Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin STADTGEMEINDE K*****, vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Antragsgegner A) 1.) Maria S*****, 2.) Gertrude B*****, 3.) Maria K*****, 4.) Monika W*****,
5.)
Elisabeth T*****, 6.) Ernst B*****, 7.) Christine B*****,
8.)
Margit L*****, 9.) Andrea S*****, 10.) Adolf E*****,
11.)
Maria T*****, 12.) Franziska W*****, 13.) Karl J***** und
14.)
Paul U*****, alle Mieter des Hauses K*****straße 29, *****die Erstantragsgegnerin vertreten durch den
14. Antragsgegner, der 14. Antragsgegner vertreten durch Dr. Karl Hanusch, Rechtsanwalt in Leoben, sowie B) Mieter der Häuser *****K*****straße 31, 33, 35 und 37 sowie F*****allee 28, 30, 32 und 34, wegen §§ 18 ff MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners Paul U*****, gegen den Beschluß und (Teil)Sachbeschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 28. Jänner 1991, GZ R 767/90, 90 bis 99/91-254, womit der Teilsachbeschluß des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 11. Juli 1990, GZ Msch 10/85-243, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben sowie ferner die Teilsachbeschlüsse des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 11. Dezember 1986, 1. April 1987, 26. Februar 1988, 12. April 1988, 4. Mai 1988, 17. Oktober 1988 und 10. Juli 1989, Msch 10/85-22 bis 25, 111, 153, 165, 170, 192 und 212, aufgehoben wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der bestätigende Teil des angefochtenen Beschlusses wird dahin abgeändert, daß auch insofern der Teilsachbeschluß des Bezirksgerichtes Knittelfeld (ON 243) aufgehoben wird. Hingegen wird der aufhebende Teil des angefochtenen Beschlusses bestätigt. Die Anträge der Parteien auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ***** des Grundbuches*****, auf der sich die Häuser K*****straße 29, 31, 33, 35 und 37 sowie F*****allee 28, 30, 32 und 34 befinden.
Die Antragsgegner sind (bzw. waren zu Verfahrensbeginn) Mieter in diesen Häusern, davon die im Kopf unter A) angeführten Personen Mieter des Hauses K*****straße 29.
Die Antragstellerin stellte einen auf die §§ 18 ff MRG gestützten Antrag mit der Begründung, die gesamte Nutzfläche der Wohnungen der 107 Mieter dieser Objekte betrage 4.341,58 m2, der monatliche Hauptmietzins S 1,39/m2 = zusammen S 6.061,51. Eine Mietzinsreserve sei nicht vorhanden. Das Gesamterfordernis für die Durchführung dringend notwendiger Instandsetzungsarbeiten mache S 24,976.113,07 aus.
Ein Teil der in verschiedenen Häusern wohnenden Antragsgegner beantragte Abweisung des Antrages auf Hauptmietzinserhöhung (ON 11).
Das Erstgericht hat
a) im Zuge des Verfahrens bezüglich aller Mieter, die mittels schriftlicher Erklärung die Notwendigkeit der geltend gemachten Erhaltungsarbeiten und die daraus resultierende Hauptmietzinserhöhung auf S 24,40 pro Monat mit 30jähriger Laufzeit anerkannt hatten, mittels eines jeweils nur den anerkennenden Mieter betreffenden (Teil)Sachbeschlusses diese Hauptmietzinserhöhung ab 1. 11. 1985 bewilligt, darunter auch bezüglich der unter A) 2. bis 10. und 12. genannten Mieter des Hauses K*****straße 29 (ON 22 bis 25, 111, 153, 165, 170, 192 und 212);
b) mit dem (Teil)Sachbeschluß ON 243 in dessen Punkt A) 1. bis 16. die unbedingte Notwendigkeit bestimmter Erhaltungsarbeiten im Hause K*****straße 29 festgestellt und in dessen Punkt B) die zulässige Hauptmietzinserhöhung, getrennt für die einzelnen Bestandobjekte dieses Hauses, ausgesprochen, und zwar auch bezüglich derjenigen Antragsgegner, die bereits von den oben genannten gesonderten Teilsachbeschlüssen betroffen waren.
