TE OGH 1991/12/11 2Ob577/91

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Veröffentlicht am 11.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa S*****, vertreten durch Dr.Roger Haarmann und Dr.Bärbl Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, wider die beklagten Parteien

1.) Christian K*****, und 2.) Katharina K*****, beide vertreten durch Dr.Roderich Santner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen

S 253.188,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1991, GZ R 420/91-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Murau vom 14. Februar 1991, GZ 2 C 202/90x-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einbeziehung des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt neu zu lauten hat:

"Die eingeklagte Forderung besteht mit S 253.188,-- zu Recht. Die Gegenforderung der beklagten Parteien besteht bis zu dieser Höhe nicht zu Recht.

Die beklagten Parteien sind daher zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 253.188,-- samt 4 % Zinsen seit 31.3.1990 binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 93.702,10 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 6.700,-- Barauslagen und S 14.500,35 Umsatzsteuer), die mit S 14.893,96 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 4.000,-- Barauslagen und S 1.815,66 Umsatzsteuer) und die mit S 10.094,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 5.000,-- Barauslagen und S 849,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten pachteten im Jahr 1971 von den Eltern der Klägerin einen landwirtschaftlichen Betrieb. Nach Übergabe des landwirtschaftlichen Besitzes an die Klägerin schloß diese im Jahr 1973 mit den Beklagten einen neuen Pachtvertrag, in welchem festgehalten wurde, daß der seinerzeit errichtete Pachtvertrag grundsätzlich bestehen bleibe, einige Punkte wurden jedoch geändert. So vereinbarten die Parteien, daß bei Beendigung des Pachtverhältnisses sämtliche vom Pächter durchgeführten Investitionen entschädigungslos in das Eigentum des Verpächters übergehen. Das Pachtverhältnis endete am 31.3.1990. Der Klägerin steht aus diesem Pachtverhältnis gegen die Beklagten eine Forderung von S 253.188,-- zu.

Die Beklagten wendeten gegen diese von der Klägerin geltend gemachte Forderung eine Gegenforderung mit folgender Begründung ein: Die Pächter hätten einen Betrieb mit einer jährlichen Milchleistung von etwa 7000 Liter übernommen. Während des Bestandverhältnisses, nämlich in den Jahren 1976 bis 1978, sei infolge der Änderung der Milchwirtschaftspolitik die sogenannte Kontingenteinstufung für landwirtschaftliche Betriebe vorgenommen worden, wobei für "Überlieferungen" lediglich ein Betrag von S 1,-- pro Liter ausgezahlt werde. Die beklagten Parteien hätten durch eigenen Fleiß, Aufstockung des Viehbestandes und erhebliche Investitionen ein Jahreskontingent von 34.200 Liter im Zeitpunkt der Pachtvertragsendigung erzielt. Die Klägerin könne dieses Kontingent entweder selbst gewinnbringend im Rahmen der Bewirtschaftung ihres Hofes nutzen oder durch einen weiteren Pächter nutzen lassen. Die Klägerin könne aber auch durch Verkauf dieses Kontingentes einen Erlös von ca. S 380.000,- erzielen. Die Differenz zwischen der seinerzeitigen Liefermenge von 7000 Liter und dem Kontingent von 34.200 Liter jeweils pro Jahr repräsentierte einen Verkehrswert von ca. S 300.000,--. Bei diesem Mehrwert handle es sich um einen nicht bloß nützlichen, sondern für die Existenz des Betriebes notwendigen Aufwand seitens der Beklagten als Pächter. Die klagende Partei sei überdies durch den Wert des Milchkontingentes bereichert.

