Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Mag. Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Bernhard Prochaska, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. September 1991, GZ 2 R 202/91-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Mai 1991, GZ 12 Cg 31/91-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 3.178,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte erzeugt und vertreibt Geräte zur elektrostatischen Wasserbehandlung. Sie hat für diese Erzeugnisse mit der Behauptung, "sie erzeuge nach ihrem weltpatentierten Verfahren mit großem Erfolg Geräte zur elektrostatischen Wasserbehandlung ohne chemische Mittel" in zwei Tageszeitungen ***** geworben. Für dieses Verfahren besitzt die Beklagte ein europäisches Patent gemäß Art 97 Abs 2 EPÜ für Österreich, Belgien, Schweiz, BRD, Frankreich, Großbritannien, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande und Schweden, ferner ein (nationales) Patent für Spanien. Für außereuropäische Länder wurde der Beklagten bisher kein Patent erteilt.
Die klagende Mitbewerberin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Angabe, ein weltpatentiertes Verfahren für ihre M*****-Geräte zu besitzen, zu unterlassen; außerdem stellt sie ein entsprechendes Veröffentlichungsbegehren. Die beanstandete Behauptung sei irreführend, weil es ein solches Patent nicht gebe; selbst die Bezeichnung "internationales Patent" träfe nur zu, wenn die Beklagte für ihr Verfahren in den bedeutendsten Industrienationen patentrechtlichen Schutz erworben hätte.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe auf Grund des von Österreich ratifizierten (Washingtoner) Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) BGBl 1979/348 für ihre Erfindung einen Patentschutz in den elf bedeutendsten europäischen Industrienationen erworben und durch weitere Anmeldungen in wichtigen außereuropäischen Staaten vorläufigen Patentschutz erlangt. Der Begriff "weltpatentiertes Verfahren" werde von den maßgebenden Verkehrskreisen dahin verstanden, daß der Schutzrechtswerber in den wichtigsten Industrieländern Patentschutz genieße; der Schutz müsse sich nicht auf alle Staaten der Welt erstrecken. Die Beklagte exportiere ihre Erzeugnisse in alle Industriestaaten der Welt und genieße hiefür Weltruf.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter einem "weltpatentierten Verfahren" verstehe der durchschnittliche Verbraucher ein Verfahren, das in den meisten Industriestaaten aller Kontinente Patentschutz genießt. Das treffe hier nicht zu, so daß die Angabe der Beklagten irreführend iS des § 2 UWG sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Der Begriff "weltpatentiert" umfasse schon rein sprachlich nicht nur die Staaten Europas, sondern auch die anderen wesentlichen Industrienationen (in Übersee), wie zB USA, Japan und Kanada. Die Patentanmeldung (für diese außereuropäischen Staaten) könne der Patenterteilung nicht gleichgesetzt werden, weil sie nur vorläufigen Schutz gewähre und viele Patentanmeldungen überhaupt nicht zu einem Patent führten, da die Rechtslage höchst ungewiß sei. Die Beziehung "Weltpatent" bewirke beim Publikum die Vorstellung, daß die Besonderheit und Neuartigkeit der angepriesenen Erzeugnisse weltweit geprüft und der besondere Qualitätsvorteil auch weltweit anerkannt wurde; das Publikum nehme daher eine weltweit anerkannte Neuartigkeit und Besonderheit der angepriesenen Ware an. Die beanstandete Ankündigung sei daher zur Irreführung geeignet.
Die Beklagte bekämpft diese Entscheidung mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt, das Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zwar zulässig (ÖBl 1984, 104 uva), aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Klagebegehren weicht vom Wortlaut der seinerzeitigen Werbebehauptung nur geringfügig ab; entscheidend ist, daß der Beklagten die Berufung auf ein "weltpatentiertes" Verfahren verboten werden soll. Obwohl sich der Patentschutz anscheinend auf das mit Hilfe der M*****-Geräte durchzuführende Verfahren bezieht, hat die Beklagte die Feststellung des Erstgerichtes, daß ihre Geräte "nach einem besonderen Verfahren hergestellt werden", in zweiter Instanz nicht bekämpft.
Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.
