TE OGH 1991/12/18 9ObA244/91

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Wolfgang Neumeier in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** G*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. *****, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte *****, dieser vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei F***** Ges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 199.969,22 brutto sA (Revisionsstreitwert S 197.562,86 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 1991, GZ 13 Ra 47/91-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Februar 1991, GZ 20 Cga 207/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 8.836,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.472,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 2. Jänner 1981 bis 30. April 1986 und vom 5. Mai 1986 bis 25. Juni 1990 bei der Beklagten angestellt und als Korrektor beschäftigt. In dieser Eigenschaft war er mit den Vorarbeiten für die jährliche Erstellung des F*****jahrbuches betraut, das die Beklagte seit 1981 im Auftrag des S*****verbandes herstellte. Seit 1986 erledigte der Kläger sämtliche mit der Vorbereitung und Koordinierung der Herstellung des Jahrbuches verbundenen Aufgaben. Er setzte sich mit dem Sekretär des S*****verbandes R***** R***** in Verbindung und fragte ihn, ob die Beklagte wieder den Auftrag für das Jahrbuch erhalten würde; wenn R***** R***** dies bejahte, galt der Auftrag an die Beklagte als erteilt. Im Jahre 1988 erhielt die Beklagte zum letzten Mal diesen (periodischen) Auftrag. Zu Beginn des Jahres 1989 erstellte der Geschäftsführer der Beklagten wie üblich an den S*****verband ein Anbot zur Herstellung des S***** F*****jahrbuches. Die Beklagte übergab diese Unterlagen dem Kläger zur Weiterleitung und zur Kontaktaufnahme mit R***** R*****. Die Anbotsunterlagen der Beklagten für das Jahr 1989 trafen jedoch beim S*****verband nicht ein. Im Juni 1989 sagte der Kläger zu seinem Vorgesetzten A***** M*****, das F*****jahrbuch "sei jetzt wieder soweit", er verlange aber für die Auftragserteilung eine Provision. Vor diesem Gespräch hatte nämlich A***** M***** dem Kläger mitgeteilt, daß er sich auch um die Kundenwerbung kümmern solle und für neu aquirierte Aufträge Provisionen erhalten werde. A***** M***** erwiderte dem Kläger, daß die Kalkulation für die Herstellung des Jahrbuches bereits im Frühjahr 1989 durchgeführt worden sei; daher könne er jetzt nicht zu diesem Anbot noch die Provisionskosten des Klägers hinzuschlagen; im übrigen handle es sich um einen Folgeauftrag, für den dem Kläger keine Provision gebühre. Der Kläger antwortete, daß er sich nicht mehr um das F*****jahrbuch kümmern werde.

Nachdem von der Beklagten kein Anbot für die Herstellung des F*****jahrbuches 1989 einlangte, erteilte der S*****verband der Fa. K***** F*****, einer Mitbewerberin der Beklagten, den Auftrag. Nachdem K***** F***** mit der Herstellung des Jahrbuches in Schwierigkeiten geraten war, wandte er sich an den Kläger und fragte ihn, ob er nicht bei der Erstellung des Jahrbuches 1989 mithelfen könne. Der Kläger erklärte sich dazu bereit und erledigte im Sommer 1989 - während des Dienstverhältnisses zur Beklagten - die Plazierung der Inserate und das Layout. Dafür erhielt er von der Fa. K***** F***** S 7.000,--. Die Beklagte erlitt durch den Ausfall dieses Auftrages einen Umsatzverlust von jährlich S 70.000,-- was einem Reinverlust von S 20.000,-- pro Jahr entspricht. Während eines Urlaubes des Klägers im Juni 1990 erfuhr A***** M***** von K***** F*****, daß der Kläger an der Herstellung des Jahrbuches 1989 mitgearbeitet hatte. Am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub, dem 25. Juni 1990, entließ der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den der Höhe nach nicht mehr strittigen Gesamtbetrag von S 199.969,22 brutto sA an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung; er sei ungerechtfertigt entlassen worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger den Auftrag für das Jahrbuch 1989 des S*****verbandes an den Kokurrenten K***** F***** vermittelt und für diesen Auftrag gegen Entgelt Korrekturen gelesen und das Layout hergestellt habe.

