TE OGH 1991/11/28 7Ob601/91

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Veröffentlicht am 28.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martha K*****, vertreten durch Dr. Andreas König, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sams O*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Übergabe eines Mietgegenstandes (Streitwert S 12.000,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26.Juli 1991, GZ 2 a R 322/91-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 4.April 1991, GZ 11 C 225/91i-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Dr. Robert K***** hat seine Eigentumswohnung in Innsbruck, E*****-Straße ***** an seine Schwiegertochter, die Klägerin vermietet. Mit Mietvertrag vom 1.8.1989 hat diese die Wohnung an den Beklagten untervermietet. Das ursprünglich auf die Dauer von zwei Jahren unkündbar abgeschlossene Bestandverhältnis wurde mit Zusatzvereinbarung vom 22.2.1990 in ein solches auf unbestimmte Zeit umgewandelt und eine beiderseitige dreimonatige Kündigungsfrist zu dessen Beendigung vereinbart. Die in der Folge über eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen geführten Gespräche führten nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Räumungsvergleich. Am 22.1.1991 richtete der Beklagtenvertreter an den Klagevertreter ein Schreiben mit folgendem Inhalt: "In obiger Sache habe ich den Inhalt ihres Schreibens vom 10.1.1991 mit meinem Mandanten besprochen. Dazu teilt mein Mandant mit, daß er zwar die Zusagen betreffend den 31.12.1990 und den 30.6.1991 gemacht hat und grundsätzlich auch dazu steht, er sich jedoch nicht mit einem gerichtlichen Räumungsvergleich per 30.6.1991 binden lassen möchte".

Das Erstgericht hob den antragsgemäß erlassenen Übergabsvertrag über die rechtzeitig vom Beklagten erhobenen Einwendungen auf. Es folgte der Argumentation des Beklagten, nach der die behauptete einvernehmliche Auflösung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrages nicht mittels eines Übergabsauftrages nach § 567 Abs. 1 ZPO, sondern nur mit einer Räumungsklage durchgesetzt werden könne. Im übrigen müsse eine Vereinbarung, wie von der Klägerin behauptet, in schriftlicher Form getroffen werden, um Rechtswirksamkeit zu erlangen. Eine Ausdehnung der Anwendbarkeit über den Übergabsauftrag auf die einvernehmliche Auflösung von Bestandverhältnissen erscheine aus rechtsdogmatischen Erwägungen nicht gesetzeskonform, weil im Bereich des Prozeßrechtes eine Analogie ausgeschlossen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Es folgerte rechtlich, daß die Bestimmung des § 567 Abs. 1 ZPO auch im Falle einer einverständlichen Beendigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrages analog anzuwenden sei. Ein Übergabsauftrag sei nur dort unzulässig, wo ein unbefristetes Bestandverhältnis mittels Kündigung aufzulösen sei. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob von vornherein eine Beendigung des Bestandvertrages durch bloßen Zeitablauf vereinbart werde oder ob ein ursprünglich unbefristet eingegangenes Bestandverhältnis zufolge einverständlicher Beendigung zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt aufgelöst werde und daher aus diesem Grunde keine Kündigung mehr erforderlich sei. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht habe das Erstgericht keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Beklagte mit der Auflösung des Bestandverhältnisses zum 30.6.1991 tatsächlich einverstanden gewesen sei, weshalb das Ersturteil aufzuheben gewesen sei.

Der gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 567 Abs. 1 ZPO normiert, daß bei Bestandverträgen, welche ohne vorhergegangene Aufkündigung durch Ablauf einer bestimmten Zeit erlöschen, jede Partei noch vor Ablauf der Bestandzeit eine gerichtliche Verfügung beantragen kann, mit der dem Gegner aufgetragen wird, den Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit bei sonstiger Exekution zu übergeben oder zu übernehmen oder gegen einen solchen Auftrag binnen 14 Tagen Einwendungen bei Gericht zu erheben. Während mit der Aufkündigung nach den §§ 560 ff ZPO neben der Beendigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrages auch ein Räumungstitel geschaffen wird, wollte der Gesetzgeber mit dem Übergabsauftrag nach § 567 Abs. 1 ZPO alle auslaufenden Bestandverträge gerichtlich durchsetzbar machen, für deren Beendigung kein einseitiger Willensakt erforderlich ist, weil sie ohnedies entweder auf Grund des Gesetzes oder auf Grund eines Vertrages automatisch mit Zeitablauf enden.

§ 567 ZPO soll die rechtzeitige Räumung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt endenden Bestandverhältnisses sicherstellen. Maßgebend ist daher nur, ob das Bestandverhältnis nach dem Willen der Parteien zu einem bestimmten Zeitpunkt enden soll oder nicht. Wird eine solche Vereinbarung während der aufrechten Bestanddauer wirksam getroffen, so kommt keine Aufkündigung mehr in Frage.

§ 567 ZPO will die Rechte des Vermieters in all jenen Fällen sichern, in denen eine Aufkündigung nicht erforderlich ist. Der Zweck dieser Bestimmung spricht daher für die Anwendbarkeit auch in Fällen, in denen eine Beendigung auch nach Abschluß eines Bestandvertrages auf unbestimmte Zeit vereinbart wurde. Einwendungen des Bestandnehmers bezüglich des Abschlusses oder der Gültigkeit der Vereinbarung über das Ende des Bestandvertrages sind bei einer nachträglichen Vereinbarung ebenso zu prüfen, wie bei einer Vereinbarung, die schon bei Mietvertragsabschluß eingegangen worden sein soll. In dieser Hinsicht ist die Rechtslage in beiden Fällen nicht verschieden, weshalb verfahrensmäßig kein Unterschied besteht und daher die vom Erstgericht geäußerten Bedenken unbegründet sind.

Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27938

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00601.91.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19911128_OGH0002_0070OB00601_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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