsvergleiches ist möglich, die Räumungsklage ist also nicht die einzige Alternative.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E28011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00570.91.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19911127_OGH0002_0030OB00570_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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