Die Klägerin bestritt die Gegenforderung und brachte vor, die Beklagten seien verpflichtet gewesen, die Liegenschaft wie gute Landwirte zu führen. Das erwirtschaftete Milchkontingent sei von dieser Betriebspflicht umfaßt und entspreche einem landwirtschaftlichen Betrieb dieser Größe, weshalb daraus keine Gegenforderung resultieren könne. Bei dem von den Beklagten erwirtschafteten Milchkontingent handle es sich um eine für die Existenz des Betriebes notwendige Aufwendung, welche bei Beendigung des Pachtverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum der Klägerin übergehen sollte. Selbst wenn aber den beklagten Parteien, aus welchen Gründen immer, ein Anspruch auf das Milchkontingent zustehe, müßten sie sich jenen Profit anrechnen lassen, den sie selbst aus diesem Milchkontingent bis zur Beendigung des Pachtverhältnisses erzielt hätten.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 253.188,-- und die Gegenforderung mit S 99.060,-- zu Recht bestehe und die Beklagten daher zur ungeteilten Hand schuldig seien, der Klägerin den Betrag von S 154.128,-- samt 4 % Zinsen seit 31.3.1990 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 99.060,-- wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Beklagten führten den Betrieb als Milch- und Rinderzuchtbetrieb. Ein derartiger Betrieb läßt in dem Bereich, in dem der gepachtete Betrieb liegt, die sichersten und nachhaltigsten Erträgnisse erwarten. Die Beklagten hielten im Durchschnitt 35 bis 40 Stück Rinder, davon 11 bis 14 Milchkühe. Bis 30.6.1978 konnte sämtliche am Hof produzierte Milch - sofern sie den Qualitätskriterien entsprach - zum gleichen Preis verkauft werden. Aufgrund der von den Beklagten in der Zeit vom 1.5.1976 bis 30.4.1978 gelieferten Milch wurde aufgrund der MOG-Novelle 1978 für den Pachtbetrieb eine (zu einem garantierten Preis abzunehmende) Einzelrichtmenge von 26.580 kg für den Zeitraum 1.7.1978 bis 30.6.1979 festgesetzt. Im Verhältnis zu diesem Grundkontingent erbrachten die Beklagten in den folgenden Jahren nachstehende Leistungen:

Wirtschaftsjahr 1978/79

Unterlieferung von                             1.249 kg

Wirtschaftsjahr 1979/80

Überlieferung von                              5.481 kg

Richtmengenerhöhung                            1.128 kg

Wirtschaftsjahr 1980/81

Überlieferung von                              6.673 kg

Richtmengenerhöhung                            1.284 kg

Wirtschaftsjahr 1981/82

Überlieferung von                              5.562 kg

Richtmengenerhöhung                            2.436 kg

Wirtschaftsjahr 1982/83

Unterlieferung                                   660 kg

Wirtschaftsjahr 1983/84

Überlieferung von                              7.407 kg

Richtmengenerhöhung                            2.772 kg.

Seither erfolgte keine für eine Erhöhung der Einzelrichtmenge ausreichende Überlieferung mehr. Zum 30.3.1990 wurde die Einzelrichtmenge mit 34.200 kg festgesetzt. Die von den Beklagten erbrachten "Überlieferungen" waren auf einen besonderen Fleiß, der über die durchschnittliche Betriebsführung hinausreicht, zurückzuführen. Einem Landwirt mit durchschnittlicher Sorgfaltsverpflichtung ist eine ständige "Überlieferung" pro Jahr nicht zuzumuten. Der im Gebiet des gepachteten Betriebes bezahlte Betrag für die Übertragung einer Einzelrichtmenge beträgt S 13,-- pro übertragenem Kilogramm incl. Umsatzsteuer. Der Verkehrswert der Einzelrichtmenge beträgt unter Berücksichtigung eines 15 %igen Abzuges bei Übertragung S 377.988,--, der Verkehrswert der durch die "Überlieferung" zuerkannten Einzelrichtmenge von 7620 kg S 99.080,40. Eine Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebes als Vollerwerbsbetrieb ist ohne Milchkontingent nicht möglich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, gemäß den §§ 1096 f ABGB seien den Beklagten als Bestandnehmer die notwendigen oder nützlichen Investitionen zu ersetzen. Auch wenn man berücksichtige, daß nach dem Pachtvertrag sämtliche Investitionen entschädigungslos in das Eigentum des Verpächters übergehen, ergebe sich, daß das durch die Überlieferung erworbene Milchkontingent als nachhaltige Investition qualifiziert werden müsse und zumindest in diesem Ausmaß nach § 879 ABGB nicht abbedungen werden könne. Die Zuerkennung der Einzelrichtmenge im Ausmaß von 26.580 kg entspreche als bloß durch durchschnittlichen Fleiß erworbene Leistung der Verpflichtung der Beklagten, den gepachteten Betrieb entsprechend der Zweckbestimmung mit Fleiß und Mühe zu benützen. Der Einwand der Beklagten auf Bereicherung gehe daher zumindest für das Ausmaß der zuerkannten Einzelrichtmenge von 26.580 kg ins Leere, da sich dieses Milchkontingent als für die Weiterführung notwendig erweise und daher die Bestandsache nur dann als in ordnungsgemäßem Zustand zurückgestellt bezeichnet werden könne, wenn sie mit dem zumindest notwendigen Milchkontingent versehen sei. Da die Beklagten nach § 1091 ABGB zur ordnungsgemäßen Betriebsführung verpflichtet seien, könnten sie hiefür keine Ansprüche stellen. Da aber die klagende Partei lediglich den Anspruch auf durchschnittlichen Fleiß und Eifer und damit im Ergebnis nur auf die Zuerkennung eines durchschnittlichen Milchkontingentes habe, sei ihr nur die Einzelrichtmenge im Ausmaß von 26.580 kg zuzuerkennen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es führte aus, die Bestimmungen der §§ 1096 f ABGB seien nicht direkt anwendbar, weil sie sich auf Gebäude, Anlagen etc. bezögen. Es wäre daher auch ein Verzicht auf einen Ersatzanspruch nach diesen Bestimmungen unerheblich. Da die Frage, was mit dem Milchkontingent nach Beendigung des Pachtverhältnisses zu geschehen habe, vertraglich nicht geregelt worden sei und auch nicht auf eine bestimmte Absicht der Parteien geschlossen werden könne, bedürfe es einer ergänzenden Vertragsauslegung. Es sei unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten. Nach § 1109 ABGB habe der Bestandnehmer die Sache in dem Zustand zurückzustellen, wie er sie übernommen habe. Es entspräche der Übung des redlichen Verkehrs, daß die Beklagten den Pachtgegenstand einschließlich des Grundkontingentes an Milch von