Zur Entscheidung nur bezüglich das Haus K*****straße 29 sah sich das Erstgericht veranlaßt, weil das eingeholte Sachverständigengutachten (ON 215) - in Übereinstimmung mit einzelnen Antragsgegnern dieses Hauses - davon ausging, daß die durch gesonderte Orientierungsnummern ausgewiesenen Objekte je eine eigene wirtschaftliche Einheit darstellten, nämlich von den übrigen Objekten wirtschaftlich unabhängig seien (S. 3 des Gutachtens ON 215). Das Erstgericht hatte vor der Entscheidung diesen Umstand mit den Parteien nicht erörtert.
Das Erstgericht ging in seiner Entscheidung von der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Hauses K*****straße 29 aus; es stellte seinen dieses Haus betreffenden (Teil)Sachbeschluß nur der Antragstellerin und den Mietern dieses Hauses zu, nicht aber den Mietern der anderen, vom einheitlichen Antrag der Antragstellerin betroffenen Häuser.
Das Rekursgericht bestätigte Punkt A) des Teilsachbeschlusses ON 243 teilweise und hob ihn im übrigen - wie sich aus der Begründung ergibt: zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung - auf; ebenso hob es die das Haus K*****straße 29 betreffenden Teilsachbeschlüsse ON 22 bis 25, 111, 153, 165, 170, 192 und 212 auf.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Da das Haus K*****straße 29 eine wirtschaftliche Einheit bilde, könne es auch Gegenstand gesonderter Entscheidung werden, auch wenn eine formelle Änderung des Antrages durch die Antragstellerin nicht erfolgte. Da aber - abgesehen von dem bestätigten Teil des Punktes A) - der Sachbeschluß ON 243 (aus Gründen, die hier nicht wiedergegeben werden müssen) aufzuheben sei, müßten auch die die anderen Mieter des Hauses K*****straße 29 betreffenden Teilsachbeschlüsse aufgehoben werden, weil bei Bekämpfung einer Entscheidung nach den §§ 18 ff MRG auch nur durch einen Mieter keine Teilrechtskraft bezüglich der anderen eintreten könne. Da die übrigen Häuser aber keine wirtschaftliche Einheit mit dem Haus K*****straße 29 bildeten, könnten die diese Häuser betreffenden Sachbeschlüsse in einem nur das Haus K*****straße 29 betreffenden Verfahren nicht überprüft werden. Sie blieben daher von der rekursgerichtlichen Entscheidung unberührt.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Frage, ob bei nicht ausdrücklicher Einschränkung eines bezüglich mehrerer Häuser gestellten einheitlichen Antrages nach §§ 18 ff MRG dennoch die Entscheidung nur bezüglich eines einzelnen Objektes ergehen könne, wenn sich die wirtschaftliche Selbständigkeit desselben herausstelle, zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners Paul U***** mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der gesamte Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde.
Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zur Zulässigkeit:
Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teilsachbeschluß hinsichtlich eines von mehreren Häusern eines Grundbuchskörpers zulässig ist, wenn der Antrag bezüglich aller Häuser dieser Liegenschaft als Gesamtheit gestellt wurde und sich im Zuge des Verfahrens die wirtschaftliche Selbständigkeit eines oder aller dieser Objekte herausstellt, fehlt eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die in MietSlg. 39.365 veröffentlichte Entscheidung sprach nur aus, daß die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens vor Gericht auch dann gegeben ist, wenn sich die Notwendigkeit der Aufgliederung eines einheitlich gestellten Antrages nach den §§ 18 ff MRG erst bei Gericht herausstellt und der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Trennung so nachkommt, daß es sich ergibt, daß der einheitliche Antrag nur eine Verbindung von Einzelanträgen darstellte. Überdies folgte das Rekursgericht nicht einmal dieser Entscheidung, verneinte es doch die Notwendigkeit der ausdrücklichen Antragsänderung.