Das Erstgericht sprach dem Kläger - insoweit

unbekämpft - S 2.406,36 brutto sA an Urlaubsabfindung zu und wies das Mehrbegehren von S 197.562,86 brutto sA ab.

Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als erwiesen an und war der Ansicht, daß der Kläger damit den Entlassungsgrund nach § 27 Z 3 AngG begangen habe, weil er dem in § 7 Abs 4 AngG ausgesprochenen Verbot, ohne Einwilligung des Dienstgebers Aufträge, die in das Gebiet der geschäftlichen Tätigkeit des Dienstgebers fallen auf eigene oder fremde Rechnung zu übernehmen, zuwidergehandelt habe. Hiedurch sei das geschäftliche Interesse des Dienstgebers beeinträchtigt worden. Unter einer solchen Beeinträchtigung sei nicht nur die effektive Herbeiführung eines Schadens, sondern auch ein Eingriff in die geschäftliche Interessensphäre des Dienstgebers überhaupt zu verstehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Der Kläger habe zwar nicht gegen § 7 Abs 4 AngG verstoßen, weil die Beklagte nicht zu den in § 2 Z 5 AngG bezeichneten Dienstnehmern gehöre. Da der Kläger auch kein selbständiges kaufmännisches Unternehmen betrieben oder im Geschäftszweig des Dienstgebers für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte gemacht habe, erfülle sein Verhalten nicht die Entlassungstatbestände des § 27 Z 3 AngG. Der Kläger habe aber durch seine Handlungsweise den Entlassungstatbestand des § 27 Z 1 AngG verwirklicht. Obwohl der Kläger jahrelang damit betraut gewesen sei, wegen der Auftragserteilung für das Jahrbuch an den Sekretär des S*****verbandes heranzutreten, habe er im Jahre 1989 die Anbotsunterlagen nicht an den *****verband weitergegeben, weil sein Vorgesetzter A***** M***** seinen Wunsch, für diesen Auftrag Provision zu erhalten, abgeschlagen habe. Der Kläger habe damit vorsätzlich gegen die Interessen seines Dienstgebers gehandelt, wodurch diesem der Auftrag entgangen sei. Zudem habe er dann gegen Entgelt dem Mitbewerber der Beklagten, der den Auftrag erhalten hatte, bei dessen Erfüllung geholfen und damit auch gegen die Interessen seines Dienstgebers verstoßen. Selbst wenn der Kläger mit dieser Handlungsweise nicht vorsätzlich gegen die geschäftlichen Interessen seines Dienstgebers verstoßen hätte, würde ihn dieses Verhalten mindestens vertrauensunwürdig machen.

Die Beklagte habe ihr Entlassungsrecht auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Entlassungsrechtes trete ein, wenn der Entlassungsgrund bis zum Aussprechen der Entlassung (durch einen Arbeitgeber, der bisher vom Entlassungsgrund keine Kenntnis gehabt habe) inzwischen so viel an Bedeutung verloren habe, daß ihm die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr unzumutbar sei und der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben mit dem Aussprechen der Entlassung auch nicht mehr zu rechnen brauche. Der Eintritt der Verwirkung richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu beachten sei dabei auch, ob eine ausgesprochene Entlassung mit Rücksicht auf die verflossene Zeit für den Dienstnehmer eine unbillige Härte bedeute. Es komme auch auf die Schwere der Verfehlung an. Bei verhältnismäßig geringfügigen Verfehlungen werde die Verwirkung früher eintreten als bei schwerwiegenden Verstößen.

Im vorliegenden Fall sei die Verwirkung wegen der Schwere der Verfehlung - der Beklagten sei durch das Verhalten des Klägers immerhin ein Umsatz von S 70.000,-- entgangen - nicht eingetreten, zumal der Zeitraum zwischen der Verfehlung und der Entlassung auch nicht so lang gewesen sei, daß diese inzwischen entscheidend an Gewicht verloren habe. Der Kläger habe jederzeit damit rechnen müssen, daß die Beklagte dienstrechtliche Konsequenzen ziehen werde, wenn sie von seiner Verfehlung Kenntnis erlange.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht ist zutreffend zum Ergebnis gekommen, daß zwar der Entlassungsgrund des § 27 Z 3 AngG nicht, wohl aber jener des § 27 Z 1 AngG vorliegt (§ 48 ASGG). Der Umstand, daß nur die in § 2 Z 5 AngG genannten Angestellten von Zivilingenieuren, Zivilgeometern (jetzt: Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen) und Wirtschaftstreuhändern (siehe dazu Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 110 FN 33 bis 36 und 209 FN 16) dem Konkurrenzverbot nach § 7 Abs 4 AngG unterliegen, schließt aber nicht aus, daß auch andere Angestellte - unter besonderen Voraussetzungen (siehe unten) - einen Vertrauensbruch begehen können, wenn sie durch ähnliche Handlungen die Interessen ihres Dienstgebers beeinträchtigen (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz aaO 626).