Die Beklagte hat die beanstandete Werbebehauptung in Tageszeitungen veröffentlicht und damit (auch) an das in Patentsachen nicht fachkundige allgemeine Publikum gerichtet; für die Frage, ob die Angaben der Beklagten zur Irreführung geeignet sind, kommt es daher auf die Auffassung der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise an. Der Verkehr schließt aus dem angekündigten Patentschutz auf besondere Vorzüge der geschützten Waren oder des geschützten Verfahrens (ÖBl 1960, 27). Bei einem Hinweis auf ein "internationales Patent" oder ein "Weltpatent" wird das Publikum, wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt wurde, annehmen, daß die Besonderheit und Neuartigkeit der angepriesenen Ware weltweit geprüft und durch Schutzgewährung auch weltweit anerkannt wurden. Der Ansicht, daß die Bezeichnung "Weltpatent" oder "weltpatentiertes Verfahren" schon deshalb nicht verwendet werden dürfe, weil es nur voneinander unabhängige nationale Patente, aber kein "Weltpatent" im strengen Sinn gibt (so Lambsdorff-Hamm, Zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Patenthinweisen, GRUR 1985, 244; dagegen zutreffend Benkard, PatG8 Rz 17 zu § 146 dPatG), ist allerdings nicht zu folgen, weil die rechtliche Konstruktion des internationalen Patentschutzes - ob also ein einheitliches Patent oder ein "Bündel" nationaler Patente mit einem (teilweise) vereinheitlichten Anmeldungs- und Erteilungsverfahren vorliegt) - für den Kaufentschluß des Publikums bei patentgeschützten Erzeugnissen in aller Regel ohne Bedeutung sein wird. Insbesondere ist es daher, unerheblich, ob den Schutzrechten eine internationale Anmeldung nach dem PCT oder mehrere Einzelanmeldungen zugrunde liegen (Benkard aaO Rz 17 zu § 146 dPatG).
Das Publikum wird aber auch nicht annehmen, daß ein "Weltpatent" oder ein "internationales Patent" tatsächlich in allen Staaten der Erde - also auch in solchen, die noch kein hochentwickeltes Rechtswesen mit Immaterialgüterrechtsschutz besitzen - Schutz genießt; es wird aber erwarten, daß sich der Patentschutz eines "Weltpatents" (mindestens) auf alle für den Wettbewerb bedeutsamen Industrienationen erstreckt (Benkard aaO Rz 17 zu § 146 dPatG; auch Rz 29 zur Werbung mit dem Begriff "Europapatent").
Vor der Erteilung eines Patents sind Hinweise, die den Eindruck erwecken, das Schutzrecht sei bereits erteilt, unzulässig (Benkard aaO Rz 29 zu § 146 dPatG). Das gilt vor der Bekanntmachung der Patentanmeldung sogar für den der Wahrheit entsprechenden Hinweis, daß ein "Patent angemeldet" wurde, weil die Eignung zur Irreführung schon dann anzunehmen ist, wenn einer Angabe von den angesprochenen Verkehrskreisen etwas Unwahres entnommen werden kann, obwohl sie objektiv richtig ist; der Hinweis auf die Patentanmeldung kann aber als Hinweis auf einen mindestens vorläufigen patentrechtlichen Schutz verstanden werden (ÖBl 1976, 38 mwN; s auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16 Rz 170 bis 172; Benkard aaO Rz 19 bis 22 zu § 146 dPatG). Umso weniger kann sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen, daß ihr Hinweis auf erteilte außereuropäische Patente zur Irreführung des Publikums nicht (mehr) geeignet sei, weil sie durch eine Reihe bereits weitgehend behandelter Patentanmeldungen nach dem PCT vorläufigen Patentschutz auch in außereuropäischen Industriestaaten erlangt habe (vgl dazu Benkard aaO Einl PatG Rz 27; Rz 21 zu § 146 PatG). Diese Anmeldungen ändern nichts daran, daß das Publikum über das Fehlen eines endgültigen Patentschutzes getäuscht wird und einem für den Kaufentschluß kausalen Irrtum unterliegen kann, weil viele Patentanmeldungen nicht zur Erteilung eines Patentes führen und die Rechtslage bis zur Erteilung ungewiß ist (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 171 zu § 3 dUWG; ÖBl 1976, 38). Das gilt auch für veröffentlichte internationale Anmeldungen nach dem PCT, weil dieses Abkommen lediglich das Anmeldeverfahren für internationale Patentanmeldungen und die Neuheitsrecherche vereinheitlicht, die endgültige Prüfung der internationalen Anmeldung und die Erteilung des Schutzrechtes jedoch in jedem der vom Anmelder benannten Vertragsstaaten gesondert nach dem dort geltenden Patentrecht erfolgt (Benkard aaO Einl. PatG Rz 25). Im übrigen sind die Wirkungen der internationalen Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung, was den Schutz der Rechte des Anmelders in einem Bestimmungsstaat betrifft, die gleichen, wie sie nach dem nationalen Recht dieses Bestimmungsstaates der gesetzlich vorgeschriebenen inländischen Veröffentlichung einer ungeprüften nationalen Anmeldung zukommen (Art 29 Abs 1 PCT; siehe dagegen § 101 PatG). Auf die Frage, wie weit die PCT-Anmeldungen der Beklagten für wichtige außereuropäische Industrienationen fortgeschritten sind und wann mit einer Patenterteilung zu rechnen ist, braucht daher nicht eingegangen zu werden. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz war die Bezeichnung "weltpatentiertes Verfahren" jedenfalls zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet. Auf eine Irreführungsabsicht der Beklagten kommt es ebensowenig an wie darauf, ob tatsächlich bereits Irrtümer vorgekommen sind (ÖBl 1977, 30; ÖBl 1980, 73; ÖBl 1984, 135 uva; ÖBl 1989, 30 ua).
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E27730European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00121.91.1203.000Dokumentnummer
JJT_19911203_OGH0002_0040OB00121_9100000_000