Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Prokisch als Schriftführer in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Erik K***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 25. Juni 1991, GZ 10 Vr 995/89-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl.Ing. Erik K***** des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), des Verbrechens der (teils vollendeten,) teils versuchten Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 und § 15 StGB (Punkt 2), des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt 3) sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 StGB (Punkt 4), schuldig erkannt.
Dipl.Ing. Erik K***** liegt nach den Urteilsannahmen zur Last, er habe
1. im Juli 1982 in G***** mit Gewalt mit seiner am 30. November 1970 geborenen Stieftochter Michaela K***** den außerehelichen Beischlaf unternommen;
2. in G***** und L***** Michaela K***** wiederholt mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafes genötigt bzw zu nötigen versucht, und zwar durch die unter 1/ angeführte Tathandlung und in der Zeit von November 1987 bis Sommer 1988, von Weihnachten 1988 bis Sommer 1989 und im September 1989;
3. im Juli 1982 und in den Jahren 1987, 1988 und 1989 wiederholt Michaela K***** durch gefährliche Drohung, teils mit dem Tod, zur Unterlassung der Mitteilung über die unter 1/ und 2/ angeführten Handlungen an andere Personen genötigt;
4. durch die unter 1/ und 2/ angeführten Handlungen sein minderjähriges Stiefkind zur Unzucht mißbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher keine Berechtigung zukommt.
Durch die mit der Verfahrensrüge (Z 4) zunächst relevierte Unterlassung seiner Psychiatrierung kann sich der Angeklagte schon deswegen nicht beschwert erachten, weil der diesbezügliche, am 27.November 1990 gestellte Beweisantrag noch in derselben Hauptverhandlung vom Schöffengericht abgewiesen (vgl S 249) und in der Folge nicht mehr wiederholt wurde
(vgl ua Mayerhofer-Rieder3 II/2 § 281 Z 4 EGr 30 ff).
Auch durch die am 25.Juni 1991 vor Schluß des Beweisverfahrens und Urteilsfällung beantragte (S 316 ff) Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fach der Jugendpsychologie wurde der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt:
Die Würdigung der Aussage der am 30.November 1970 geborenen Michaela K***** oblag gemäß § 258 StPO ausschließlich dem erkennenden Gerichtshof. Die Richter hatten sich auf Grund aller Ergebnisse des Beweisverfahrens über die Verläßlichkeit der belastenden Aussage der genannten Zeugin allein schlüssig zu werden. Den psychischen und charakterlichen entwicklungsbedingten Auffälligkeiten der Zeugin und der besonderen Lage des Falles trug das Schöffengericht durch die
amtswegige - ausnahmsweise - Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen ohnehin Rechnung (vgl ua Mayerhofer-Rieder aaO EGr 117).
Mängel des Gutachtens dieses Sachverständigen iS der §§ 125, 126 StPO wurden von der Verteidigung nicht dargetan.
Da das Schöffengericht den vernommenen Sachverständigen für befähigt erachtete, ein einwandfreies Gutachten zu erstatten und sich Bedenken gegen dieses Gutachten nicht ergaben, stellt sich die gerügte Abweisung des Antrages auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen als im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbarer Akt der Beweiswürdigung dar (vgl ua Mayerhofer-Rieder aaO EGr 133).
Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt:
Daß sich das Schöffengericht mit den nach Auffassung des Angeklagten gegen die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen sprechenden Entwicklungsstörungen (Alltagslügen, Schulprobleme, kleine Diebstähle, mutwillige Zerstörungen etc) nicht auseinandergesetzt und keine näheren Gründe dafür angegeben habe, warum ungeachtet dieser - entgegen der ersichtlichen Auffassung der Beschwerde - ohnehin als erwiesen angesehenen Verhaltensweisen der Michaela K***** Glauben geschenkt wurde, ist urteilsfremd.
Das Schöffengericht legte denkfolgerichtig sowie unter besonderer Berücksichtigung der besonderen Fachkenntnisse des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Dr. Z***** und unter Bedachtnahme auf die Aussage der fachkundigen Zeugin Dr. Ulrike P***** ausführlich und formal mängelfrei dar, aus welchen Erwägungen es die Verantwortung des leugnenden Angeklagten verwarf. Die vom Erstgericht für die in Rede stehenden Feststellungen gegebene Begründung ist zureichend, lebensnah und nimmt auch auf die Divergenzen in den Aussagen der Hauptbelastungszeugin Michaela K***** sowie gewisse protokollierungsbedingte "Ungereimtheiten" (zB ersichtlich auch in der Frage des angeblichen Tatortes Graz) ausdrücklich Bedacht.
Soweit der Beschwerdeführer den vom Erstgericht in Frage gestellten Beweiswert (insbesonders) der Angaben der (mittelbaren) Zeugen Renate K***** und Petra K***** anders als durch die Tatrichter gewichtet wissen will, werden keine Begründungsmängel (Z 5) aufgezeigt.
Dies gilt auch für den Hinweis auf die Aussage des Schuldirektors Dipl.Ing. KO*****, der seinen - in der Beschwerde
zitierten - anfänglichen Eindruck (S 250 f), auf Grund der Mitteilungen des Tatopfers geglaubt zu haben, daß an Michaela K***** vom Angeklagten seit dem Jahr 1982 "fortwährend", und zwar auch in "Graz" der Beischlaf vollzogen worden sei, auf entsprechende Fragen wesentlich relativieren und als bloße subjektive Schlußfolgerungen qualifizieren mußte (vgl S 278 ff iVm der Aussage der Michaela K***** auf S 285).
Daß Michaela K***** - wie die Beschwerde moniert - weder "1983 bzw 1984" noch "im Jahr 1986" bemüht war, von ihrem Stiefvater wegzukommen, bedurfte keiner näheren Erörterung, weil der Angeklagte - den Urteilsannahmen zufolge - zwischen Juli 1982 und November 1987 keine Handlungen verübte, die unter Bedachtnahme auf die familiäre Gesamtsituation eine derartige, den Zusammenhang der engeren Familie in Frage stellende und den subjektiven Interessen der Minderjährigen zuwiderlaufende Maßnahme hätten notwendig erscheinen lassen (vgl in diesem Zusammenhang ua die Seiten 289, 290, 316).
Auf die sinngemäße Behauptung des Angeklagten, daß die zu seinem Nachteil gezogenen Schlüsse nicht zwingend seien und für ihn auch günstigere denkbar wären, vermag der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht gestützt zu werden. Die Mängelrüge erschöpft sich der Sache nach insgesamt in einer Anfechtung der Lösung der Beweisfragen nach Art einer Schuldberufung, die gegen Urteile von Kollegialgerichten nach wie vor nicht zulässig ist.
Auch auf Grund der Tatsachenrüge (Z 5 a) ergeben sich gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Schöffengerichtes keine erheblichen Bedenken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Über die Berufung des Angeklagten wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E26947European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00136.91.1129.000Dokumentnummer
JJT_19911129_OGH0002_0110OS00136_9100000_000