2.) Zur Sachentscheidung:
Der Revisionsrekurswerber vertritt im wesentlichen die Ansicht, daß durch die Inanspruchnahme der Mieter aller Häuser dieses Grundbuchskörpers zwischen der Antragstellerin und allen diesen Mietern als notwendige Streitgenossen ein Prozeßrechtsverhältnis derart begründet worden sei, daß eine Sachentscheidung bloß gegenüber den Mietern eines dieser Häuser auch dann ausgeschlossen sei, wenn sich im Zuge des Verfahrens herausstellte, daß dieses Haus eine selbständige wirtschaftliche Einheit, unabhängig von den anderen Häusern, bildet. In einem solchen Fall müsse vielmehr der ganze, als Einheit zu behandelnde Antrag abgewiesen werden.
Der Oberste Gerichtshof hat zu diesem Problemkreis folgendes erwogen:
Anträge nach den §§ 18 ff MRG haben im Regelfall unter Berücksichtigung aller vermietbaren Teile eines Grundbuchskörpers (Haus = Liegenschaft = Grundbuchskörper) zu erfolgen, sodaß in einem solchen Verfahren allen Mietern von auf dieser Liegenschaft befindlichen Mietgegenständen Parteistellung zukommt (MietSlg. 38.379, 38.543 uva). Nach der Rechtsprechung (MietSlg. 38.379 mwN) ist eine Ausnahme von der Regel in den Fällen zu machen, in denen mehrere abgesonderte Gebäude vorhanden sind, die zueinander nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache stehen und von denen jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Sache bildet, so daß die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Gleichstellung aller auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke unbillig erscheinen ließen. Demnach sind getrennte selbständige Hauptmietzinserhöhungsverfahren für Objekte auf einer Liegenschaft durchzuführen, wenn es sich um tatsächlich und wirtschaftlich getrennte Häuser handelt, deren Verwaltung getrennt geführt werden könnte, und vor allem ein unterschiedlicher Erhaltungszustand vorliegt, der eine gemeinsame Behandlung unbillig erscheinen läßt (MietSlg. 39.365). Parteistellung auf Antragsgegnerseite haben in einem solchen Fall alle Mieter des betreffenden einzelnen Hauses. Selbstverständlich besteht auch kein Hindernis, mehrere solche selbständige Anträge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich in materiellrechtlicher und prozeßrechtlicher Hinsicht um selbständig zu beurteilende Rechtssachen handelt. Daraus folgerte die Rechtsprechung, daß dann, wenn sich die Notwendigkeit der Aufgliederung eines einheitlich gestellten Antrages nach den §§ 18 ff MRG erst bei Gericht herausstellt und der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Trennung so nachkommt, daß es sich ergibt, daß der einheitliche Antrag nur eine Verbindung von Einzelanträgen darstellte, weiterhin die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens vor Gericht schon wegen des ursprünglich einheitlich gestellten Antrages bei der Schlichtungsstelle gegeben sei (MietSlg. 39.365). Sollte der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Trennung der Anträge entsprechend der materiellen Rechtslage nicht nachkommen, so müßte - nach Erörterung dieses Problemkreises mit den Parteien - zwar weiterhin in einem einheitlichen Verfahren entschieden werden. Die Entscheidung selbst müßte aber in materiellrechtlicher Hinsicht die für die einzelnen wirtschaftlich selbständigen Häuser zulässigen Hauptmietzinserhöhungen so aussprechen, wie es der materiellen Rechtslage betreffend jedes einzelne Haus entspricht. An der Parteistellung aller Mieter als Antragsgegner in diesem formell weiterhin einheitlichen Verfahren änderte sich dadurch nichts.
