TE OGH 1991/12/18 13Os116/91

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef B***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und 13 FinStrG sowie des Finanzvergehens nach dem § 303 Abs. 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 8. August 1989, GZ 34 b Vr 275/89-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des teils vollendeten, teils versuchten Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs. 1, 13 FinStrG sowie des Finanzvergehens nach dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG

(Punkt 1.und 2. des Urteilsatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Josef B***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und dem § 13 FinStrG sowie dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuld- und Strafausspruch wegen der Finanzdelikte wenden sich die Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Nichtigkeitsbeschwerde auf die Z 4, 9 lit a und b des § 281 Abs. 1 StPO stützt. Insoweit liegt ihm zur Last, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Jahre 1978 bis 1982, für die Jahre 1979 und 1980 eine Verkürzung an Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer von zusammen 552.054 S bewirkt und für die Jahre 1981 und 1982 eine Verkürzung von Einkommens- und Gewerbesteuer von 220.248 S zu bewirken versucht (Schuldspruchfaktum 1.) sowie vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1971 entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 1981 und Jänner und Dezember 1982 von zusammen 377.677 S bewirkt zu haben, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten hat (2.).

Die Verfahrensrüge (Z 4) ist berechtigt.

Mit ihr wird die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf "Beiziehung eines Buchsachverständigen zum Beweise dafür, daß die Gewinne im Zeitraum 1978 bis 1980 hinsichtlich des Vorwurfes gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG allenfalls eine Finanzordnungswidrigkeit aber keine vorsätzliche Bewirkung einer Abgabenhinterziehung ergäben" (AS 178), gerügt. Dieser Beweisantrag zielt, wie auch aus der im Urteil nachgetragenen (AS 193) Begründung des Erstgerichtes zu der Abweisung des Antrages erhellt, auf den Nachweis des entscheidungswesentlichen Umstandes ab, daß die beim Angeklagten vorgenommene Einschätzung durch das Finanzamt zu hoch ausgefallen sei. Das Schöffengericht erachtete die begehrte Beweisaufnahme deshalb für entbehrlich, weil das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung einer weiteren gerichtlichen Überprüfung entzogen sei.

Diese Rechtsansicht ist seit der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 21.November 1991 (AZ 14 Os 127/90) nicht mehr vertretbar. Den gegen den Beschuldigten ergangenen (rechtskräftigen) Bescheiden über die endgültige Abgabenfestsetzung und dem ihnen zugrunde liegenden Abgabenverfahren kommt für das nachfolgende gerichtliche Finanzstrafverfahren nur die Bedeutung einer - allerdings qualifizierten - Vorprüfung der Verdachtslage in Ansehung der objektiven Tatseite (Abgabenverkürzung) eines bestimmten Finanzvergehens zu, zu deren eigenständiger Nachprüfung das Gericht mit allen ihm auch sonst nach den Verfahrensvorschriften zu Gebote stehenden Mitteln berechtigt, aber auch verpflichtet ist.

Die Präjudizierung der strafgerichtlichen Entscheidung durch den Abgabenbescheid gerät nicht nur in tatsachenmäßiger Hinsicht sondern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß durch das objektive Geschehen vielfach die subjektive Tatseite einschließlich des Rechtswidrigkeitsbewußtseins indiziert ist, auch unter dem Blickwinkel strafrechtlichen Verschuldens in ein unüberbrückbares Spannungsverhältnis zum unmittelbar anzuwendenden verfassungsrechtlichen Gebot des Art 6 Abs. 2 MRK, wonach der wegen eines gerichtlich strafbaren Verhaltens Angeklagte bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld als unschuldig zu gelten hat.

Dies wird dadurch verstärkt, daß dieser Grundsatz durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985 (BGBl 571) ausdrücklich in den § 6 Abs. 2 FinStrG aufgenommen wurde, wodurch seine uneingeschränkte Geltung gerade für das vorliegende, durch die Zweiteilung in das verwaltungsrechtliche Abgabenverfahren und das gerichtliche Strafverfahren gekennzeichnete Rechtsgebiet noch besonders hervorgehoben worden ist. Auch die unterschiedliche Stellung des Abgabepflichtigen im Abgabeverfahren und des Angeklagten im strafgerichtlichen Verfahren vor allem in beweismäßiger Hinsicht und insbesondere der Umstand, daß im Abgabeverfahren keine unabhängigen Organe (im Sinne des Gerichtsbegriffes des Art 6 Abs. 1 MRK) entscheiden, vermögen eine Präjudizialität von Abgabenbescheiden im gerichtlichen Finanzstrafverfahren nicht (mehr) zu tragen (sh dazu ausführlichst 14 Os 127/90).

Wenngleich dies nicht bedeutet, daß in jedem Fall einer vom Angeklagten bestrittenen inhaltlichen Richtigkeit des dem Verfahren zugrundegelegten Abgabenbescheides dessen Überprüfung durch ein Sachverständigengutachten erforderlich wäre, wurden im vorliegenden Fall durch das negative Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte des Angeklagten in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO verletzt, weil der Beweisantrag, der auf Widerlegung der im endgültigen Abgabenbescheid festgesetzten Abgabenhöhe hinzielte, nicht mit dem bloßen Hinweis abgelehnt werden durfte, daß die sich aus dem Abgabenbescheid ergebenden Tatsachen einer Überprüfung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren nicht mehr zugänglich seien.

Schon deshalb ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten begründet.

Nur der Vollständigkeit wegen sei darauf hingewiesen, daß die Rechtsrügen des Beschwerdeführers ins Leere gehen, weil sie einerseits - soweit sie sich auf die Höhe des festgestellten Verkürzungsbetrages beziehen (Z 9 lit a) - nicht vom Urteilssachverhalt ausgehen, andererseits der Einwand, zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (9.Mai 1986, sh AS 2) sei hinsichtlich sämtlicher Fakten Verjährung eingetreten (Z 9 lit b), nicht zutrifft (Deliktszeitraum 1979 bis 1982; § 31 Abs. 2 und 3 FinStrG).

Aus den dargelegten Gründen ist die Aufhebung des angefochtenen erstinstanzlichen Schuldspruches einschließlich des Strafausspruches unter Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich. Über die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch in Ansehung der Finanzvergehen erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E27008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00116.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_0130OS00116_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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