Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erhard Unterberger und Jürgen Mühlhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. W***** R*****, Angestellter, 2. H***** R*****, Angestellte, ***** 3. F***** B*****, Angestellter, ***** alle vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei G***** B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen 887.851 S, 569.550,86 S und 654.460,30 S brutto sA (Gesamtstreitwert 2,111.862,10), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 1991, GZ 31 Ra 48/91-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.Jänner 1991, GZ 5 Cga 15, 16 und 17/90-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei je ein Drittel der mit 26.934,42 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.489,07 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Den Ausführungen der Revisionswerber ist ergänzend noch folgendes zu erwidern:
Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ist die Verletzung der dienstlichen Treuepflicht nicht in jedem Fall als Untreue im Sinn des § 27 Z 1 erster Fall AngG zu beurteilen. Untreue im Dienst ist nur ein vorsätzlicher und pflichtwidriger Verstoß gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers, wobei der Vorsatz nicht nur auf das den Verstoß begründende Verhalten gerichtet sein muß, sondern auch die Richtung dieses Verstoßes - die Gefährdung der dienstlichen Interessen des Arbeitgebers - umfassen muß (Kuderna, Entlassungsrecht 85). Fällt dem Angestellten nur fahrlässige Gefährdung betrieblicher Interessen zur Last, dann ist das Verhalten nicht dem ersten, sondern dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG zuzuordnen (siehe Kuderna aaO 88 f).
Tatbestandsobjekt kann jede Handlung oder Unterlassung des Angestellten sein, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Dienstverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens eines Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt, weil zu befürchten ist, daß der Angestellte seine Pflicht nicht mehr getreulich erfüllen werde, so daß die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Die Treue ist als Korrelat zu dem Vertrauen anzusehen, das der Arbeitgeber dem Angestellten durch Einblicke in die Angelegenheiten seines Geschäftsbetriebes oder seiner Produktionsweise sowie durch Überlassung der Verfügung über Arbeitsmaterial oder geschäftliche Unterlagen - im vorliegenden Fall etwa Rentabilitätsberechnungen - u.dgl. gewährt. Da dem leitenden Angestellten im allgemeinen ein umfassenderer Einblick in die Betriebs- und Geschäftsstruktur gewährt und ihm damit vom Arbeitgeber mehr anvertraut wird als einem Angestellten in untergeordneter Position, sind an das Verhalten des Angestellten in leitender Stellung insoweit strengere Anforderungen zu stellen. Der Angestellte, der zum Träger fremder betrieblicher und geschäftlicher Interessen geworden ist, ist verpflichtet, diese Interessen seines Arbeitgebers wahrzunehmen und alles zu unterlassen, was diese Interessen zu gefährden geeignet ist (siehe Petrovic, Die Vertrauensunwürdigkeit als Entlassungsgrund nach § 27 Abs. 1 letzter Satz AngG, ZAS 1983 49 ff [50]).
Auch wenn die Kläger aufgrund der im Auftrag der beklagten Partei angestellten Berechnungen überzeugt waren, die beklagte Partei werde die Backwarenerzeugung in Amstetten schließen, verletzten sie mit der Weitergabe dieser aus den ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit als leitende Angestellte zugänglichen geschäftlichen Unterlagen erschlossenen Absicht der beklagten Partei an deren Hausbank unter gleichzeitiger Erkundung der Kreditmöglichkeiten für die Gründung eines eigenen Unternehmens in dieser Branche - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - zumindest fahrlässig ihre Treuepflicht gegenüber der beklagten Partei. Diese - objektiv unrichtige - Mitteilung war nämlich geeignet, den wirtschaftlichen Ruf der beklagten Partei und ihre Beziehungen zu ihrer örtlichen Hausbank und damit erhebliche Interessen der beklagten Partei zu gefährden. Petrovic aaO 54 ist darin beizupflichten, daß insbesondere Äußerungen, die den Fortbestand eines Unternehmens oder Betriebes in Zweifel ziehen, dem Unternehmen abträglich sind, wobei noch hinzukommt, daß derartige Erklärungen eher ernst genommen werden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - von leitenden Angestellten abgegeben werden. Daß dieses Verhalten bei Anlegung eines objektiven Maßstabes geeignet war, das Vertrauen des Arbeitgebers zu erschüttern, hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt sind zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 27 Z 1 letzter Satz AngG nicht erforderlich (siehe SZ 58/94 mwH).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E27805European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00208.91.1204.000Dokumentnummer
JJT_19911204_OGH0002_009OBA00208_9100000_000