Kommt hingegen der Vermieter seiner der materiellen Rechtslage entsprechenden Trennungspflicht nach, so liegen in der Folge getrennte (bloß zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene) Verfahren vor, wie wenn die Anträge von vornherein getrennt gestellt worden wären. Das entspricht dem Ergebnis, das erzielt würde, wenn der Antragsteller seinen ursprünglich gemeinsam gestellten Antrag zurückzöge und dann getrennte Anträge neu einbrächte. Im Falle der Trennung der Anträge während des Verfahrens ändert sich die Parteistellung der Antragsgegner daher folgerichtig dahin, daß nur noch den Mietern des jeweiligen Hauses Parteistellung als Antragsgegner in dem nur dieses Haus betreffenden Verfahren zukommt.
Wie vorzugehen wäre, wenn sich bei ursprünglich getrennt gestellten Anträgen im Laufe des Verfahrens herausstellt, daß tatsächlich eine wirtschaftliche Einheit zwischen allen Objekten desselben Grundbuchskörpers gegeben ist, braucht im Rahmen dieser Entscheidung nicht untersucht werden.
Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, daß für die wirtschaftliche Selbständigkeit der auf der EZ***** des Grundbuches***** befindliche Häuser nur Indizien vorliegen, nämlich der vom Sachverständigen festgestellte selbständige Eingang (für sich allein kein ausreichendes Merkmal wirtschaftlicher Selbständigkeit) und die von einzelnen Mietern bei dem vom Sachverständigen durchgeführten Ortsaugenschein abgegebenen Erklärungen. Das Erstgericht hätte daher sowohl zur Klärung der Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit der einzelnen Häuser als auch deswegen, um der Antragstellerin Gelegenheit zur allfälligen Trennung ihrer Anträge im oben dargelegten Sinn zu geben, diese Fragen mit den Parteien vor seiner Entscheidung erörtern müssen. Da dies nicht geschah, hat es einerseits bei der vom Rekursgericht bereits vorgenommenen Aufhebung von Teilsachbeschlüssen - um solche handelt es sich in Wahrheit bei den vom Erstgericht als Sachbeschlüsse schlechthin bezeichneten, bloß einzelne Antragsgegner oder doch nur die Antragsgegner eines einzelnen Objektes betreffenden Entscheidungen - zu verbleiben; anderseits ist aus demselben Grund auch der vom Rekursgericht bestätigte Teil (des Punktes A) des alle Antragsgegner des Hauses K*****straße 29 betreffenden Sachbeschlusses ON 243 aufzuheben.
Unberührt von dieser Revisionsrekursentscheidung können jedoch im derzeitigen Verfahrensstadium die bloß einzelne Antragsgegner der anderen Häuser betreffenden (Teil)Sachbeschlüsse bleiben. Dies entspricht der Prozeßökonomie im Falle der Trennung der Verfahren.
Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht die Frage der Trennung der Anträge im oben aufgezeigten Sinn mit den Parteien zu erörtern und sodann je nach dem Ergebnis der Erörterung und der zur Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Häuser gegebenenfalls noch aufzunehmenden Beweise neuerlich zu entscheiden haben.
Ob infolge der bereits erfolgten Durchführung der Arbeiten noch Feststellungen über deren Qualifikation als Erhaltungsarbeiten getroffen werden können, hängt von den Ergebnissen des Beweisverfahrens ab. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers hat sich damit der Oberste Gerichtshof, der auch im Verfahren nach § 37 MRG nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu beschäftigen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Ein Kostenvorbehalt war nicht auszusprechen, weil für den Revisionsrekurs und seine Beantwortung nur Rechtsanwaltskosten verzeichnet wurden, für deren Zuspruch die Voraussetzungen - mutwillige Stellung nicht gerechtfertigter Anträge - keinesfalls gegeben sind.
Anmerkung
E27753European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00028.91.1210.000Dokumentnummer
JJT_19911210_OGH0002_0050OB00028_9100000_000