Soweit der Revisionswerber geltend macht, daß eine dem Dienstgeber nicht bekannte Nebenbeschäftigung wegen der grundsätzlichen Betätigungsfreiheit den Entzug des Vertrauens - jedenfalls sofern kein gesetzliches oder vertragliches Konkurrenzverbot bestehe - nicht rechtfertige, so ist ihm zuzugeben, daß eine über § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit, selbst wenn sie vertraglich vereinbart ist (was hier ohnehin nicht zutrifft), keine Erweiterung des Entlassungstatbestandes des § 27 Z 3 AngG bewirkt und der Entlassungstatbestand nach § 27 Z 1 AngG im Fall einer dem § 7 AngG nicht zu unterstellenden Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen nur dann erfüllt ist, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein Verhalten eingenommen hat, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht (9 Ob A 116/91). Der Revisionswerber übersieht aber, daß sich seine Handlungsweise nicht auf eine Nebenbeschäftigung für einen anderen Arbeitgeber desselben Geschäftszweiges während der Freizeit beschränkt hat. Was dem Kläger vor allem zur Last fällt, ist der Umstand, daß er die Anbotsunterlagen für das F*****jahrbuch 1989 entgegen dem Auftrag der Beklagten vorsätzlich nicht an den S*****verband weitergegeben und damit bewußt gegen die Interessen seines Dienstgebers gehandelt hat, obwohl er seit Jahren mit der Herstellung des Kontaktes für die periodische Auftragserteilung betraut war. Daß er dann auch noch dem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, das infolge seiner Untätigkeit den Auftrag erhalten hat, bei dessen Durchführung in wesentlichen Belangen an die Hand ging, kommt nur erschwerend hinzu.

Den Kläger entschuldigt auch nicht, daß er die Weitergabe der Anbotsunterlagen deshalb unterlassen hat, weil sein unmittelbarer Vorgesetzter sein Verlangen nach Provision für den vom S*****verband einzubringenden Folgeauftrag abschlug. A***** M***** hatte dem Kläger nur für "neu aquirierte Kundenaufträge" eine Provision zugesagt und seine Ablehnung damit erklärt, daß die Beklagte dem bereits kalkulierten Auftrag eine Provision des Klägers nicht mehr hinzuschlagen könne. Wenn es der Kläger nicht bei der Ablehnung durch A***** M***** belassen wollte, hätte er an den Geschäftsführer der Beklagten herantreten können. Keinesfalls durfte er aber den Auftrag des Geschäftsführers, die Anbotsunterlagen weiterzuleiten und (so wie in den Vorjahren) mit R***** R***** Kontakt aufzunehmen, absichtlich unausgeführt lassen, um kurz darauf sogar einen Mitbewerber der Beklagten, dem der Auftrag infolge der Untätigkeit des Klägers zugefallen war, bei dessen Ausführung zu unterstützen. Dieses vorsätzliche Verhalten bildet den Entlassungsgrund der Untreue im Sinne des § 27 Z 1 AngG.

Die Handlungsweise des Klägers ist entgegen seiner Ansicht in ihrer Gesamtheit so schwerwiegend, daß das Entlassungsrecht der Beklagten auch nicht dadurch verwirkt worden ist, daß sie die Entlassung (mangels früherer Kenntnis vom Entlassungsgrund) erst etwa zehn Monate nach dem Vorfall ausgesprochen hat. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung (Kuderna, Entlassungsrecht 28 f mwN; SZ 59/179) zutreffend dargestellt und daraus für den vorliegenden Fall die richtigen Schlüsse gezogen (§ 48 ASGG). Insbesondere war der durch das Verhalten des Klägers der Beklagten verlorengegangene Auftrag keineswegs unbedeutend.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26900

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00244.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_009OBA00244_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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