26.580 kg pro Jahr zurückstellen. Die darüberhinausgehenden 7620 kg seien aber der Gegenwert des besonderen Fleißes der Beklagten, wie dies auf andere Erträgnisse zutreffe. Es werde wohl kaum bestritten werden, daß zum Beispiel am Pachtobjekt vorhandene Tiere, die über die im Inventar festgesetzte Anzahl hinausgingen, am Ende des Pachtverhältnisses nicht dem Verpächter zu übergeben seien.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht besteht und die Beklagten daher schuldig sind, der Klägerin die Klagsforderung von S 253.188,-- s.A. zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Ein allgemeiner Anspruch des Pächters, an einer durch seine Tätigkeit herbeigeführten Wertsteigerung des gepachteten Betriebes teilzuhaben, besteht nicht. Hat der Pächter auf das Bestandstück einen nützlichen Aufwand gemacht, wird er allerdings gemäß § 1097 ABGB als Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet und hat einen Anspruch auf Aufwandersatz. Dieser Anspruch kann aber nicht höher sein als der tatsächliche Aufwand (JBl 1989, 527), auch wenn der dadurch bewirkte Vorteil für den Bestandgeber größer ist. Ein Verzicht auf Ersatz derartiger Aufwendungen ist schon von vornherein zulässig (Würth in Rummel2, Rz 6 zu § 1097; ImmZ 1990, 6; 7 Ob 600/89 ua). Ein solcher Verzicht erfolgte im vorliegenden Fall, weil vereinbart wurde, daß sämtliche vom Pächter durchgeführten Investitionen entschädigungslos in das Eigentum des Verpächters übergehen. Die Wirtschaftsführung durch die Beklagten, die zu einer Erhöhung des Milchkontingentes führte, kann allerdings nicht als Aufwand auf das Bestandstück angesehen werden, eine unmittelbare Anwendung des § 1097 ABGB wäre daher ohnedies nicht möglich.

Da das österreichische Recht auch keinen allgemeinen Bereicherungsanspruch kennt (SZ 31/150; JBl 1988, 784 uva), bleibt nur noch zu prüfen, ob eine ergänzende Vertragsauslegung einen Anspruch des Klägers aufgrund der Erhöhung des Milchkontingentes begründen könnte. Als Mittel ergänzender Auslegung kommen in Betracht der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs sowie Treu und Glauben (Rummel in Rummel2, Rz 11 ff zu § 914 mwN). Da die Parteien sogar einen nach der dispositiven Bestimmung des § 1097 ABGB bestehenden Anspruch ausschlossen, kann von einem hypothetischen Willen, einen Anspruch der Pächter, der im Gesetz nicht vorgesehen ist, zu begründen, auf keinen Fall ausgegangen werden. Eine Verkehrsübung wurde weder behauptet noch festgestellt, eine solche kann daher bei ergänzender Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden (vgl Rummel aaO, Rz 24). Aber auch der Grundsatz von Treu und Glauben kann nicht zu einer ergänzenden Auslegung im Sinne der Ansicht der Beklagten führen.

Aus diesen Gründen können die Beklagten keinen Anspruch gegen die Klägerin aus der Erhöhung des Milchkontingentes während der Pachtzeit ableiten, weshalb die Gegenforderung nicht zu Recht besteht.

Der Revision war daher Folge zu geben, die Entscheidung war im Sinne des Revisionsantrages abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO. (Der Schriftsatz vom 28.8.1990 war als unzulässig nicht zu honorieren, der Schriftsatz vom 23.10.1991 nur nach Tarifpost 1.)

Anmerkung

E27992

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00577.91.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19911211_OGH0002_0020OB00577_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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